Muss man einem Anlagevehikel, das seine Muskeln mehr und mehr spielen lässt, überhaupt noch alles Gute für die Zukunft wünschen? Man muss nicht, aber man kann. In diesem Sinn: Herzliche Glückwünsche dem ETF zu seinem 30. Geburtstag.

Als am 9. März 1990 der erste Ex­change Traded Fund in Kanada sein Börsendebüt feiert, ahnt niemand, dass dies der Startschuss zu einer der größten Erfolgsstorys der jüngeren Finanzgeschichte ist. Unter dem Namen TIPs (Toronto 35 Index Participation Units) kommt ein Anlageprodukt auf den Markt, das verspricht, den TSE-35-Index der Börse Toronto exakt abzubilden. Dieser besteht zu jener Zeit aus den 35 wichtigsten kanadischen Aktien. Mit einem einzigen Investment können Anleger nun sämtliche Titel in ihr Depot holen. Vier Jahre später wird das Angebot mit dem HIPs (Toronto 100 Index Participation Units) erweitert. Er ist breiter aufgestellt und enthält die 100 bedeutendsten Unternehmen des Landes.

Persönlich gratulieren kann man dem Stammvater der heutigen ETFs allerdings nicht: Der TIPs und sein jüngerer Bruder existieren schon lange nicht mehr. Sie werden 2000 eingestellt, als der neue Leitindex der Börse Toronto, der S & P/TSE-60, an den Start geht.

Noch vorhanden ist dagegen der erste ETF in den USA: 1993 kommt der Standard & Poor’s 500 Depositary Receipt auf den Markt. Er folgt dem bekannten US-Index S & P 500 (siehe Investor-Info unten). Noch heute stehen seine Anfangsbuchstaben SPDR für die ETF-Marke von State Street Global Advisors, einem der größten Anbieter passiver Fonds weltweit.

Das Prinzip, dem der erste ETF folgte, hat auch heute noch Bestand. Ein ETF ist ein Fonds, der an der Börse gehandelt wird und einen Index eins zu eins abbildet. Auf aktives Portfoliomanagement wird verzichtet, der Anteilwert entwickelt sich stets genauso wie das zugrunde liegende Kursbarometer. Weil dafür nur wenig Manpower nötig ist, sind die Verwaltungsgebühren von ETFs sehr niedrig. Mit ihnen gängigen Aktienindizes wie DAX oder Euro Stoxx 50 zu folgen, kostet Anleger maximal 0,2 Prozent pro Jahr. Aktiv gelenkte Fonds verlangen ein Vielfaches, eine Bandbreite von 1,5 bis 2,0 Prozent ist bei Aktienportfolios üblich.

Die niedrigen Gebühren sind der Hauptgrund dafür, dass ETFs den traditionell gemanagten Fonds zunehmend Marktanteile abluchsen. Aktuell stecken knapp 6,2 Billionen US-Dollar (knapp 5,6 Billionen Euro) in den passiven Produkten. Bereits 2021 könnte das verwaltete Vermögen die nächste Marke von sieben Billionen Dollar überspringen - jedenfalls sofern die Börsen ihren Aufwärtstrend der vergangenen Jahre wieder aufnehmen.

Ein Ende dieses Wachstums ist nicht in Sicht. "Kaum eine Produktgattung verzeichnet höhere Zuflüsse als ETFs", sagt Deborah Fuhr, Gründerin des auf passive Investments spezialisierten Analysehauses ETFGI. Die Expertin erwartet, dass sich deren Vermögen künftig alle fünf Jahre verdoppeln wird. "Wahrscheinlich werden 2025 rund 14 Billionen Dollar in ETFs angelegt sein."

Erst zögerlich, dann rasant


Der Erfolg der börsengehandelten Indexfonds kam jedoch nicht über Nacht. Erst 19 Jahre nach Auflegung des ersten ETFs knackte die Branche die Marke von einer Billion Dollar. Bis zur zweiten Billion dauerte es dann nur noch knapp vier Jahre. Und von Ende 2018 bis Ende 2019 stieg das Vermögen in nur zwölf Monaten um 1,5 Billionen Dollar.

Trotz des raschen Zuwachses spielen ETFs in der Fondsindustrie noch eine Nebenrolle. "Weltweit stecken erst knapp elf Prozent des gesamten Fondsvermögens in ETFs", berichtet Fuhr. Große Unterschiede gibt es zwischen den USA und Europa. Während jenseits des Atlantiks etwas mehr als 16 Prozent des gesamten Fondsvermögens in ETFs angelegt sind, entfallen in Europa gerade einmal fünf Prozent auf die passiven Portfolios. Das liegt vor allem daran, dass in den Vereinigten Staaten Privatanleger viel stärker auf ETFs setzen als in Europa. Auch in zahlreichen US-­Altersvorsorgeprodukten kommen die passiven Fonds zum Einsatz.

Geholfen hat der Verbreitung von ETFs auch die Zunahme der Honorarberatung in vielen Ländern. "Sie hat entscheidend dazu beigetragen, die Popularität von ETFs zu steigern", sagt Fuhr. Wenn Anlageberater ihr Geld nicht über Provisionen verdienen müssen, empfehlen sie viel eher Produkte wie ETFs, die ohne diese Anreize auskommen. Gerade in Deutschland ist die provisionsgetriebene Beratung aber noch der Regelfall, weshalb Privatanleger nicht so oft auf die passiven Indexfonds aufmerksam gemacht werden.

In den vergangenen 30 Jahren ist viel passiert - an den Finanzmärkten im Allgemeinen und in der ETF-Branche im Speziellen. Die 90er-Jahre sahen einen beispiellosen Boom des Neuen Marktes, die 2000er-Jahre gleich zwei empfindliche Abstürze, als die Dotcom-Blase platzte und die US-Hypothekenkrise das globale Finanzsystem ins Wanken brachte. In den 2010er-Jahren erlebten Anleger einen der längsten Börsenaufschwünge der Geschichte. ETFs haben alle diese Entwicklungen stoisch mitgemacht. Nichts anderes ist ihre Aufgabe: das Auf und Ab der Märkte exakt wiederzugeben - zu fast unschlagbar niedrigen Kosten.

Die ETF-Branche hat sich längst an Rekorde gewöhnt und darf sich zu Recht feiern. Das nächste Mal übrigens bereits in fünf Wochen: Am 11. April 2000 wurde der erste ETF an der Börse Frankfurt gelistet (siehe Investor-Info). Dann wiederum wird die Produktgattung in Europa 20 Jahre alt.

Investor-Info

SPDR S & P 500
Ältester ETF am Markt


Der SPDR S&P 500 war der erste ETF in den USA. Heute ist das 1993 aufgelegte Produkt der älteste existierende ETF. Er bildet die Wertentwicklung des S & P 500 ab, der die 500 größten US-Konzerne enthält. Die Kennzahlen unten beschreiben die in Europa erhältliche Anteilklasse. Die US-Anteilklasse ist mit einem Volumen von umgerechnet 250 Milliarden Euro um ein Vielfaches größer.

iShares Core Euro Stoxx 50
Pionier in Europa


Erst 2000 wurden in Europa die ersten ETFs aufgelegt. Einer davon war der iShares Euro Stoxx 50, heute einer der größten passiven Fonds für Aktien aus der Eurozone. Das Portfolio umfasst die 50 wichtigsten Konzerne der Staatengemeinschaft. Der ETF ist (nur) für Anleger geeignet, die konzentriert in Bluechips der Eurozone investieren möchten.