Der in der Krise steckende Energieversorger RWE stößt seine Aktionäre vor den Kopf: Konzernchef Peter Terium streicht die Dividende zusammen und verärgert damit vor allem die klammen Kommunen in Nordrhein-Westfalen. Der von der Energiewende hart getroffene zweitgrößte deutsche Versorger rutschte wegen des Verfalls der Strom-Großhandelspreise im vergangenen Jahr in die roten Zahlen. "Das übertrifft meine schlimmsten Alpträume", sagte Lars Martin Klieve, Kämmerer der Stadt Essen - einem der größten Aktionäre von RWE - am Mittwoch. Terium sprach dagegen von einer "Ausschüttungspolitik mit Augenmaß". Es ist das erste Mal seit den 1950er-Jahren, dass die Dividende ausfällt.

Terium will Haltern von Stammaktien für 2015 keine Dividende zahlen, Inhaber von stimmrechtslosen Vorzugspapieren sollen 13 Cent je Anteilsschein bekommen. Allein für die Stadt Essen führt das nach eigenen Angaben zu geringeren Einnahmen von rund 18 Millionen Euro. Die Kommunen, darunter viele finanziell klamme Ruhrgebietsstädte wie Dortmund, Bochum oder Mülheim an der Ruhr, halten knapp ein Viertel an dem Versorger. Essen mit seinem rund 2,5 Milliarden Euro schweren Haushalt muss wie viele andere Städte und Gemeinden wegen der Flüchtlingskrise ohnehin derzeit zusätzliche Belastungen verkraften.

AKTIENKURS BRICHT EIN



Die im Leitindex Dax gelistete Aktie von RWE rauschte an der Frankfurter Börse um mehr als 13 Prozent in die Tiefe. Verantwortlich für den Verlust von RWE von rund 200 Millionen Euro im vergangenen Jahr sind vor allem Wertberichtigungen auf Kohle- und Gaskraftwerke in Höhe von 2,1 Milliarden Euro.

Die Energiewende hat den spät in das Ökostromgeschäft eingestiegenen Versorgern einen Strich durch die Rechnung gemacht. Sie kämpfen mit dem Verfall der durch den Ausbau der Wind- und Sonnenenergie stark gefallenen Strom-Großhandelspreisen. So hatte RWE-Konkurrent E.ON in den ersten neun Monaten fast elf Milliarden Euro auf Kraftwerke und sein Öl- und Gasgeschäft abgeschrieben und einen Nettoverlust von 6,1 Milliarden Euro eingefahren.

Von Seiten der bei RWE engagierten Kommunen war in den vergangenen Jahren immer wieder Kritik an Terium laut geworden, dem sie etwa Mängel in der Strategie vorwarfen. Die Einnahmen der RWE-Aktionäre sind über die Jahre zusammengeschmolzen. Für das Geschäftsjahr 2008 hatte RWE noch 4,50 Euro pro Papier gezahlt, im vergangenen Jahr war es noch ein Euro. Auch an der Aktie hatten die Eigner kaum noch Freude. Am Mittwoch notierte sie zeitweise nur noch bei knapp über zehn Euro - rund ein Zehntel des Werts vor einigen Jahren.

WEITERER GEWINNRÜCKGANG ERWARTET



RWE hat 575 Millionen Stammaktien ausgegeben, für die es in diesem Jahr keine Ausschüttung geben soll. Dem stehen nur 39 Millionen Vorzugsaktien gegenüber. "Vor dem Hintergrund der aktuellen wirtschaftlichen Perspektiven in der konventionellen Stromerzeugung haben wir heute eine Dividendenentscheidung getroffen, die uns nicht leicht fällt", warb Terium um Verständnis. Auch für das laufende Geschäftsjahr hatte er keine gute Nachrichten. Das Betriebsergebnis werde 2016 bei 2,8 bis 3,1 Milliarden Euro liegen, nachdem es bereits 2015 auf 3,8 von zuvor rund vier Milliarden geschrumpft ist. Terium will unter anderem mit Kostensenkungen gegenhalten, Arbeitsplätze stehen aber kaum auf der Kippe.

Dank des Verkaufs der Öl- und Gasfördertochter Dea konnte RWE seine Schulden um sechs Milliarden auf 25 Milliarden Euro senken. Terium will noch in diesem Jahr das Geschäft mit Ökostrom, Netzen und dem Vertrieb abspalten und zehn Prozent an die Börse bringen. Damit will er neue Investoren gewinnen, die derzeit um den Konzern mit seinem vielen Kohlekraftwerken eine hohen Bogen machen. Insidern zufolge spielt Terium mit dem Gedanken, an die Spitze der Tochter zu rücken, während sein bisheriger Vize Rolf Martin Schmitz die Führung von RWE übernehmen könnte. Schmitz gilt in der Politik als sehr gut verdrahtet. Diese hat großen Einfluss auf RWE. So berät derzeit eine Kommission darüber, wie der bis 2022 geplante Atomausstieg und die Entsorgung des noch Jahrtausende strahlenden Mülls geregelt und finanziert wird.

Reuters