In Folge des Krieges rechnet der Stahl- und Industriekonzern Thyssenkrupp mit direkten und indirekten Folgen auf das Geschäft. Zwar seien die Umsätze der Unternehmensgruppe mit Russland und der Ukraine mit deutlich unter einem Prozent am Gesamtumsatz vernachlässigbar. Die "weitreichenden gesamtwirtschaftlichen und geopolitischen Folgen des Krieges in der Ukraine" werden nach Einschätzung des Vorstands aber den Geschäftsverlauf der Unternehmensgruppe beeinträchtigen, wie Thyssen am Mittwochabend mitteilte.

Es sei davon auszugehen, dass die globalen Störungen an verschiedenen Stellen der Lieferketten Folgen vor allem für die Stahl- und Autozuliefergeschäfte von Thyssenkrupp haben werden. Gegenläufige Entwicklungen im Werkstoffhandelsgeschäft, das von steigenden Rohstoff- und Materialpreisen profitiere, sowie eingeleitete Gegenmaßnahmen werden die Belastungen dem Unternehmen zufolge nicht voll kompensieren. Insbesondere wegen der steigenden Rohstoffpreise setze Thyssenkrupp die Prognose zum freien Barmittelzufluss für das Geschäftsjahr 2021/2022 aus. Hierbei handelt es sich um Mittel, die einem Unternehmen etwa für Ausschüttungen an Aktionäre oder Aktienrückkäufe zur Verfügung stehen. Der genaue Umfang sei aber noch nicht abzusehen. Für das Geschäftsjahr 2021/22 hatte Thyssenkrupp noch im Februar einen bereinigten operativen Ertrag (Ebit) in einer Bandbreite von 1,5 bis 1,8 Milliarden Euro, einen Jahresüberschuss von mindestens einer Milliarde Euro und einen freien Barmittelzufluss im Bereich eines ausgeglichenen Wertes angekündigt.

Wie Thyssen weiter mitteilte, sei die Geschäftsentwicklung im ersten Quartal sowie im laufenden zweiten Quartal des Geschäftsjahres bis zum Ausbruch des Krieges planmäßig verlaufen. Im März habe es erste Beeinträchtigungen vor allem in den Stahl- und Autozuliefergeschäften gegeben, so die Essener. Der Vorstand erwarte aber weiter, dass das bereinigte Ebit im zweiten Quartal über den 378 Millionen Euro des ersten Quartals liegen werde.

Die wirtschaftlichen Folgen des Krieges beeinflussen den Angaben zufolge auch die mögliche Verselbständigung des Stahlgeschäfts. Thyssenkrupp sei nach wie vor davon überzeugt, dass eine eigenständige Aufstellung des Stahlgeschäfts sehr gute Perspektiven eröffne. Gleichwohl sei eine Aussage zur Machbarkeit aufgrund der gegenwärtigen Rahmenbedingungen derzeit nicht möglich. Thyssenkrupp hatte zuletzt erklärt, eine Entscheidung über die Zukunft der Sparte nicht überstürzen zu wollen. "Wir brauchen hier auch ziemlich viel Klarheit, was letztlich die Rahmenbedingungen, Förderprogramme etc., angeht", hatte Finanzchef Klaus Keysberg im Februar gesagt. "Wir nehmen uns die Zeit, die dafür notwendig ist." Ein Spin-Off bleibe aber weiter die bevorzugte Option.

Einschätzung zur Thyssenkrupp-Aktie


Die Papiere von Thyssenkrupp standen am Donnerstag vorbörslich unter Druck. Für den Aktienkurs ging es sieben Prozent nach unten auf 8,78 Euro. Dass der Stahl- und Industriekonzern einen Teil seiner Prognose aussetzt, kam bei Anlegern nicht gut an.

Aus Sicht des JPMorgan-Experten Luke Nelson ist der Cashflow bei Thyssenkrupp ein hochemotionales Thema angesichts der bewegten Vergangenheit und der Probleme mit der Nachhaltigkeit von Zuflüssen. Entsprechend rechnet er zunächst mit einer "massiven Underperformance" der Aktien, die dem Markt also deutlich hinterherhinken dürften.

Das Analysehaus Jefferies hat Thyssenkrupp dennoch auf "Buy" mit einem Kursziel von 16,25 Euro belassen. Die Essener hätten zwar ihren Ausblick für den freien Barmittelzufluss im Ende September auslaufenden Geschäftsjahr gestrichen, schrieb Analyst Alan Spence in einer am Mittwoch vorliegenden Studie. Das direkte Engagement in Russland und der Ukraine mache aber weniger als ein Prozent des Konzernumsatzes aus.

Die Baader Bank hat die Einstufung für die Aktie ebenfalls auf "Buy" mit einem Kursziel von 16 Euro belassen. Mit einer Nettoliquidität von mehr als drei Milliarden Euro sollte das Unternehmen trotz gestrichener Ziele für den freien Barmittelzufluss keinerlei Probleme haben, dem Sturm zu trotzen, schrieb Analyst Christian Obst in einer am Donnerstag vorliegenden Studie.

Dass die Prognose des Konzerns teilweise gestrichen wurde, kam am Markt nicht gut an. Da das Russland-Geschäft für Thyssenkrupp nur einen kleinen Teil ausmacht, bleiben wir ebenfalls optimistisch und bleiben bei unserer Kauf-Empfehlung.

dpa-AFX/rtr/iw