Die Corona-Pandemie hat den stark auf die schwächelnde Automobilindustrie ausgerichteten Konzern im Griff - und dürfte sich in den kommenden Monaten sogar noch stärker auswirken. Im Halbjahr fuhr der Ruhrkonzern einen Nettoverlust von 1,3 Milliarden Euro ein. Vorstandschefin Martina Merz will in der kommenden Woche Eckpfeiler der neuen Strategie vorstellen.

Eine Schlüsselrolle spielen dabei die Einnahmen von 17,2 Milliarden Euro aus dem Verkauf der profitablen Aufzugssparte an ein Konsortium der Finanzinvestoren Advent und Cinven im Verbund mit der RAG-Stiftung. Merz will einen Teil der Summe in neue Wachstumsgeschäfte investieren. Solange Thyssenkrupp aber im laufenden Geschäft Geld verbrennt, droht die Wirkung solcher Investitionen zu verpuffen.

Im ersten Halbjahr fuhr der Gesamtkonzern einen operativen Verlust von 30 Millionen Euro ein. Im fortgeführten Geschäft - ohne die Gewinnbeiträge von Elevator - erwartet Thyssenkrupp 2019/20 ein stark negatives Ergebnis. "Im dritten Quartal ist dabei ein Verlust im hohen dreistelligen Millionen-Euro-Bereich wahrscheinlich und bis zu gut einer Milliarde Euro nicht auszuschließen", warnte der Vorstand.

UNION INVESTMENT: ERLÖSE AUS AUFZUGSVERKAUF SCHMELZEN DAHIN


Die Aktie verlor zeitweise über elf Prozent an Wert. "Die Erlöse aus dem Verkauf der Aufzugssparte schmelzen wie Butter in der Sonne", sagte Michael Muders, Portfoliomanager der Fondsgesellschaft Union Investment. "Der Handlungsbedarf ist dringender denn je. Wir warten jetzt gespannt auf die Strategie für den Stahlbereich."

Am 18. Mai soll der Aufsichtsrat über den künftigen Kurs beraten, einen Tag später will Merz die Pläne vorstellen. "Die Corona-Pandemie stellt uns vor gewaltige Herausforderungen", betonte Merz. Noch sei das ganze Ausmaß der Krise für Thyssenkrupp nicht vollständig absehbar. "Aber bereits jetzt wird deutlich, dass die wirtschaftlichen Beeinträchtigungen sehr tiefe Spuren hinterlassen werden." Thyssenkrupp habe in den vergangenen Monaten Fortschritte beim Umbau des Konzerns gemacht und auch einen Plan für die Zukunft entwickelt. "Allerdings ist heute schon klar, dass Corona unseren Spielraum deutlich einschränken wird", räumte sie ein.

Klar ist bereits, dass die Stahlsparte wieder eine größere Rolle spielen wird. Das Geschäft ist jedoch stark konjunkturanfällig, was sich in der Krise erneut zeigt. Im ersten Halbjahr fuhren die rund 27.000 Stahlkocher einen Fehlbetrag von 372 Millionen Euro ein. Die Sparte Automotive Technology kam auf einen Verlust von 28 Millionen Euro, Plant Technology schnitt besser als im Vorjahr ab, lag aber am Ende mit 38 Millionen Euro ebenfalls in den roten Zahlen.

Wie sehr Thyssenkrupp künftig die Einnahmen aus der Aufzugssparte fehlen werden, wurde am Ergebnis von Elevator deutlich: Mit rund 402 Millionen Euro lag es auf Vorjahresniveau. Merz hofft nun auf einen baldigen Zahlungseingang aus dem Milliardendeal; bis Ende des Geschäftsjahres soll das Geld fließen. Acht von 13 notwendigen Kartellfreigaben habe der Konzern schon vorliegen. Merz erwartet durch den Verkauf der Sparte eine klare Verbesserung der finanziellen Lage. "Das Closing der Elevator-Transaktion wird zudem einen deutlich positiven Effekt auf den Jahresüberschuss mit einem entsprechend positiven Effekt auf das Eigenkapital und auf die Netto-Finanzschulden des Gesamtkonzerns haben", betonte der Konzern. Ende März hatte Thyssenkrupp Nettofinanzschulden von 7,5 Milliarden Euro. Finanzchef Klaus Keysberg betonte: "Wir haben kein Liquiditätsproblem".

rtr