Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie ist klar: die eigenen vier Wände sind auch Homeoffice, Schulzimmer und Naherholungsgebiet in einem. Da will man es schön haben und bestellt neue Kissen, eine witzige Lampe oder ein Accessoire für Terrasse oder Balkon. Der Trend zum so genannten "Homing" bescherte dem Online-Händler Westwing im ersten Halbjahr zweistellige Wachstumsraten. Nicht nur die Möbel, Lampen und Teppiche der Münchner sind gefragt, auch an der Börse richtete sich der Fokus auf den Gewinner der Corona-Pandemie. Seit Anfang Mai stieg der Aktienkurs um 300 Prozent auf aktuell knapp 16 Euro.

Und es spricht einiges dafür, dass die Aktie weiter an Wert zulegt. In erster Linie, weil die grundsätzliche Skepsis verschwunden ist. In der Branche gibt es mehrere Beispiele von Online-Modellen, die eine aggressive Neubewertung erlebt haben, sobald sie den Markt von ihrem Geschäftsmodell und den erzielbaren Margen überzeugt haben. Der Modehändler Zalando oder der US-Online-Händler Wayfair sind Beispiele dafür.

Die Münchner Firma Westwing hat mit den Zahlen zum ersten Halbjahr auf jeden Fall überzeugt. Das Geschäftsmodell ist nicht nur tragfähig, es wirft auch etwas ab. Im zweiten Quartal wurden mehr als eine Million Käufe abgewickelt. Der durchschnittliche Wert pro Order betrug 325 Euro. Der Umsatz legte zum Vorjahresvergleich um 90 Prozent zu und die Marge steigt langsam. Je höher der Umsatz, umso besser sind die Deckungsbeiträge und die Skaleneffekte. Für das laufende Jahr will Westwing eine bereinigte Ebitda-Marge zwischen drei und fünf Prozent erreichen.

Die außergewöhnlichen Wachstumsraten des ersten Halbjahres werden sich zwangsläufig verlangsamen, doch die Verschiebung zum Online-Kauf ist ein genereller Trend. Das lässt Spielraum für die Bewertung. Aktuell steht der Marktkapitalisierung von 326 Millionen Euro ein erwarteter Umsatz von 366 Millionen Euro gegenüber. Dazu summieren sich 86 Millionen Euro Barmittel per Ende Juni. Gemessen an vergleichbaren Firmen ist der Umsatzmultiplikator sehr tief, zumal die reine operative Marge bei steigenden Erlösen noch ausbaufähig ist. Wohl auch aus diesem Grund stufen die Analysten vom Bankhaus Berenberg die Aktie mit Kaufen ein. Das Kursziel beträgt 25 Euro, immerhin mehr als 50 Prozent über dem aktuellen Kurs. Dass dieses Level erreichbar ist, zeigt im Übrigen schon die Historie. Vor nicht ganz zwei Jahren war das Unternehmen mit einem Emissionspreis von 26 Euro an die Börse gekommen. Dieses Niveau kann sie nun zurückerobern.


Kaufen
Kursziel: 25,00
Stopp-Kurs: 9,50