Zwei mächtige Taifune fegten über Japan hinweg: Faxai im September und erst kürzlich Wochenende Hagibis. Die größten Schäden verursachte Letzterer nicht durch seine heftigen Windböen, sondern durch die massiven Regenfälle. Westlich und nördlich von Tokio brachen die Dämme von zehn größeren Flüssen. In der Präfektur Nagano nordwestlich von Tokio wurden Wohngebiete unter Wasser gesetzt. In Akanuma bei Nagano stand ein Depot mit Shin­kansen-Schnellzügen unter Wasser. Mehr als 60 Menschen starben durch den Wirbelsturm.

Fabriken von Panasonic, Nissan, Honda und Subaru wurden erheblich beschädigt. Die durch Versicherungen abgedeckten Schäden werden auf fünf bis 16 Milliarden Dollar geschätzt. Damit würden die Verwüstungen die Größenordnung der Schäden durch Taifun Jebi im September 2018 erreichen.

Um ausreichenden Schutz für milliardenschwere Schäden durch Naturkatastrophen anbieten zu können, haben japanische Versicherer nach Angaben des Börsendienstes Bloomberg 50 bis 70 Prozent der Risiken an Rückversicherer ausgelagert, die Versicherungen der Versicherer.

Trotz der voraussichtlich erheblichen Belastungen für Rückversicherer in ihrem Japan-Geschäft kamen die Aktien des weltweit zweitgrößten Branchenvertreters nach Prämienvolumen, Munich Re, und der Nummer 3, Hannover Rück, nur vorübergehend unter Druck.

Klar besser als der Branchenindex


Mit Wertzuwächsen von jeweils mehr als 35 und 40 Prozent haben Munich Re und Hannover Rück seit Jahresbeginn deutlich stärker zugelegt als der Index der Versicherer im Stoxx-Europe-600- Index mit rund 25 Prozent.

Für eine Einschätzung der Belastungen im Japan-Geschäft sei es noch zu früh, teilten die beiden Unternehmen auf Anfrage von €uro am Sonntag mit und verwiesen in diesem Zusammenhang auf ihre Anfang November bevorstehenden Quartalsberichte.

Wie schwierig die Einschätzung der endgültigen Belastungen sein kann, wurde bei Taifun Jebi im September 2018 deutlich. Von Ende 2018 bis zum Sommer 2019 hat sich der versicherungsrelevante Schaden von sechs auf 15 Milliarden Dollar mehr als verdoppelt. Viele Rückversicherer mussten aufstocken. Die 20 größten Anbieter brauchten im Schnitt 15 Prozent ihres Budgets für 2019 auf, schätzt die Rating­agentur Standard & Poors (S & P).

Hannover Rück zum Beispiel musste 106 Millionen Euro zusätzlich bereitstellen. Im Schadensbudget für 2019 blieben im Sommer noch 734 Millionen Euro übrig. Voraussichtlich reicht das.

Erstmals wieder höhere Prämien


Für Zuversicht in der Branche sorgen die erstmals wieder steigenden Prämien der Versicherungspolicen. In der Hurrikan-Region Florida lag das Plus im Juli bei mehr als 20 Prozent. In dem von Waldbränden betroffenen Kalifornien verteuerte sich der Versicherungsschutz um 60 Prozent, in Japan zogen die Preise um bis zu 18 Prozent an. Nach den Jahren mit sinkenden Preisen für Versicherungsprämien, selbst in gefährdeten Regionen, ist das ein erstes Anzeichen für eine Stabilisierung.

Die Spezialisten von S & P trauen den Rückversicherern für 2019 und 2020 zu, im Kerngeschäft die Kosten für das eingesetzte Kapital zu verdienen. In den beiden Jahren zuvor war das wegen der hohen Schäden und gleichzeitig sinkender Prämien nicht möglich.

Von ihren besten Zeiten bleibt die Branche der Rückversicherer dennoch weit entfernt. Die Prämienvolumen stagnieren seit geraumer Zeit. Im vergangenen Jahr lag das globale Prämienvolumen der Rückversicherer bei 488 Milliarden Dollar. Das sind drei Prozent weniger als 2017. Weil günstiges Kapital im Überfluss verfügbar ist, bestehe bei den Erstversicherern kein zusätzlicher Bedarf für Rückversicherungen, hieß es auf dem traditionellen Treffen der Branche im September in Monte Carlo.

Druck auf die Gesamtprofitabilität gibt es auch an den Kapitalmärkten, wo die Versicherungsprämien angelegt werden, um zusätzliche Renditen einzufahren. Denn höhere Zinsen sind dort auf absehbare Zeit nicht in Sicht, und viele der noch hoch rentierenden Anleihen in den Portfolios der Versicherer laufen während der nächsten Jahre aus. Weil die auf ein möglich geringes Risiko und regelmäßige Zuflüsse bedachten Assekuranzen ihr Geld überwiegend in Staatsanleihen und Firmenbonds anlegen, sind sie von den historisch niedrigen Zinsen besonders betroffen.

Über die Jahrzehnte haben sie jedoch hohe Reserven aufgebaut und können sich deshalb auch im aktuell schwierigen Umfeld eine aktionärsfreundliche Politik mit hohen Dividenden und Aktienrückkäufen leisten. Bei der Solvabilitätsquote, einer wichtigen Kennzahl für die Kapitalreserven, liefern Munich Re und Hannover Rück mit jeweils mehr als 240 Prozent die Spitzenwerte in der Branche - deutlich über den gesetzlich vorgeschriebenen 100 Prozent.

Wachstumsmarkt Cybersecurity


Im Kerngeschäft erschließen sich die Rückversicherer währenddessen zusätzliche Märkte. Beispiel Cybersecurity: Experten schätzen die jährlichen Schäden durch Hacker-Angriffe auf 400 bis 500 Milliarden Dollar. Bisher ist erst weniger als ein Prozent davon versichert.

Für die Rückversicherer ist das Potenzial verlockend. Beim Branchenriesen Munich Re haben Firmenkunden 2018 Cybersecurity-Policen im Wert von 473 Millionen Dollar gezeichnet. Nach Angaben der Münchner entspricht das neun Prozent Marktanteil. Das jährliche Wachstum des Segments taxieren sie auf 25 bis 30 Prozent.

In der stark begehrten Nische für Absicherungen gegen hohe Hurrikan-­Schäden in den USA müssen sich die Rückversicherer allerdings gegen zusätzliche Konkurrenten behaupten. Spezialisierte Vermögensverwalter begeben dort Katastrophen-Anleihen, die Cat-Bonds.

Dieses sogenannte alternative Kapital summiert sich aktuell auf 93 Milliarden Dollar und wird nach Einschätzung von Experten weiter steigen. Hannover Rück reagierte früh und erfolgreich auf die neue Konkurrenz. In diesem Jahr ­organisierten die Niedersachsen fünf ­eigene Cat-Bonds mit jeweils mehr als einer Milliarde Dollar Volumen.

Investor-Info

Rückversicherungsmarkt
Geringes Wachstum


Im Gesamtmarkt fallen die deutlichen Zuwächse in neuen Bereichen wie Cybersecurity bisher nicht ins Gewicht. Das Volumen der Prämien stagniert seit 2014. Das alternative Kapital von Vermögensverwaltern als zusätzliche Konkurrenten nimmt beständig zu.

Hannover Rück
Erfolgreich fokussiert


Am 6. November legt der drittgrößte Rückversicherer seine Quartalsbilanz vor. Ähnlich wie Munich Re haben die Niedersachsen gemessen an der Solvency-Quote eine der besten Kapitalausstattungen in der Branche. In neuen Segmenten wie parametrische Versicherungen, die einspringen, wenn bei Naturkatastrophen festgelegte Parameter erreicht werden, ist Hannover Rück früh dabei. Die Aktie ist teuer, aber langfristig aussichtsreich.

Empfehlung: Kaufen.
Kursziel: 190,00 Euro
Stoppkurs: 133,00 Euro

Munich Re
Breit aufgestellter Primus


Gemessen am Prämienvolumen liefern sich die Münchner mit Konkurrent Swiss Re ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den 1. Platz. Am 7. November präsentieren die Münchner die Zahlen für das dritte Quartal. Ein zusätzlicher Kurstreiber für die Aktie des DAX-Konzerns ist die aussichtsreiche Entwicklung der Erstversicherungstochter Ergo. Der einst größte Sanierungsfall in der Branche hierzulande soll künftig signifikante Beiträge zum Gewinn liefern. Solides Investment.

Empfehlung: Kaufen.
Kursziel: 300,00 Euro
Stoppkurs: 198,00 Euro