Der millionenfache Zuzug von Festlandchinesen unter Führung des Generals Chiang Kai-shek nach dem Chinesischen Bürgerkrieg von 1949 legte den Grundstein für das moderne Taiwan. Es dauerte jedoch bis Ende der 80er-Jahre, bis die autokratische Regierungspartei Kuomintang eine allmähliche Demokratisierung zuließ. Doch seither vollzieht sich der Wandel ebenso schnell wie offensichtlich. Die Zeiten, als "Made in Taiwan" vor allem in den 80er-Jahren für Billigprodukte aller Art stand, als das Land noch "Werkbank der Welt" war, bevor dieses Etikett dem großen Nachbarn, der Volksrepublik China, angeheftet wurde, sind längst vorbei. Taiwan ist in der Wertschöpfungskette weit nach oben gerutscht. Ohne Taiwan kein Smartphone, kein Tablet, keine mobile Kommunikation so, wie wir sie kennen. Die Lieferkette von Apple etwa liest sich wie das Who’s who der taiwanischen Industrie: Da wäre Taiwan Semiconductor Manufacturing, nach Intel und Samsung der weltweit drittgrößte Halbleiterhersteller, oder Hon Hai Precision - bekannt auch unter dem Namen Foxconn -, einer der größten Fertigungsbetriebe für elektronische Produkte weltweit, oder Largan Precision, ein bedeutender Hersteller für Displays und Kameralinsen. Diese technologische Vorreiterrolle will das Land verteidigen. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung: Da liegt Taiwan weltweit auf Rang 6 - vor Deutschland, vor den USA und nur knapp hinter Japan und Südkorea.

"Ausgedacht in Kalifornien, zusammengestellt in Taiwan, gebaut in China", könnte es bei Apple etwa heißen. Die Verbindungen der Insel, die in puncto Lebensstandard mit Südkorea oder Japan vergleichbar ist, sind über das Südchinesische Meer hinweg deshalb so eng wie zahlreich. Es erscheint daher wie ein Treppenwitz der Geschichte, dass Taiwan als eigenständiger Staat international immer noch nicht anerkannt ist und mit einer Art Wirtschaftssonderstatus leben muss. "Ein-China-Politik" nennt sich das. Und das "echte" China ist im diplomatischen Sinn die Volksrepublik. Und diese sieht Taiwan als abtrünnige Provinz. Wer will sich da mit Peking anlegen? Doch vielleicht tut sich jetzt was. Zum ersten Mal seit 1949, seit dem Ende des blutigen Bürgerkriegs und der Abspaltung der Taiwan-Chinesen, trafen sich am 7. November die Staatschefs von Taiwan und der Volksrepublik China. Die Präsidenten Xi Jinping und Ma Ying Jeou schüttelten einander die Hand, winkten den Pressevertretern zu und verschwanden in einem Hotel - auf neutralem Boden in Singapur. Derlei Realitäten kann sich nicht mal Peking verschließen.

Trotz Technologieführerschaft - wenn China zu kämpfen hat, dann merkt man das auf der Insel. So gingen Taiwans Ausfuhren im dritten Quartal um 13 Prozent zurück. Die meisten wegen China. Fürs kommende Jahr wird wieder ein steigendes Wirtschafts- und Exportwachstum erwartet.

Taiwans Wirtschaft wird von IT-Werten bestimmt. Allerdings sind sie im Gegensatz zu vielen US-Werten nicht so beliebt und daher günstig und dividendenstark.

Martin Blümel/jk