Die Zustände im Gesundheitswesen entwickeln sich zu einer Großbaustelle für den neuen US-Präsidenten Joe Biden. Patienten meiden Arztbesuche aus Angst vor dem Coronavirus. Zahnarztpraxen sind leer. Krankenhäuser schieben Operationen auf, die nicht überlebenswichtig sind, um freie Betten für Covid-19- Fälle vorzuhalten. Dadurch werden weniger Medikamente gebraucht.

Für Drogerie- und Apothekenketten wie CVS Health und Walgreens Boots Alliance ist das allerdings nicht das einzige Problem. Medikamente und Drogerieartikel werden seit dem Lockdown zunehmend im Internet bestellt. Zudem besteht an der Wall Street die Sorge, dass Amazon mit seiner neuen Onlineapotheke für die Branche zur Gefahr werden könnte. Der weltgrößte Onlinehändler hat diesen Schritt am 17. November 2020 angekündigt. Schon 2018 hatte Gründer und Vorstandschef Jeff Bezos die Onlineapotheke Pillpack für 753 Millionen Dollar geschluckt. 2019 eröffnete die Amazon Care Clinic, die sich virtuell und persönlich um die Gesundheit der Mitarbeiter des Onlineriesen kümmert.

Der Kurs der Walgreens-Aktie hat sich in den vergangenen fünf Jahren halbiert. Seit dem Tief im Oktober dreht sie zwar langsam nach oben, bleibt aber auf niedrigem Niveau. Dabei ist Walgreens die weltweite Nummer 1 der Branche. Das Imperium, gegründet 1901, beschäftigt 223 000 Mitarbeiter. 9000 Filialen werden in den USA unter den Marken Walgreens und Duane Reade betrieben. Hinzu kommen 4400 Filialen der 2012 übernommenen Kette Boots Alliance in Großbritannien.

Etwas besser kam die Aktie von CVS Health weg. Das Unternehmen ist mit seinen 9900 Filialen die Nummer 2 am Markt, insgesamt setzt der Konzern aber wegen anderer Geschäftsfelder wie Ärztehäuser (Minute Clinic) mehr um als der Rivale. CVS verlor in den vergangenen fünf Jahren etwa ein Viertel des Börsenwerts - zuletzt betrug er noch rund 80 Milliarden Euro. Stabil hielt sich 2020 lediglich Rite Aid, auf Zehnjahressicht sind aber mehr als 90 Prozent Kursverlust zu beklagen. Das Unternehmen war 2017 ins Schlingern geraten und wäre von Walgreens übernommen worden, wenn die Kartellwächter nicht eingeschritten wären. So konnte sich Walgreens nur rund 2200 der 4600 Rite-Aid-Filialen einverleiben.

Während sich die Überreste von Rite Aid langsam berappeln, jubilieren die Onlineversandapotheken. Der Chef der deutsch-niederländischen Shop Apotheke, Stefan Feltens, erhöhte 2020 gleich dreimal die Prognose, so stürmisch wächst der Newcomer. Shop Apotheke zählt mit einem Kursplus im vergangenen Jahr von rund 260 Prozent zu den Top-Performern am deutschen Aktienmarkt. Der Schweizer Arzneimittelhändler Zur Rose - Eigentümer der Versandapotheke DocMorris - legte um 160 Prozent zu.

Mitnahmeeffekte


Ein Ass haben die traditionellen US-Drogeriemärkte trotz des Konkurrenzdrucks aus dem Netz noch im Ärmel: Sie bieten ein breites Sortiment - von Milch über Schokolade bis hin zu Duschgel, Zahnpasta und Vitaminpillen. Sogar Alkohol und Zigaretten führen viele Filialen. Verbraucher können nahezu alles auf die Schnelle einkaufen - und das häufig rund um die Uhr. Besonders lukrativ sind für CVS und Walgreens chronisch Kranke. Sie müssen regelmäßig ihre verschreibungspflichtigen Medikamente abholen. Da der Apothekenbereich meist im hinteren Areal der Läden zu finden ist, müssen sie vorbei an Regalen mit Eiscreme, Dosenbier und Energydrinks. Wer erst einmal im Laden ist, erledigt oft andere Einkäufe gleich mit. Auf dieses Cross-Selling zielt CVS auch mit seinen neuen "Health Hubs" ab, bei denen Kunden auf die Schnelle Routineuntersuchungen wie Bluttests und Impfungen angeboten werden.

Walgreens setzt auf eine strategische Partnerschaft mit dem Pharmagroßhändler Amerisource Bergen, um reibungslosen Zugang zu Medikamenten zu erhalten. Anfang Januar kaufte das Unternehmen den europäischen Großhandel von Walgreens für 6,5 Milliarden Dollar und beteiligte sich mit 17 Prozent. Walgreens wiederum hält 29 Prozent an Amerisource Bergen. Um Amazon im Versandhandel Paroli zu bieten, liefert Walgreens seine Produkte mit Google Express aus. Mit dem Geld aus dem Verkauf des europäischen Großhandels will Walgreens-Chef Stefano Pessina gegen die Corona-bedingte Umsatzschwäche ankämpfen. 2019 hatte der Milliardär mit dem Finanzinvestor KKR darüber nachgedacht, das Unternehmen von der Börse zu nehmen. Der 79-Jährige ist selbst Großaktionär und besetzt seit 2015 den Chefsessel.

Es besteht Hoffnung. Im abgelaufenen Quartal steigerte Walgreens den Umsatz um 5,7 Prozent auf rund 36 Milliarden Dollar. Die Erlöse von CVS Health kletterten um 3,5 Prozent auf 67 Milliarden Dollar. Rite Aid meldete gar einen Anstieg um zwölf Prozent auf 6,1 Milliarden Dollar. Der Gewinn ging zwar in allen drei Fällen zurück, für das Gesamtjahr 2021 jedoch stellen alle Mitglieder des Trios wieder steigende Ergebnisse in Aussicht.

Bleibt die Frage der Bewertung: CVS und Walgreens locken mit Kurs-Gewinn-Verhältnissen von etwa zehn, Rite Aid fällt mit fast 40 deutlich aus dem Rahmen. Zudem zahlt Rite Aid keine Dividende. Bei CVS Health liegt die Dividendenrendite über 2,7 Prozent. Walgreens hat mit 3,9 Prozent noch mehr zu bieten. Analysten sind sich einig, dass die Apotheken nicht vor dem Kollaps stehen, zumal sie von der alternden Bevölkerung und zunehmenden Zivilisationskrankheiten profitieren. Und Versandhandel können alle drei ebenso.