Er hat die Masse eines Blauwals, fräst sich kilometertief durch das Gestein der kanadischen Prärieprovinz Sasketchewan und hört auf den Namen Herrenknecht. Der Bohrkopf, benannt nach seinen deutschen Erbauern, sucht für den Minengiganten BHP Billiton den nächsten Umsatzbringer für das Milliardengeschäft der Australier: Kalisalz. 2,6 Milliarden Dollar will der größte Rohstoffförderer der Welt dazu in den kommenden vier Jahren insgesamt in die Erschließung seiner Jansen-Mine investieren.

Im Vollausbau soll das Projekt die unterirdischen Ausmaße der Stadt Montreal erreichen und mit zehn Millionen Tonnen pro Jahr doppelt so viel fördern können wie die aktuell größte Einzelkalimine weltweit. Mit seinem Engagement wettet BHP massiv auf einen steigenden Düngemittelbedarf, ungeachtet der jüngsten Negativschlagzeilen für die Industrie. Denn die Zeiten, in denen es sich die Kalibranche in einem Duopol gemütlich machen konnte, sind vorbei. Im Sommer 2013 führte Uralkali auf dem 20 Milliarden Dollar schweren Markt den freien Wettbewerb ein. Gesteuert von seinem Großaktionär, dem russischen Oligarchen Suleiman Kerimov, sprengte der weltgrößte Kalikonzern das Preiskartell mit seinem weißrussischen Partner Belaruskali.

Bill Doyle, Vorstandschef von Ural- kalis größtem Konkurrenten, der kanadischen Potash Corporation, sprach daraufhin von der "wahrscheinlich dämlichsten Aktion", die er je erlebt habe. Schließlich dominierten im Osten Uralkali und Belaruskali mit ihrer Exportgesellschaft BPC über Angebot und Preise, während im Westen Canpotex den Markt beherrschte.

In der Vermarktungsgemeinschaft sind die drei nordamerikanischen Kaliförderer Potash Corporation, Agrium und Mosaic zusammengeschlossen. Gemeinsam standen die beiden Kartelle für rund 70 Prozent des globalen Kaliangebots, wobei BPC mit 40 Prozent Marktanteil das größere war.

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Gebrochene Branchengesetze

Zusätzlich fördern die Russen seit ihrem Kartellaustritt unter Vollauslastung. Damit ist auch das ungeschriebene Branchengesetz "Preis vor Menge" gebrochen. Kerimovs Kalkül war es, über gesteigerte Mengen und günstigere Preise Marktanteile zu erobern.

Doch der Schuss ging nach hinten los. Nicht nur die Aktienkurse der Kaligesellschaften stürzten ab, sondern auch die Weltmarktpreise für das Düngemittel, ebenso wie das russisch-weißrussische Verhältnis. Inzwischen gibt es jedoch auf höchster politischer Ebene Bestrebungen, das Kalikartell BPC wieder aufleben zu lassen. Die Machtverhältnisse bei Uralkali haben sich geändert, und Weißrussland und Russland versuchen sich zu einigen.

Zuvor war es zu teils grotesken Auseinandersetzungen gekommen: Der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko hatte den Uralkali-Chef Wlasdislaw Baumgertner inhaftieren lassen, auf Druck des Kreml musste Kerimov seinen Anteil von rund 22 Prozent an Uralkali an den Oligarchen Mikhail Prokhorov verkaufen, mit Dmitry Masepin wurde ein gebürtiger Weißrusse in den Kreis der Großaktionäre aufgenommen, und in gewissem Sinne als Gegenleistung wurde Baumgertner mittlerweile an Russland ausgeliefert, steht auf Verlangen Weißrusslands aber auch dort weiterhin unter Hausarrest und der Anklage des Machtmissbrauchs.

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Das große Problem der Überkapazitäten

Doch bisher haben die Zeichen der Entspannung nicht zu steigenden Aktienkursen geführt. Beispiel K + S: Die Aktie des DAX-Konzerns stürzte um bis zu 61 Prozent ab. Während die Kalipreise um ein Viertel auf 300 Dollar je Tonne fielen, mussten die Jahresziele und Prognosen für die Kaliminen weltweit nach unten korrigiert werden, und auch Uralkali hatte deutliche Kursverluste zu verkraften. Ein großes Problem sind die Überkapazitäten. Allein die existierenden Minen können einen Kalibedarf von über 70 Millionen Tonnen decken. Doch selbst wenn es 2014 zu der von den Minenbetreibern erwarteten Nachfrageerholung kommt, werden nicht mehr als 59 Millionen Tonnen gebraucht.

Uralkali versucht indes, Marktanteile auf dem chinesischen Markt zu gewinnen. Laut dem US-Analysehaus CIBC World Markets versorgte Uralkali den weltgrößten Kaliabnehmer im vergangenen Oktober mit rund drei Viertel seines Kalibedarfs. Im Mai bedienten die Russen erst rund ein Viertel der Nachfrage. Gleichzeitig ging der Gesamtabsatz des Düngemittels jedoch um 22 Prozent zurück, so die Analysten. Die Momentaufnahme zeigt ein weiteres Problem der Kalischürfer: Ihre besten Kunden China, Indien und Brasilien kaufen immer weniger und reagieren damit unverändert auf die Preisextreme aus den Jahren 2008 und 2009, als eine Tonne des Salzes über 800 Dollar kostete. Statt Kali versuchen Indien und China nun vermehrt Ersatzstoffe zu benutzen.

Niedrige Förderkosten sind damit unverändert der beste Garant für profitable Geschäfte. An diesem Punkt arbeitet sowohl K + S mit seinem 500 Millionen Euro schweren Sparprogramm als auch die Potash Corporation, die jeden fünften Mitarbeiter entlässt. Die Kanadier drücken ihre Förderkosten damit nach eigenen Angaben unter die 100-Dollar-Marke, während K + S auch mit den Einsparungen kaum in diese Region vordringen dürfte - die Förderkosten der Hessen zählen mit aktuell 280 Dollar pro Tonne zu den höchsten.

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40 Prozent mehr Düngemittel bis 2050

Wer daher dauerhaft in Kali investieren will, sollte eine langfristige Perspektive haben. Die australische BHP etwa will das erste Kalisalz nicht vor 2018 aus dem kanadischen Boden holen. Bis dahin könnte sich die Nachfragesituation wieder leicht verbessert haben. Laut den Vereinten Nationen kann die wachsende Weltbevölkerung nur ernährt werden, wenn auf den bestehenden Ackerflächen beständig höhere Ernten erzielt werden. Um das zu leisten, muss der Düngemitteleinsatz bis 2050 um 40 Prozent steigen. Auf lange Sicht hat der gigantisch große Herrenknecht- Bohrkopf damit allen Grund, weiterzufräsen.