Erst London, dann New York - in zwei Tagen hat Ben van Beurden Investoren an den wichtigsten Finanzplätzen der westlichen Welt die Strategie von Royal Dutch Shell präsentiert. Die Verkaufsstrategie des Chefs des britisch-niederländischen Energieriesen: Die Branche ist im Umbruch, aber Shell holt aus dem laufenden Geschäft genug Cash, um in Zukunftsmärkte zu investieren und die hohen Ansprüche der Anleger zu befriedigen.

Es geht um gigantische Summen: Bis zu 35 Milliarden Dollar will Shell bis 2025 jährlich an operativem Cashflow fördern, aus dem hochprofitablen Geschäft mit Tiefseeplattformen etwa oder dem umfangreichen Raffinerie- und Tankstellennetz. In Form von Dividenden und Aktienrückkäufen sollen in dem Zeitraum mindestens 125 Milliarden Dollar an Anteilseigner fließen - das wäre neuer Rekord. Damit dürfte Shell die weltweit größte, regelmäßig sprudelnde Geldquelle für Investoren bleiben. Das alles gilt laut van Beurden bei einem Ölpreis von 60 Dollar pro Fass - kein sicheres Szenario, der Preis des Rohstoffs steht wieder unter Druck.

Bei allen Unwägbarkeiten des Geschäfts ist die Historie des weltgrößten Dividendenzahlers beachtlich. Von 2011 bis 2015 profitierten Anteilseigner von Ausschüttungen und Rückkäufen in Höhe von 52 Milliarden Dollar, im Fünfjahreszeitraum bis 2020 sollen es 90 Milliarden werden, wobei die Dividende zu Zeiten ölpreisbedingt knapper Kassen teils in Aktien ausbezahlt wurde.

Jetzt kommen also noch ein paar Fässer Cash obendrauf. Über einen möglichen neuen Auszahlungsrekord hinaus verspricht van Beurden Anlegern weiter hohe Ausgabendisziplin. Der Niederländer will die Bilanz bis 2025 weiter verbessern, das Verhältnis von Schulden zum ­Eigenkapital beispielsweise soll von 25 Prozent auf im Schnitt 20 Prozent sinken. Überdies soll die Kapitalrendite von derzeit knapp unter zehn Prozent auf zwölf Prozent steigen.

Weg vom Mainstream


Der Weg, den van Beurden mit Shell eingeschlagen hat, unterscheidet sich deutlich von dem anderer Energieriesen wie etwa ExxonMobil. Die Amerikaner setzen weiter vor allem aufs klassische Geschäft, haben beispielsweise im ersten Quartal die Investitionen in die Öl- und Gasförderung um über 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesteigert. Shell hingegen senkte diese Ausgaben um elf Prozent.

Der Fokus des Konzerns verschiebt sich sukzessive vom Öl hin zu anderen Energieträgern. Mit der Übernahme des weltgrößten Erdgasproduzenten BG Group hatte van Beurden 2016 diese Transformation eingeleitet. Jetzt will er auch auf neue Energien setzen, etwa als Anbieter dezentraler Stromversorgung. In die neuen Bereiche sollen ab 2021 drei Milliarden Dollar pro Jahr fließen, eine Verdoppelung des jetzigen Budgets.

Van Beurden ist sich bewusst, dass die konservative Investorenschar, darunter große institutionelle Fonds oder Pensionskassen, den geplanten Wandel mit einem Stück Skepsis betrachtet. "Wir werden die Geschäftsmodelle sehr intensiv prüfen, bevor wir unsere Invest­ments treffen", verspricht der 61-Jährige und betont, dass es sich um einen langfristigen Wandel handelt: "Wir werden noch viele Jahrzehnte Geld mit Öl und Gas verdienen, aber wir müssen für den Wandel gerüstet sein." Das klassische Geschäft bilde auch das Fundament für die Ausschüttungen bis 2025, die Investitionen dafür seien längst getätigt.

Sicher sind die in Aussicht gestellten Milliarden an Wohltaten dennoch nicht. Bei einer Rezession etwa könnte der Ölpreis einbrechen. Zugleich muss Shell aus dem operativen Cash pro Jahr 20 Milliarden Dollar an Investitionen bestreiten, um die Substanz aufrechtzuerhalten. Die neuen Energien kommen obendrauf, Schuldendienste ebenfalls. Bislang aber war auf den Konzern Verlass.

Solide: Shell hat auch in harten Jahren seine Versprechen gegenüber Aktionären gehalten. Top-Pick aus dem Energiesektor.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 35,00 Euro
Stoppkurs: 23,60 Euro