Außerdem scheidet überraschend Beschaffungsvorstand Stefan Sommer zum Monatsende aus. Insider berichteten von heftigen Auseinandersetzungen in dem Kontrollgremium. Diess müsse sich für Aussagen auf einer Managementagung vom vergangenen Donnerstag entschuldigen, in denen er den Aufsichtsrat "im Hinblick auf seine Integrität und sein Compliance-Verständnis kritisiert" habe, sagte eine Person aus dem Umfeld des Aufsichtsrats. Ein weiterer Insider bestätigte das.

Brandstätter löst Diess zum 1. Juli als VW-Markenchef ab. Diesen Posten hatte er in Personalunion neben seinen Aufgaben als Konzernchef inne. Über eine bevorstehende Neuorganisation hatte die Nachrichtenagentur Reuters bereits berichtet. Diess soll dadurch Freiraum gewinnen, um den weltweit größten Autobauer zu einem führenden Anbieter von Elektrofahrzeugen umzuformen. Er bleibt Konzernchef und soll die Markengruppe weiter leiten, in der die Volumenmarken VW, Skoda und Seat zusammengefasst sind.

Diess erklärte, Brandstätter habe die Marke in den zurückliegenden zwei Jahren als COO erfolgreich geführt und deren Transformation an entscheidender Stelle mitgestaltet. "Ich freue mich daher, dass Ralf Brandstätter nach den tiefgreifenden strategischen Entscheidungen der vergangenen Jahre jetzt die Entwicklung der Marke als CEO weiter kraftvoll vorantreiben wird."

STREIT IM AUFSICHTSRAT


Der Entscheidung waren Insidern zufolge kontroverse Diskussionen im Aufsichtsrat vorausgegangen. Bereits Ende vergangener Woche soll das Kontrollgremium länger über die künftige Führung beraten haben. Einem Insider zufolge stand die Zukunft von Diess bei Volkswagen Spitz auf Knopf. Hintergrund des Streits ist offenbar auch Diess' Wunsch nach einer vorzeitigen Vertragsverlängerung. Das "Manager Magazin" hatte unlängst berichtet, Diess habe nach der Einstellung des Verfahrens wegen Marktmanipulation im Diesel-Skandal diesen Gedanken IG-Metall-Chef Jörg Hofmann vorgetragen, der als Aufsichtsratsvize in diesem Fall dafür zuständig war. Dass dies öffentlich würde, führt Diess offenbar auf eine Indiskretion zurück.

Als VW-Markenchef hatte Diess im Fadenkreuz der Kritik des Betriebsrates gestanden. Die bei Volkswagen besonders mächtige Arbeitnehmervertretung warf ihm schwere Managementfehler vor und machte ihn für die Softwareprobleme beim Golf 8 und dem neuen Elektroauto ID.3 verantwortlich. Schon länger wurde deshalb vermutet, Diess solle als Markenchef abgelöst werden.

Zuletzt kam der Skandal um ein rassistisches Werbevideo für den Golf hinzu. Dadurch wurde das wegen der Diesel-Affäre ohnehin angekratzte Ansehen des Wolfsburger Konzerns weiter beschädigt. Diess wurde außerdem eine ungeschickte Argumentation bei der Forderung nach einer Kaufprämie auch für Autos mit Verbrennungsmotor angelastet, die in dem Konjunkturpaket der Bundesregierung gegen die Folgen der Corona-Krise keinen Widerhall fand.

rtr