Für RWE-Chef Peter Terium reißen die Probleme nicht ab: Kaum hat er den Konzernumbau auf den Weg gebracht, muss der Manager in Großbritannien einen neuen Krisenherd löschen. Hohe Verluste im dortigen Vertriebsgeschäft sorgten mit dafür, dass der operative Gewinn des Konzerns im ersten Halbjahr um sieben Prozent auf 3,2 Milliarden Euro schrumpfte. Auf der britischen Insel kämpft RWE mit einem Kundenschwund und technischen Problemen im Abrechnungssystem. Größtes Manko bleiben aber die Atom-, Kohle- und Gaskraftwerke, die wegen der gefallenen Strom-Großhandelspreise immer weniger verdienen. Wenigstens einen Lichtblick gibt es: Das lange vernachlässigte Ökostromgeschäft legte beim Gewinn zu. Deshalb konnte Terium die Prognose für 2015 bestätigen - der Ausblick ist jedoch trübe. Die Aktie fiel auf den tiefsten Stand sei fast einem Vierteljahrhundert.

"Ich mache es kurz. Keine Frage, der Wind bläst uns nach wie vor kräftig ins Gesicht", räumte der Niederländer ein, der seit 2012 den nach E.ON zweitgrößten deutschen Versorger führt. Anders als der mit seinen Aufspaltungsplänen für Furore sorgende Konkurrent aus Düsseldorf setzt Terium auf kleine Schritte. Er sehe auch keinen Handlungsdruck, es E.ON gleich zu tun. Dem Beispiel von E.ON, das Geschäft mit konventionellen Energieträgern wie Kohle, Gas und Atomenergie von dem mit erneuerbaren Energien zu trennen, sei bislang kein weiterer Versorger gefolgt. "Wir sehen derzeit kein nachhaltiges Kurspotenzial durch eine Aufspaltung." Stattdessen hatte Terium am Montag die Verschmelzung diverser Tochterfirmen eingleitet.

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PROBLEME IN GROSSBRITANNIEN ERST 2017 GELÖST



Doch der 51-Jährige kann die Löcher kaum so schnell stopfen wie sie aufreißen. Die Verluste im konventionellen Stromgeschäft verhageln nicht nur RWE, sondern auch E.ON seit Jahren die Bilanz. Bei RWE brach das operative Ergebnis in diesem Bereich im Halbjahr um fast 30 Prozent auf 752 Millionen Euro ein. Doch bei RWE kommt nun eine weitere Baustelle hinzu: Der Markt in Großbritannien. Dort erwartet der Konzern im Gesamtjahr keine Ergebnissteigerung mehr, sondern einen deutlichen Rückgang.

Im ersten Halbjahr fiel das operative Ergebnis (Ebitda) der britischen Tochter RWE Npower um 52 Prozent auf 83 Millionen Euro. RWE kämpfe auf der Insel mit operativen und technischen Problemen, schrieb Terium an die Aktionäre. Das IT-System läuft Insidern zufolge seit Jahren nicht rund. Im Halbjahresbericht verweist der Konzern auf "Prozess- und Systemprobleme bei der Privatkundenabrechnung". Kurzfristige Besserung ist nicht in Sicht. Die Probleme würden wohl erst 2017 komplett gelöst, hieß es. Darüber hinaus kämpft RWE mit sinkenden Kundenzahlen auf dem hart umkämpften britischen Markt. Um das zu stoppen, bot der Konzern günstigere Tarife an, was die Einnahmen noch weiter drückte. Dennoch verlor der RWE in Großbritannien seit Mitte vergangenen Jahres rund 100.000 Haushaltskunden.

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HOFFNUNG AUF "EIN MÄRCHEN AUS 1001 NACHT"



Die RWE-Aktie verlor am Donnerstag zeitweise über fünf Prozent an Wert und fiel auf den tiefsten Stand seit mindestens 24 Jahren. "Für Unmut sorgt, dass nun auch die Geschäfte in Großbritannien nicht so gut laufen", sagte ein Händler. Trotz der Gewinneinbußen bekräftigte RWE seine Jahresprognose. Danach soll das Betriebsergebnis 2015 auf bis zu 3,6 Milliarden Euro nach vier Milliarden zurückgehen.

Dabei hatte Terium durchaus positive Nachrichten. Die jahrelang nicht in Schwung gekommene Ökostromsparte konnte ihr Ergebnis unter anderem dank der Inbetriebnahme neuer Windparks auf 382 Millionen Euro um mehr als drei Viertel verbessern. "Bei den Erneuerbaren haben wir eine Lernkurve durchlaufen und können erste Früchte ernten", betonte Terium. RWE hat die Energiewende verschlafen und ist noch stark abhängig von Kohlekraftwerken.

Womöglich erfüllt sich für Terium und RWE aber auch noch eine Art Märchen aus 1001 Nacht. Ein arabischer Investor könnte sich an den Essenern beteiligen und die klammen Kassen füllen. "Die Gespräche mit dem Investor laufen nach wie vor", berichtete er. Dabei gehe es sowohl um Projekte in der Region als auch um eine Kapitalbeteiligung. Es gebe aber keine Entscheidungen. Die Gespräche dauerten wohl auch noch Monate.

Reuters