Nein dem ewigen Putin!" - die Kampagne seiner Gegner, zu denen auch die Kommunistische Partei zählt, verfing nicht. Wladimir Putin hat die von ihm initiierte, vom Parlament beschlossene und den Bürgern zur Abstimmung vorgelegte Verfassungsreform gewonnen. Wer "Ja" ankreuzte, der stimmte unter anderem für eine regelmäßige Erhöhung der Renten. Der wichtigste Artikel des neuen Grundgesetzes aber ist: Der Kreml-Herrscher kann bis 2036 an der Macht bleiben. Putin wäre dann 84 Jahre alt.

Auf einen Popularitätswert von 85 Prozent wie im Jahr 2015 kommt er zwar nicht mehr, aber immer noch sind 69 Prozent mit seiner Amtsführung einverstanden. Auch wenn die Realeinkommen nach Angaben von Ostexperte.de im Vergleich zu 2013 um 7,5 Prozent gesunken sind, die Schuld dafür geben die Russen in erster Linie der eigenen Regierung, oder sie machen die Wirtschaftssanktionen der westlichen Industrieländer dafür verantwortlich. Die Mehrheit der Russen sieht in dem ehemaligen Geheimdienstoffizier Putin vor allem den Garanten für Stabilität.

Sicherheit und Irritation

"Das schätzen auch viele Anleger an Putin - zumindest solange keine überzeugende personelle oder politische Alternative die politische Bühne betritt", sagt Sebastian Kahlfeld, Manager des Fonds DWS Russia. Chaos und innenpolitische Wirren wie zu Zeiten Boris Jelzins, Putins Vorgänger im Amt, sind jedenfalls kein gutes Umfeld für ein Aktienengagement. "Putins Kurs in der Außenpolitik dagegen löst bei internationalen Investoren nicht selten Irritation aus", meint Kahlfeld.

Für Investoren mit längerem Anlagehorizont hat sich ein Engagement während der bisherigen Amtszeit Putins immer wieder gelohnt. Der iShares MSCI Russia ADR/GDR erzielte auf Sicht von fünf Jahren ein Plus von 50 Prozent. Der MSCI Welt schaffte dagegen im selben Zeitraum nur rund 35 Prozent. Gute Nerven sind jedoch gefragt. "Die Volatilität ist hoch, in den vergangenen zehn Jahren gab es auch kräftige Verlustphasen", weiß Kahlfeld. Im Jahr 2014, als Russland die Krim annektierte, verlor die Börse in Moskau 37 Prozent. Auch in diesem Jahr schwanken die Kurse heftig. Seit Januar weist der iShares MSCI Russia ADR/GDR ein Minus von 25 Prozent auf. In den vergangenen drei Monaten hat der ETF jedoch schon wieder rund 20 Prozent aufgeholt.

Zu den entscheidenden Einflussgrößen auf die Kurse zählen die Rohstoffpreise. Gas und Öl stehen für mehr als 50 Prozent der Exporterlöse, dividendenstarke Unternehmen wie Gazprom und Lukoil sind in russischen Indizes hoch gewichtet. Doch der Ölpreis schwankt. 2018 verdiente Russland jeden Tag mit dem Verkauf von Öl und Gas 700 Millionen US-Dollar. Im laufenden Jahr fällt der Ertrag, bisher jedenfalls, wesentlich geringer aus. Während der schwarze Rohstoff zu Beginn des Jahres noch bei 62 US-Dollar pro Barrel notierte, waren es im zweiten Quartal im Durchschnitt lediglich 38 US-Dollar.

Ein Grund für die Korrektur ist der im März zwischen Saudi-Arabien und Russland ausgetragene Ölkrieg. Beide Seiten konnten sich zunächst nicht auf eine Fortsetzung der Produktionskürzungen einigen. Vor allem aber hat die Corona-Pandemie die Nachfrage nach russischem Öl einbrechen lassen.

Mittlerweile zieht der Preis wieder an. Riad und Moskau haben ihren Disput beigelegt. Ob die Erholung nachhaltig ist, darüber sind sich die Experten nicht einig. Während BNP Paribas anhaltenden Druck auf den Preis aufgrund voller Lager prognostiziert, will Christyan Malek, Analyst bei JP Morgan, einen Superzyklus nicht ausschließen. Infolge eines Angebotsdefizits könne der Ölpreis bis 2025 auf 190 Dollar klettern.

Zinsen auf historischem Tief

Neben der Erholung des Ölpreises motiviert die Notenbank Anleger zum Kauf. Russland ist von Corona schwer getroffen. Der Internationale Währungsfonds sagt einen Einbruch der gesamtwirtschaftlichen Leistung um 6,6 Prozent voraus.

Um den ökonomischen Schaden zu begrenzen, senkte Notenbankchefin Elvira Nabiullina jüngst den Leitzins um 100 Basispunkte auf 4,5 Prozent. Das ist der niedrigste Satz seit dem Ende der Sowjetunion und ein völlig anderer Kurs als im Jahr 2014. Seinerzeit mussten die Zinsen erhöht werden, um die Talfahrt des Rubel zu stoppen. "Derzeit aber erweist sich Russlands Währung als relativ stabil, die Inflation fällt mit drei Prozent moderat aus", sagt Kahlfeld. Er will weitere Senkungen nicht ausschließen.

Im Vergleich zu anderen Notenbanken wie der amerikanischen Fed verzichtet Nabiullina jedoch auf den Kauf von Staatspapieren. Sie erwirbt auch keine Unternehmensanleihen mit einer schlechten Bonität. "Russlands Zentralbank agiert sehr konservativ und ist keinem politischen Druck ausgesetzt", analysiert Kahlfeld.

Auch die staatlichen Stimulierungsmaßnahmen fallen im Volumen geringer aus als die der Industrieländer. Am Grundsatz einer soliden Finanzpolitik hält Russland fest. Die Regierung will laufende Modernisierungsprogramme bis Ende 2021 um 64 Milliarden Euro ergänzen. Die USA dagegen nehmen 2,8 Billionen Euro in die Hand.

Die Aussichten für russische Aktien werden dadurch nicht getrübt. "Im Lockdown haben sich IT-affine Russen intensiv mit der Börse beschäftigt und die niedrigen Bewertungen zum Einstieg genutzt, auch da Anlagealternativen aufgrund der fallenden Zinsen wegbrechen", so Kahlfeld. Sie dürften investiert bleiben, um Einkommenseinbußen zu kompensieren. Nicht nur Ölwerte sind gesucht, auch Konsum- und Technologietitel werden gekauft. Das wachsende Börseninteresse kommt Putin gelegen. Trotz Krise dürfte die Kritik an seinem Kurs nicht allzu laut werden.
 


INVESTOR-INFO


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Voller Energie

Anleger haben Sebastian Kahlfeld rund 135 Millionen Euro anvertraut. Über 50 Prozent davon hat der Schwellenländerexperte in Öl- und Gaswerte wie Lukoil, Gazprom oder Tatneft investiert. Hoch gewichtet ist laut Factsheet auch das Minenunternehmen Norilsk Nickel. Renditechancen sieht Kahlfeld zudem bei dem Konsumwert X5 Retail Group und der Sberbank. In den vergangenen fünf Jahren erzielte der Fonds im Durchschnitt ein jährliches Plus von etwa neun Prozent.

iShares MSCI Russia ETF

Öl rauf, Zinsen runter

Russische Aktien sind günstig. Die 17 im Indexpapier geführten Unternehmen weisen im Schnitt ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund fünf auf. Dies motiviert Investoren trotz des schweren Wachstumseinbruchs zum Kauf. Nach der kräftigen Börsenkorrektur im Februar und März erholten sich die Kurse in Moskau. Für einen Einstieg spricht unter anderem ein wieder anziehender Ölpreis. Über 50 Prozent der Mittel entfallen auf Energiewerte. Kursfantasien entzünden sich zudem an Zinssenkungen seitens der Notenbank.

Schroder ISF Gl. EM Opport.

Neun Prozent auf Russland

Der Fonds eignet sich für Anleger, die nach der Talfahrt Einstiegsgelegenheiten in den Schwellenländern erkennen. Die beiden Manager Nicholas Field und Tom Wilson haben russische Aktien aktuell mit rund neun Prozent gewichtet. Mehr Chancen sehen sie derzeit bei chinesischen Unternehmen, das Reich der Mitte ist mit 36 Prozent vertreten. In dem aktuell aus 55 Aktien bestehenden Portfolio finden sich zudem Unternehmen aus Brasilien, Südkorea und Südafrika.