Knallbunt und kitschig wirbt ein junges Paar im Bollywood-Stil für eine Pille namens Tulip (Tulpe). Für den "Notfall", macht der Werbeclip klar, Tulip, das sei die "Pille für danach". Keine große Sache, mag man meinen. Doch wir sind in Bangladesch, einem Land, in dem sich 85 Prozent der 160 Millionen Einwohner zum Islam bekennen. Da wundert man sich dann vielleicht doch ein wenig.

Hergestellt wird die Notfallmedizin von

Square Pharmaceuticals

- das ist der größte Pharmahersteller des Landes. Square ist eines von insgesamt 553 börsengelisteten Unternehmen und mit umgerechnet etwa 1,9 Milliarden Euro Marktkapitalisierung eines der größten dazu. Doch es ist reichlich unbekannt. Andere Themen finden mehr Beachtung, wenn es um das Land zwischen Indien und Myanmar geht.

Schlagzeilen machen beispielsweise die Millionen Wanderarbeiter, die in Dubais boomendem Immobiliensektor tätig sind und dort oft genug ausgebeutet werden, oder die Menschen, die in den Küstenregionen von Bangladesch wohnen und denen langsam, aber sicher der Boden unter den Füßen weggespült wird - das Land rangiert auf der Liste der vom Anstieg des Meeresspiegels am stärksten bedrohten Länder auf dem neunten Platz. 20 Prozent der Landfläche gingen verloren, sollte das Wasser einen Meter höher stehen als jetzt. Bis zu 25 Millionen Einwohner wären dann heimatlos und auf der Flucht.

Und natürlich denkt man an den Fabrikeinsturz im Jahr 2013, bei dem mehr als 1100 Menschen, vor allem Näherinnen und Näher, ums Leben kamen, als sie dabei waren, Billig-T-Shirts für den europäischen Markt zu produzieren.

Eine Börse? Ja, die gibt es. Sogar zwei. Zum einen die Dhaka Stock Exchange in der Hauptstadt Dhaka und eine kleinere in der Küstenstadt Chittagong, die man - wenn überhaupt - wegen der Schiffsabwracker kennt, die auf einem sieben Kilometer langen Strandabschnitt ausrangierte Boote zerlegen und teilweise wiederverwerten. Wie auch immer: Bangladesch ist natürlich ein Börsenleichtgewicht. Die Marktkapitalisierung aller Aktien liegt bei etwa 36 Milliarden Euro - das bringt in Deutschland allein der Autozulieferer Continental auf die Waage. Die eher für einen Vergleich taugende Börse Vietnam bringt es auf 46 Milliarden Euro.

Gut repräsentiert ist die Börse Dhaka im MSCI Bangladesh, einem Index, der 50 Aktien beinhaltet, die sich überwiegend im Streubesitz befinden. Mit dabei ist Square Pharmaceuticals, mit 14 Prozent Anteil die größte Position. Dahinter folgt

Grameenphone

, der größte Mobilfunkanbieter des Landes und mit 4,1 Milliarden Euro Börsenwert das gewichtigste Unternehmen am Marktplatz Dhaka.



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Korruption trifft auf Solarboom


Im Vergleich zu so manch anderem Schwellenland, in dem sich überwiegend Banken in den Listen der größten Werte wiederfinden, ist der Index angenehm diversifiziert. Mit

Beximco

rangiert ein weiteres Pharmaunternehmen in den Top Ten, dazu mit

Lafarge Surma Cement

und

Advanced Chemical

zwei größere Unternehmen aus der Industrie.

Doch warum sollte man in Bangladesch investieren? Vieles spricht dagegen: Es ist eines der ärmsten Länder der Welt. Der Staatshaushalt ist mit umgerechnet 27 Milliarden Euro so hoch wie das geschätzte Vermögen des laut "Forbes" reichsten Deutschen Georg Schaeffler. Die Gräben, die durch Bangladeschs Gesellschaft verlaufen, sind tief. Die säkular geprägte Regierung von Premierministerin Sheikh Hasina geht nicht gerade zimperlich mit der teils religiös orientierten Opposition um. Streit gibt es eigentlich schon seit der Unabhängigkeit 1971. Gewaltakte haben in den vergangenen Monaten deutlich zugenommen, mehrere berühmte Schriftsteller und Blogger sind in der jüngeren Vergangenheit ermordet worden. Ein Problem ist zudem die Korruption. Auf dem Corruption-Index von Transparency International rangierte Bangladesch 2015 auf Rang 139 von 167 Staaten.

Bangladesch kann aber auch etwas vorweisen: Seit 2002 werden Haushalte mit Solaranlagen ausgerüstet, gefördert von der Regierung und über Mikrokredite. Dadurch sind bisher 13 Millionen Menschen erstmals zu einem Stromanschluss gekommen, einem klimafreundlichen dazu. Um die neue Stromversorgung herum entwickelte sich eine einheimische Industrie, die bislang 70 000 Menschen beschäftigt. Herstellung und Wartung der meisten Anlagen erfolgen vor Ort - etwa von

Summit Power

. Weltbank-Chef Jim Yong Kim spricht schon von einem Solarboom. Ohnehin sind die Wachstumsaussichten für das Land insgesamt positiv und dazu weit stabiler als bei den populären BRIC-Staaten. Die Kursentwicklung am Aktienmarkt in Dhaka spiegelt das gut wider (siehe Grafiken unten).

Und die Textilindustrie? Spätestens nach dem Fabrikeinsturz 2013 versucht man dort die Standards zu verbessern. Immerhin. Es gibt immer noch mehr als 4500 Textilfabriken in Bangladesch. Noch immer ist die Textilbranche ein großer Wachstumsfaktor. 16 Milliarden Euro werden dort im Jahr umgesetzt und gut 3,5 Millionen Menschen haben eine Arbeit. Die Dinge sind also in Bewegung in dem kleinen Land zwischen Indien und Myanmar.



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