"Welcome to Canada", rief Premier Justin Trudeau Hunderttausenden in rot-weiße Ahornblattfahnen gehüllten Anhängern am Nationalfeiertag zu. Kanada feierte am 1. Juli seinen 150. Geburtstag. Die Einwanderungspolitik des Landes gilt als Musterbeispiel.

Mit seinem Aufruf grenzt sich Trudeau bewusst vom Nachbarn USA ab, der seit der Ära Trump mehr denn je auf Abschottung setzt. Für Trudeau ist hingegen klar, dass die Kombination aus Alteingesessenen und Immigranten dem Land zum Erfolg verhelfen wird. Kanada besticht nämlich nicht nur durch traumhafte Landschaften und einen immensen Rohstoffreichtum, auch ist der Bildungsstandard im Vergleich zu vielen anderen westlichen Ländern sehr hoch.

Konjunkturelle Wende



Wirtschaftlich lief es in der jüngsten Vergangenheit allerdings nicht so rund. Die sinkenden Rohstoffpreise, allen voran der Crash beim Öl, setzten dem flächenmäßig zweitgrößten Land der Erde zu. So wuchs das BIP 2015 und 2016 nur um 0,9 und 1,4 Prozent, während die USA im Bereich von zwei Prozent expandierten. Doch hellen sich die konjunkturellen Aussichten auf. Nicht nur wegen der Wende am Rohstoffmarkt. Seit der Wahl des liberalen Politikers Trudeau im Oktober 2015 geht ein Ruck durch das Land.

Anders als in den USA, wo Trumps angekündigte Investitionsoffensive noch nicht mehr ist als ein Wahlversprechen, ist Trudeau bereits einen Schritt weiter. Anfang November kündigte die Regierung an, bis 2027 umgerechnet rund 125 Milliarden Euro in die Modernisierung der Infrastruktur zu investieren. Im Gegenzug erhofft sich Trudeau von dem Konjunkturpaket für die nächsten Jahre reale BIP-Zuwächse oberhalb von zwei Prozent.

Bereits 2016 zeichnete sich eine Besserung ab. Getrieben von der Einführung des Kindergeldes legten die Konsumausgaben um mehr als zwei Prozent zu und sollen Prognosen der Royal Bank of Canada zufolge auch dieses Jahr ähnlich hoch steigen. Positive Faktoren für das Konsumklima wie tiefe Zinsen und eine niedrige Inflationsrate könnten aber allmählich wegfallen. Kürzlich mahnte Kanadas Notenbankchef Stephen Poloz an, dass die Kurswende in der Zinspolitik nicht zu spät erfolgen darf. Seit zwei Jahren liegt der Leitsatz bei einem halben Prozentpunkt. Seinen Worten zufolge müsse man antizipieren, wo sich die Wirtschaft in 18 bis 24 Monaten befindet. Zudem erwartet Poloz ab der ersten Hälfte 2018 eine deutlich anziehende Inflation. Steigende Geldmarktsätze sind bekanntlich eine Belastung für die Aktienmärkte. Neben den Gold- und Ölpreis-Kapriolen der ersten Jahreshälfte machte auch die Aussicht auf höhere Zinsen dem Leitindex zu schaffen. Der S & P/TSX liegt seit Jahresbeginn leicht im Minus, während andere wichtige internationale Gradmesser deutlich im Plus liegen.

Auf Seite 2: Interessante kanadische Aktien mit Potential





Interessante kanadische Aktien mit Potential



Wir haben uns dennoch auf die Suche nach potenziellen Kaufkandidaten gemacht und sind dabei unter anderem auf Fortis gestoßen. Der Energieversorger ist gut ins Jahr gestartet und sorgte jüngst sogar mit einem möglichen Übertreffen des jährlichen Fünf-Prozent-Wachstumsziels für positive Schlagzeilen. Grund dafür sind neue LNG- und Stromübertragungsprojekte in den USA und Kanada. Die Aktie markierte daraufhin ein neues Allzeithoch. Neben der Kursfantasie überzeugt auch die überdurchschnittliche Dividendenrendite von 3,4 Prozent.



Üppige Gewinnausschüttungen sind bei Bombardier und Restaurant Brands nicht in Sicht, doch versprechen auch diese beiden Titel Potenzial. Restaurant Brands, Mutter der Fast-Food-Ketten Burger King und Tim Hortons, befindet sich auf Expansionskurs und verleibte sich soeben für 1,8 Milliarden Dollar die Brathähnchenkette Popeyes Louisiana Kitchen ein. Der eingeschlagene Wachstumskurs soll sich allmählich auch auf der Gewinnseite niederschlagen. Der Durchschnitt der Analysten rechnet 2018 mit einem Ergebnisplus von rund einem Drittel, das KGV liegt unter 20.

Bei Bombardier handelt es sich dagegen um die Wette auf einen Turnaround. Der Hersteller von Zügen und Flugzeugen befindet sich gerade in einer Restrukturierung. Dem vorausgegangen waren Probleme bei der Entwicklung der CSeries, ein Flugzeug, das Airbus und Boeing Paroli bieten soll. Die Schwierigkeiten wurden allerdings mittlerweile behoben und der Jet erfreut sich zunehmender Beliebtheit bei den Fluggesellschaften. Laut Analystenschätzungen werden die Gewinne ab 2018 wieder sprudeln.

Ebenfalls vor einem Comeback steht Blackberry. Der ehemalige Handyhersteller wandelt sich gerade zu einem Softwarekonzern. Die Transformation verläuft noch etwas ruppig. Im abgelaufenen Quartal zeigte sich ein Erlösschwund. Konzernchef John Chen bleibt aber optimistisch: "Der Softwareumsatz dürfte im Gesamtjahr wie bereits angepeilt um zehn bis 15 Prozent zulegen." Erst wenn sich das neue Geschäftsmodell als nachhaltig erweist, sollten Anleger zugreifen. Bis dahin gehört der Titel aber zumindest auf die Watchlist.



Auf Seite 3: Kanada auf einen Blick