Beim Fußball würde man ein solches Ereignis mit großem Spektakel feiern, in der Indexwelt geht es ruhiger zu: Mit einer schlichten Mitteilung meldete die Deutsche Börse die Neubesetzung ihrer Indizes. Die wichtigste Nachricht dabei: Die Softwarefirma Teamviewer und der Batteriehersteller Varta steigen zum 23. Dezember in den MDAX auf - und damit in die heimliche Elite des deutschen Aktienmarkts.

Während der DAX mit den deutschen Großkonzernen die Schlagzeilen bestimmt, verdienen Anleger das meiste Geld in der zweiten Liga. Der Leistungsunterschied ist leicht abzulesen: Die Deutsche Börse hat beide Indizes Ende 1987 auf 1.000 Punkte angesetzt. Der MDAX steht heute doppelt so hoch wie der DAX. Im Schnitt haben Anleger mit dem Index der großen Nebenwerte knapp elf Prozent Rendite erzielt. In diesem Tempo würde im kommenden Jahr die Marke von 30.000 Punkten fallen.

Die Überlegenheit hat System: Der MDAX ist die Heimat des deutschen Mittelstands. Der Jahresumsatz der meisten Unternehmen dort liegt im einstelligen Milliardenbereich oder niedriger. In diesen Dimensionen ist es meist leichter, hohe Wachstumsraten zu erzielen, als bei den Riesen aus dem DAX.

Die stärkere Fokussierung der Nebenwerte birgt aber auch Risiken. Verpasst ein Mittelständler einen Trend oder wird er von einem neuen Konkurrenten bedrängt, können die Folgen erheblich sein. Auch Konjunkturkrisen hinterlassen tiefe Spuren. Während der großen Finanzkrise der Jahre 2008/09 geriet der MDAX deutlich stärker unter Druck als der DAX. Der langfristige Trend an den Aktienmärkten aber geht nach oben, allein weil die Weltwirtschaft wächst.

Krisen haben den positiven Neben­effekt, dass schwache Unternehmen aussortiert werden. Von dieser Auslese profitiert der MDAX besonders: Von ­unten drängen immer wieder aufstrebende kleinere Unternehmen nach. Auch durch Börsengänge wird der Index immer wieder aufgefrischt. Jene Unternehmen, die im MDAX so groß geworden sind, dass sie in den DAX aufsteigen, sind meist kein Verlust, da sie einen ­erheblichen Teil ihres Kurspotenzials bereits ausgeschöpft haben. Zuletzt schaffte MTU Aero Engines im September den Sprung. Im MDAX hatte die Aktie zuvor innerhalb von drei Jahren um 175 Prozent zugelegt. Im neuen Index pendelt der Kurs seitwärts.

Techs bringen Schwung


Positiv bemerkbar macht sich die Neustrukturierung aus dem Herbst vergangenen Jahres. Der MDAX wurde um zehn Werte auf 60 erweitert und für Techfirmen geöffnet. Schaut man sich die Gewinner der vergangenen zwölf Monate an, findet man unter den besten fünf Aktien vier Techs. Auf lange Sicht dürfte der MDAX in neuer Struktur volatiler werden, aber ein größeres Kurs­potenzial haben.

Dank der breiten Aufstellung hat der Index für jeden Anlegertyp etwas zu bieten. Zu den Top-Performern unter den Mittelgewichten gehört Cancom. Der IT-Dienstleister rüstet Unternehmen mit der Infrastruktur für das digitale Zeitalter aus. Vergangene Woche sammelten die Münchner über eine Kapitalerhöhung knapp 175 Millionen Euro ein. Das stärkt das Eigenkapital und füllt die Kasse für mögliche Übernahmen, mit denen der Vorstand das Cloud-­Geschäft forcieren dürfte. Dort ist die Marge mit mehr als 26 Prozent besonders hoch. Die Sparte ist auch dank der jährlich wiederkehrenden Umsätze attraktiv, deren Volumen 2019 um rund ein Viertel gestiegen ist. Dadurch kann sich Cancom besser vorm Investitionszyklus der Unternehmenswelt schützen.

Medizinischer Durchbruch


Sein Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft hat Morphosys. Für Mitte kommenden Jahres rechnet die bayerische Biotechfirma mit der Zulassung des Krebsmedikaments Tafasitamab in den USA. Es wäre das erste von Morphosys selbst entwickelte Medikament auf dem Markt. Bereits Umsätze bringt ein mit Kooperationspartner Janssen auf Basis von Morphosys-Technologie entwickelter Wirkstoff namens Tremfya. Die breite Produktpipeline der Firma bietet weiterhin Kursfantasie.

Überproportional im MDAX vertreten sind Immobilienfirmen. Die Branche profitiert vom historisch niedrigen Zinsniveau, das die Finanzierung von Immobilienkäufen erleichtert. Bei den Analysten beliebt ist Aroundtown. Die in Luxemburg ansässige Firma ist auf Gewerbeimmobilien in Deutschland spezialisiert. Durch eine 39-Prozent-­Beteiligung an Grand City Properties ist Aroundtown auch bei Wohnimmobilien aktiv. Über einen Aktientausch will Aroundtown den Konkurrenten TLG übernehmen und würde damit zum größten Anbieter von Büroimmobilien in Europa werden. Aktien aus dieser Branche sind bei Anlegern vor allem als Dividendenlieferanten beliebt; die Dividendenrendite von Aroundtown liegt bei 3,5 Prozent.

Siemens Healthineers wäre ein DAX-­Kandidat, allerdings hält der Mutterkonzern 85 Prozent der Aktien. Die Tochter bietet Labordiagnostiksysteme und komplexe Medizintechnik wie Computertomografen. Probleme hat der Konzern mit der Labordiagnostik- Plattform Atellica, diese dürften inzwischen aber in den Analystenschätzungen verarbeitet sein. Mehr als die Hälfte der Umsätze, vor allem mit Service und Materialien, sind wiederkehrende Erlöse. Auch die hohen Eintrittsbarrieren schützen das Geschäft von Healthineers und machen die Aktie zu einem defensiven Investment.

Eine der spannendsten Investmentstorys ist ProSiebenSat.1. Mit der Aktie geht es seit Jahren abwärts. Die TV-Werbeerlöse des Medienkonzerns sind in den ersten drei Quartalen um fünf Prozent geschrumpft. Wachstum liefern aber die Produktionstochter Red Arrow und die in der NuCom Group gebündelten Internethandel-Aktivitäten. Für Aufsehen sorgen auch Entwicklungen hinter den Kulissen: Der italienische Medienriese Mediaset hat 15 Prozent der Aktien erworben. Eine Übernahme der Deutschen ist offiziell nicht geplant, eine Allianz der beiden Konzerne aber könnte Kostenvorteile bringen. Die Aktie von ProSiebenSat.1 ist eine Turn­around-Spekulation.

Investor-Info

ETF
Die starke Mitte


Der MDAX umfasst 60 Unternehmen, die nach Marktkapitalisierung und Handelsumsätzen direkt unterhalb des DAX liegen. Mit Abstand größter Wert ist der Flugzeugbauer Airbus, der rund zehn Prozent ausmacht. Dahinter folgen mit etwas mehr als vier Prozent Deutsche Wohnen und Symrise. Investieren können Anleger in den MDAX über einen börsengehandelten Indexfonds (ETF), wie ihn beispielsweise Comstage anbietet.

DWS German Small/Mid Cap
Experte für Nebenwerte


Ein gutes Händchen bei der Auswahl von ­Nebenwerten hat der German Small/Mid Cap der Fondsgesellschaft DWS bewiesen. Das Management wählt seine Investments aus MDAX und SDAX aus, hat somit ein breites Auswahluniversum. Zu den Top-Performern im Fonds gehörte zuletzt unter anderem der SDAX-Wert Hellofresh. Dividenden der Aktien werden bei diesem Produkt an die Fonds­investoren ausgeschüttet.

Einzelwerte
Fünf Favoriten


Die Redaktion hat aus dem Universum des MDAX fünf Aktien ausgewählt. Dabei haben wir uns auf die nach Indexgewicht etwas kleineren Mitglieder konzentriert. Technologie ist durch Cancom und Morphosys zweimal vertreten, weil diese Branche in einem steigenden Gesamtmarkt das größte Potenzial hat.

Name ISIN Wertent.1)
Aroundtown LU1673108939 8,4 %
Cancom DE0005419105 56,7 %
Morphosys DE0006632003 17,7 %
ProSiebenSat.1 DE000PSM7770 - 12,6 %
Siemens Health. DE000SHL1006 16,0 %
¹) Wertentwicklung der jeweiligen Aktien über die vergangenen zwölf Monate; Stand: 05.12.2019, Quelle: Bloomberg