Energiegeladen - das Attribut trifft auf Elon Musk allemal zu. Der Tesla-Chef und Initiator des privaten Raumfahrtunternehmens Space X, das jüngst erstmals zwei NASA-Astronauten zur Raumstation ISS flog, sorgte mit einem Memo an seine Mitarbeiter für Schlagzeilen. Es sei an der Zeit, so der Boss, nach dem Angriff auf die Pkw-Mittelklasse mit dem Model 3 auch in den Massenmarkt elektrisch angetriebener Lkw einzusteigen.

Die Nachricht setzte die Aktie des Elektroautopioniers unter Strom. An der Wall Street kletterte die Notiz erstmals über die 1.000-Dollar-Marke, die Marktkapitalisierung kam mit zwischenzeitlich 190 Milliarden Dollar der des wertvollsten Autoherstellers der Welt, Japans Toyota, beachtlich nahe.

Musks Truck-Vorstoß überraschte selbst Kenner des Unternehmens. Bereits 2017 hatte der Tesla-Chef die vollelektrische Zugmaschine vorgestellt. Die Produktion sollte ursprünglich im kommenden Jahr starten. Es ist kein Zufall, dass Musk plötzlich für den "Semi" trommelt. Denn seit Wochen sorgt ein neues Elektromobilitätsunternehmen in den USA für Furore: Nikola, ein Start-up aus Arizona, erlebte nach seinem Listing an der Techbörse Nasdaq einen rasanten Aufstieg, der Kurs der Aktie verdreifachte sich beinahe.

Der Neuling drückt gewaltig aufs Tempo. Bereits ab 29. Juni will Nikola Bestellungen für einen vollelektrisch betriebenen Transporter annehmen, der seine Energie sowohl aus Batterien als auch aus Brennstoffzellen beziehen soll. Dabei hat das Start-up noch nicht einmal eine eigene Fabrik. Nikola setzt stattdessen auf Partnerschaften mit etablierten Herstellern wie jene mit der niederländischen CNH Industrial, unter deren Marke Iveco der erste Nikola-Truck in Ulm gebaut werden soll.

Astronomische Bewertung

Die Börsenbewertung des Senkrechtstarters ist mit 23 Milliarden Dollar astronomisch hoch für eine Firma ohne Umsatz: Sie entspricht einem Vielfachen des Geschäftsvolumens, das Nikola für 2024 prognostiziert. Musk wittert hier einen neuen Favoriten der Wall Street und potenziellen Konkurrenten in der Anlegergunst.

Teslas Semi musste dem Publikum daher dringend in Erinnerung gerufen werden. Neue Details zur Truck-Offensive gab es aber nicht, insbesondere keine Infos dazu, ob das Tesla-Batteriewerk in Nevada die benötigten Akkus für den Stromlaster überhaupt liefern kann - und falls ja, ob sie dann nicht bei anderen Modellen fehlen würden.

Noch ist Musk damit beschäftigt, die Folgen des Lockdown und die Belastungen durch die Pandemie zu bewältigen. Im Hauptwerk im kalifornischen Fremont wird zwar wieder produziert, doch das ursprüngliche Absatzziel von 500.000 Fahrzeugen - das wäre ein Zuwachs von gut einem Drittel - dürfte Corona wohl ausbremsen. Das Vorhaben, 2020 erstmals ein Jahr mit Gewinnen zu schaffen, trauen Beobachter den Kaliforniern jedoch weiterhin zu. Ein Grund: Das China-Geschäft ist gut angelaufen, Tesla setzte sich mit 11.000 Verkäufen im Mai an die Spitze des Stromersegments.

Angesichts des jüngsten Kursschubs fiel die Reaktion an der Wall Street unterschiedlich aus. Bei Analysten überwiegt die Skepsis, die US-Bank Morgan Stanley stufte die Aktie auf "Halten" ab. Goldman Sachs kassierte eine Kaufempfehlung mit der Begründung, die Nachfrage werde nach der Pandemie nur schleppend in Gang kommen. Als Indiz sehen die Banker die jüngsten Preissenkungen, zudem verwiesen sie auf die Produktionseinschränkungen. Auch der jüngst wieder aufgeflammte Handelskrieg zwischen Washington und Peking nährt die Zweifel.

Tesla-Großaktionär und Milliardär Ron Baron hingegen zeigte sich in einem TV-Interview überzeugt, dass die Aktie sich binnen fünf Jahren abermals verdoppeln oder gar verdreifachen werde - Stromer seien schlicht die Zukunft.

Spitze: Die Aktie stieg an der Wall Street erstmals über 1.000 Dollar. Etwas überhitzt, an schwachen Tagen kaufen.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 1.050,00 Euro
Stoppkurs: 690,00 Euro