Das wäre eine Wendegeschichte für die Lausitz: in zehn Jahren von der Braunkohle zum Wasserstoff. Zumindest strebt das ein breites Bündnis in der Kohleregion an. Mit den Milliarden aus dem Kohleausstieg, so die Idee, soll die Lausitz zum Technologiestandort für Brennstoffzellen aufsteigen.

Auch andernorts gibt es große Pläne. Die Strom- und Gasnetzbetreiber Tennet, Gasunie und Thyssengas wollen in Nordfriesland Wasserstoff mit Windstrom für Gaspipelines erzeugen und damit die Industrie versorgen. Um die Ecke, in Oldenburg, planen Regionalversorger einen norddeutschen Wasserstoff-Hub, damit Busse und Lkw künftig mit dem leichtesten aller Gase fahren können. Bundeswirtschafts­minister ­Peter Altmaier will bis zu zwei Milliarden Euro in die Wasserstofftechnologie stecken.

Um alle Kohlekraftwerke abschalten zu können, wie Deutschland es plant, müssen Alternativen her. Die einzige Möglichkeit sehen Wissenschaftler in Gaskraftwerken. Die könnten künftig Methan aus grünem Wasserstoff statt fossiles Methan (Erdgas) verfeuern. Die Herstellung des synthetischen Erdgases ist einfach. Wasserstoff reagiert mit Kohlendioxid, zum Beispiel aus Biogasanlagen, zu Methan.

Nur so kann die viel kritisierte Energiewende tatsächlich gelingen: "Methan aus grünem Wasserstoff ist der einzige Energieträger, der das nötige Speicherpotenzial für eine rein regenerative Energieversorgung bietet", sagt Volker Quaschning, Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft ­Berlin. Wasserstoff ist prinzipiell unbegrenzt verfügbar. Alles, was man dafür braucht, ist Wasser und Strom. Wasserstoff ist ein Tausendsassa, der eine Reihe von Wirtschaftszweigen ­ergrünen lassen kann. Nicht nur, dass er Elektrizität quasi speichert, weil Wasserstoff zu Strom verbrannt werden kann. Er lässt sich auch in Wohnungen zum Heizen und im Verkehr verfeuern, etwa als Basis für Flugtreibstoffe und für Brennstoffzellen auf Schiffen. Dazu kommen die Verwendungsmöglichkeiten in der Industrie. Thyssenkrupp plant den Einsatz von Wasserstoff statt Kokskohle zur Eisenschmelze. Damit würde die Metallproduktion mit einem Schlag umweltfreundlicher.

Im Ausland spielt die Musik


Doch zu den vielen finanziellen und politischen Problemen kommen noch technische Fragen. Beispiel Transport: Das ultraleichte Gas entweicht sogar durch Stahlwände und braucht wegen der geringen Energiedichte riesige Speichervolumina. Klassischer Wasserstoff wird deshalb heute vor allem dort produziert, wo die Abnehmer sitzen. Das muss anders werden, damit Wasserstoff überall zum Zug kommen kann. Auch für die Abspaltung des Wasserstoffs mit Strom existieren derzeit nur relativ kleine und teure Einheiten. Massentaugliche und günstige Elektrolyseure sind noch Zukunftsmusik.

Dennoch scharren auch im Ausland die Akteure schon mit den Hufen. Um seine Gasleitung Nordstream attraktiver zu machen, so ist aus der Branche zu hören, lockt Russlands Präsident Wladimir Putin die Europäer mit der Aussicht auf Wasserstoff statt auf Erdgas. Gasriese Gazprom testet bereits Verfahren, um den fossilen Rohstoff in Wasserstoff umzuwandeln.

In Japan soll Wasserstoff künftig die Abhängigkeit von importiertem Öl minimieren. Zu den Olympischen Spielen im Sommer will das Land zeigen, dass es bei Wasserstoff Vorreiter ist - der Aufbau ­einer kompletten Infrastruktur für die Sportstätten läuft auf Hochtouren.

Aktien sind im Rallymodus


Die Erwartungen an den Wasserstoff sind hoch, auch an der Börse. Viele Aktien von Spezialisten sind seit Monaten im Rallymodus und notieren in luftigen Höhen. Anleger lockt die Aussicht auf den vermeintlichen Multimilliardenmarkt, den viele Werte mittlerweile schon einpreisen. Auch wenn die Chancen groß sind, dass das Gas die Energiewelt aufmischt - noch gibt es Risiken.

Keine der Wasserstofffirmen schreibt bisher schwarze Zahlen. Analysten rechnen etwa für die norwegische Nel erst im übernächsten Jahr mit dem Erreichen der operativen Gewinnschwelle. Zugleich nimmt der Wettbewerb zu. Geht es um Brennstoffzellen, haben Kunden eine große Auswahl an Anbietern - wie die britischen Firmen AFC Energy und Ceres Power, die US-amerikanischen Fuelcell Energy und Plugpower, die schwedische ­Powercell, die Kanadier ­Hydrogenics und Ballard sowie die deutsche SFC Energy. Das Feld runden Tankstellen­anbieter und Wasserstoffproduzenten wie Nel und ITM Power ab. Was für manche Kandidaten spricht, ist der Einstieg von Großunternehmen. So hält Bosch Anteile an Ceres und ­Powercell. Die Schwaben wollen die Massenproduktion von Brennstoffzellen für Autos voranbringen. Allerdings sind die Perspektiven noch unsicher. Während die Automobilindustrie geschlossen in Elektromobilität investiert, sind bei Wasserstoff nur wenige dabei -darunter Toyota, Hyundai und einige chinesische Konzerne.

Auch bei ITM Power und Fuelcell sind mit Linde und Exxon Großkonzerne an Bord. Bei Ballard mischt die chinesische Weichai mit. Das minimiert das Risiko für die Titel, die entsprechend mit Aufschlägen auf die Kooperationen reagiert haben. Andere Aktien profitieren von zentralen Kunden, Plug Power etwa von der Kooperation mit Amazon, und SFC von Bestellungen aus dem Militär.

Unterm Strich ist keine der gelisteten Wasserstoffaktien in Europa und den USA noch richtig günstig. Bei gering kapitalisierten wie AFC ist das Technologierisiko groß (die Firma setzt auf eine alte Brennstoffzellentechnik), bei Fuelcell die Verschuldung hoch. Anders ist die Lage in Japan. Viele der dortigen Spezia­listen sind Mischkonzerne, etwa Asahi ­Kasei, Chiyoda und Iwatani. Die sind alle noch moderat bewertet.

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Investor-Info

Iwatani
Volltanken, bitte!


Japan plant, bei der Mobilität mit Wasserstoff weltweit voranzugehen. Für den Ausbau des Netzes von Wasserstofftankstellen ist der Gas- und Energieriese Iwatani verantwortlich. Das Unternehmen ist außerdem bei Rohstoffen wie Baumaterialien und Biolebensmitteln aktiv. In den USA sorgt ein Abschluss mit ITM Power über die Wasserstoffproduktion für Aufsehen. Trotz jüngstem Umsatz- und Gewinnrückgang ist das Unternehmen mit seiner Wasserstofffantasie aussichtsreich.

ITM Power
Massenmarkt voraus


Mit dem Einstieg des deutsch-amerikanischen Gaseriesen Linde Praxair konkretisieren sich die Pläne der britischen ITM Power, Groß­elektrolyseure für die Wasserstoffproduktion zu bauen. Das ist wichtig, denn bisher gibt es diese nur in teuren Kleineinheiten. Gelingt dieses Vorhaben, könnten die Briten zu einem der wichtigsten Technologielieferanten der Branche weltweit werden. Die bereits gut gelaufene Aktie hat damit noch weiteres ­Potenzial.

Ceres Power
Master of Brennstoffzelle


Dass Bosch seine Anteile bei der britischen Ceres Power aufgestockt hat, ist kein Zufall. Die Firma hat eine neue Brennstoffzelle entwickelt, die prinzipiell hohe Effizienzgrade und geringe Kosten verspricht. Ceres Power ­kooperiert auch mit Firmen in Japan. Die Wachstumsstory ist intakt. Nachdem die ­Aktie in den vergangenen zwölf Monaten ein Kursplus von rund 180 Prozent erzielt hat, ist das Papier allerdings nicht mehr günstig. ­Zudem eignet es sich nur für risikobereite ­Anleger zur Beimischung.