Knapp zehn Jahre. So viel Zeit haben die Vereinten Nationen noch, um ihre selbst gesteckten Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. In der Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung, verabschiedet im Jahr 2015, hat die Weltgemeinschaft 17 Ziele formuliert, darunter: mehr Klimaschutz, sauberes Trinkwasser und Toiletten für alle, das Ende von Armut und Hunger sowie bezahlbare und saubere Energie. Die sogenannten Sustainable Development Goals (SDGs) sollen die internationale Zusammenarbeit in den kommenden Jahren prägen.

Auch wenn es Klimaschutzaktivisten nicht schnell genug gehen mag: Die Wirtschaftswelt wird grüner, sozialer, verantwortungsbewusster. Wer nicht freiwillig mitzieht, hat schlechte Karten, zumindest in der Europäischen Union. Neue Regularien erschweren Umweltsündern die Arbeit und sollen sicherstellen, dass sich Firmen nicht umweltfreundlicher präsentieren, als sie sind. So definiert etwa die EU-Taxonomie-Verordnung, welche Wirtschaftszweige nachhaltig sind und welche nicht. Die neue Offenlegungsverordnung schreibt wiederum Investmenthäusern und Finanzberatern vor, wie sie ökologische und soziale Aspekte sowie Fragen guter Unternehmensführung, also die sogenannten ESG-Kriterien, in ihre Prozesse integrieren und welche Informationen sie den Anlegern an die Hand geben müssen.

Als eine Folge der strikteren ESG-Regulierung richten immer mehr große Investoren ihr Portfolio auf die neue, grünere Wirtschafts- und Investmentwelt aus. Auch Privatanleger interessieren sich zunehmend für das Thema. Die European Bank for Financial Services (Ebase) hat Anfang des Jahres 1000 Bundesbürger nach ihrer Einschätzung zu nachhaltigen Investments befragt. Das Ergebnis: 53 Prozent wollen in Zukunft ökologisch, ethisch und sozial korrekter investieren. Nachhaltigkeit sei bei vielen Anlegern neben Rendite, Sicherheit und Liquidität zum vierten Ziel der Geldanlage avanciert, heißt es von Ebase.

Das ist nur vernünftig. Denn der Wandel von der schmutzigen alten zur neuen nachhaltigen Wirtschaftswelt bringt nicht nur Gewinner, sondern auch Verlierer hervor - Unternehmen, die ihr Geschäftsmodell oder ihre Prozesse nicht grüner und sozialer gestalten können oder wollen. Für sie wird das Geschäft riskanter. Das kann an schwindenden Ressourcen, immer strengeren Umweltauflagen oder drohenden Gerichtsprozessen liegen. Zudem sinkt die Nachfrage nach ihren Aktien. Immer mehr Anleger vermeiden diese Anteile, was die Kurse tendenziell belastet. Wer sein Portfolio fit für die Zukunft machen will, tut gut daran, die künftigen Verlierer heute schon zu identifizieren und aus dem Depot zu werfen. Das bringt nicht nur ein gutes Gewissen, sondern sollte langfristig auch den Gewinn eines Depots steigern.


AUTOMOBILINDUSTRIE

Die Autobranche steht massiv unter Druck. Der Wandel weg vom Verbrennungsmotor hin zum Elektroauto kommt nicht recht voran. Und selbst wenn: Klimaaktivisten genügt es nicht, dass mehr Autos mit Strom fahren sollen. Sie wollen die Innenstädte entlasten und fordern eine Mobilitätswende zugunsten des Fahrrads und der Eisenbahn. Obendrein hat der Abgasskandal im Jahr 2015, der VW bisher rund 30 Milliarden Euro gekostet hat, das Vertrauen der Investoren in die Autohersteller nachhaltig erschüttert. Man kann es kaum anders sagen: Viele Autobauer befinden sich auf dem absteigenden Ast. Möglich, dass einige Platzhirsche in nicht allzu ferner Zukunft in die Bedeutungslosigkeit versinken - falls viele Menschen überhaupt kein Auto mehr besitzen und der Rest sich von autonom fahrenden Elektroautos von A nach B bringen lässt. Zu den größten Schmutzfinken der Autoindustrie gehören drei chinesische Unternehmen: Great Wall Motor, SAIC Motor und Brilliance. Die Nachhaltigkeits-Ratingagentur ISS ESG bewertet alle drei mit der schlechtesten Note D. Great Wall gilt zwar als aufstrebendes Unternehmen. Nach Einschätzung der Analysten stoßen seine Pkw aber bedenklich viel CO2 aus und haben eine geringe Lebensdauer. Weiterer Kritikpunkt: schlechte ökologische und soziale Bedingungen bei den Zulieferern. "Das Unternehmen zeigt keine Anstrengungen, diese Risiken adäquat zu managen", urteilen die Experten. Bei SAIC Motor, dem größten chinesischen Autohersteller und Kooperationspartner von General Motors, sieht es ähnlich aus. Und Brilliance China hat zwar gemeinsam mit BMW ein Hybridauto entwickelt, aber auch hier sind Energieeffizienz und Arbeitsbedingungen bei dem Konzern und seinen Zulieferern fragwürdig. Nachhaltig orientierte Anleger sollten sich nicht daran klammern, dass es unter den Autoherstellern auch weniger schmutzige Unternehmen gibt. Selbst Branchengrößen wie Volkswagen, Toyota und General Motors bekommen von der ESG-Ratingagentur nur die zweitschlechteste Note C. Die Umweltbedenken übertragen sich zudem längst auch auf die Aktienkurse. Seit dem Dieselskandal im Herbst 2015 verloren VW, BMW und Daimler je rund die Hälfte an Wert.


FOSSILE ENERGIETRÄGER

Im Jahr 2010 explodiert im Golf von Mexiko die Ölbohrinsel Deepwater Horizon. Das verursachte nicht nur eine riesige Ölpest und kostete den Betreiber BP 65 Milliarden US-Dollar, es löste auch ein Umdenken aus: Heute investieren viele Großanleger wie der Versicherer Allianz, der norwegische Staatsfonds oder zahlreiche Kirchen und Pensionskassen ihr Geld nicht länger in Firmen, die mit fossilen Energieträgern wie Öl und Kohle Geschäfte machen. Laut der Ratingagentur ISS ESG befinden sich die schmutzigsten Vertreter dieser Branche in den Vereinigten Staaten: Earthstone Energy, Nacco Industries und Par Pacific - bewertet mit den miesen Nachhaltigkeitsnoten D-, D- und D. Beim Öl- und Gasproduzenten Earthstone aus Denver sehen die ESG-Experten eine Fülle von Risiken, von der Arbeitssicherheit über Giftmüll bis hin zu Menschenrechtsfragen. Beim Kohleförderer Nacco mit Sitz in Cleveland, Ohio, schere man sich außerdem kaum um Themen wie Biodiversität oder Wasserressourcen. Auch Par Pacific mit Sitz in Houston, Texas, strengt sich nicht übermäßig an, die Umwelt zu schützen und Sicherheit von Anlagen und Arbeitern zu gewährleisten. Gängige Compliance-Vorschriften wie eine sorgfältige Anti-Korruptions-Prüfung fehlten offenbar komplett. Zwar zeigen sich nicht alle Unternehmen aus dem Energiesektor derart ignorant gegenüber Mensch und Umwelt. Der Rückzug der Großanleger, der meist zu sinkenden Aktienkursen führt, ist in dieser Branche aber besonders fortgeschritten. Fossile Brennstoffe sind nun einmal nicht ohne Ende verfügbar, zudem gelten sie als größtes Hindernis auf dem Weg in eine sauberere Zukunft. Die Energieriesen RWE, Exxon und Royal Dutch Shell haben deshalb ebenfalls eher schlechte Nachhaltigkeitsnoten: C+, C- und C. Ihre Aktienkurse haben seit 2010 um 15 bis 50 Prozent nachgegeben. Zum Vergleich: Bei globalen Aktien haben sie sich seither etwa verdoppelt. Für Anleger besteht deshalb die sicherste Strategie darin, es den großen Investoren gleichzutun und Öl- und Kohlekonzerne aus dem Depot zu verbannen.


METALLE UND BERGBAU


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Der Abbau von Gold, Eisenerz und anderen Metallen ist ein schmutziges und oft gefährliches Geschäft. Im Jahr 2015 brachen in einer Eisenerzmine des Bergbauriesen Vale in Brasilien die Dämme eines Rückhaltebeckens, und eine Schlammlawine mit giftigen Schwermetallen und Chemikalien begrub ein komplettes Dorf unter sich. Die Schäden und Folgekosten gehen in die Milliarden, der Vale-Konzern muss voll dafür haften. Solche immer wieder auftretenden Katastrophen sind zwar Extrembeispiele, doch auch die Verarbeitung von Eisenerz im Hochofen zu Stahl birgt Gefahren für Arbeiter und Umwelt: "Stahlproduzenten sehen sich signifikanten Risiken im Bereich der Sicherheit und Gesundheit der Arbeiter ausgesetzt", heißt es denn auch vom Branchendienst ISS ESG. Als eines jener Unternehmen, die sich nicht ausreichend um diese Gefahren kümmern, haben die Analysten Maruichi Steel Tube ausgemacht. Der japanische Stahlproduzent scheine darüber hinaus keine Strategie zu haben, wie man weniger Treibhausgase in die Luft blase. Die Analysten bewerten den Konzern mit der schlechtesten Nachhaltigkeitsnote D-. Die gleiche Note trägt der schwedische Goldminenbetreiber Endomines aus Finnland, wo die Sicherheitsstandards eigentlich hoch sind. "Dennoch hat das Unternehmen weder ein Sicherheits- noch ein Umweltmanagement-System", monieren die Experten von ISS ESG. Bei Shandong Gold Mining sieht es nicht viel besser aus. Auch hier haben die Analysten die Note D- vergeben. Sie bemängeln unter anderem, dass das chinesische Unternehmen weder eine Unfallstatistik noch wichtige Umweltkennzahlen veröffentlicht. Anleger sollten auch nicht zwanghaft versuchen, die Perle im Misthaufen zu finden: Bergbau- und Goldminenaktien sind schon wegen drohender Umwelt-, Prozess- und Regulierungskosten ein riskantes Investment. Das zeigen nicht nur die schlechten ESG-Noten der Branchenriesen BHP Billiton, Rio Tinto und Glencore (C, C+ und C), sondern auch deren Aktienkurse: Seit dem Börsengang im Jahr 2011 verlor die Glencore-Aktie zwei Drittel an Wert, die Anteile von BHP stagnierten seither, und die Papiere von Rio Tinto liefen in dieser Zeit klar schlechter als der globale Aktienindex MSCI World.