Ein neuer Trend erobert die Investmentlandschaft: Fonds, deren Aktienauswahl vollständig von der KI übernommen wird. Doch wie gut sind ChatGPT & Co?

Selbst in Sachen Geldanlage fragen immer mehr Anleger heute lieber die künstliche Intelligenz (KI) als Bankberater. Einer Umfrage zufolge ziehen 19 Prozent der britischen Erwachsenen ernsthaft in Erwägung, Finanztipps von ChatGPT einzuholen. Acht Prozent haben diesen Schritt bereits gewagt. Dabei weiß mehr als ein Drittel der Befragten gar nicht genau, was ChatGPT ist.

Wie gut gehen ChatGPT & Co. mit Ihrem Geld um?

Grund genug für die Finanzwebsite finder.com einen Wettbewerb zu initiieren. Acht Wochen lang ließen sie ein von ChatGPT zusammengestelltes Portfolio gegen die besten britischen Aktienfonds antreten. Ergebnis: Der von der KI zusammengestellte Fonds erreichte in den acht Wochen ein Plus von 4,93 Prozent. Die Vergleichsfonds machten in dieser Zeit ein durchschnittliches Minus von 0,78 Prozent. In 34 der 39 Börsentage war der KI-Fonds vorn. Doch es gibt auch eine andere Wahrheit. 

Seit einigen Jahren gibt es in den USA einen ETF, der von einer künstlichen Intelligenz gesteuert wird. Beim AI Powered Equity ETF entscheidet nicht etwa ein Team von Investmentexperten, sondern IBMs künstliche Intelligenz Watson über die Investmentstrategie.

Künstliche Intelligenz als ETF

Watson, der berühmt wurde durch seinen Sieg in der US-Quizsendung „Jeopardy“ im Jahr 2011, sucht die Aktien, die nach Einschätzung der KI die größten Chancen auf Kursgewinne aufweisen. Der Anbieter des ETFs behauptet, dass Watson dabei in der Lage sei, die Arbeit eines „Teams von 1000 Research-Analysten, Händlern und Quants, die rund um die Uhr arbeiten“ zu leisten. 

Tatsächlich hat es der KI-gesteuerte ETF im Testzeitraum von Oktober 2017 bis Januar 2023 auf eine Performance von rund 30Prozent gebracht. Der marktbreite S & P 500 Index hingegen legte um knapp 61Prozent zu.

Nur wenige schlagen den Markt

„In der Summe schlagen die Fonds ihre Benchmarks zurzeit nicht.“ 

Das geht aus einer Untersuchung des Analysehauses Plexus Investment hervor. Dennoch gibt es Ausnahmen. BÖRSE ONLINE stellt drei Spitzenperformer vor. 

Beispiel 1: der Deutschland Top-Aktien-Index (TIXX). Der Index unterscheidet sich grundlegend von den herkömmlichen großen Aktienindizes wie dem DAX oder dem Euro Stoxx 50. Statt auf quantitative Kriterien wie Marktkapitalisierung oder Free Float zu setzen, übernimmt der TIXX einen qualitativen Ansatz. Stockpulse, ein Vorreiter im Bereich der Emotional Data Intelligence, untersucht dabei kontinuier­lich die Investorenstimmung für alle han­delbaren Aktien und verarbeitet täglich Abermillionen von Datenpunkten mithilfe intelligenter Algorithmen. 

Auf diese Weise werden maximal 40 Aktien ermittelt, die von der Mehrheit der Marktteilnehmer als besonders aussichtsreich für die mittel­fristige Entwicklung angesehen werden. Seit seiner Einführung im Jahr 2012 hat der TIXX mit einem Anstieg von 290 Pro­zent eine beeindruckende Performance gezeigt und damit seine Benchmarks deutlich übertroffen. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum stiegen der MDAX um 137 Prozent und der DAX um 110 Prozent. Der Index ist jedoch nur über ein Zertifi­kat investierbar. 

Der ACATIS AI Global Equities wendet zwar eine andere Methode an, ist aber dennoch ähnlich erfolgreich. Der Fonds, der erstmals im Juni 2017 auf den Markt gebracht wurde, ist der erste globale Ak­tienfonds, der vollständig durch KI und basierend auf Fundamentaldaten ge­steuert wird. Er investiert in bis zu 50 Aktien aus entwickelten Ländern mit ei­ner Marktkapitalisierung von über einer Milliarde Euro und ausreichender Li­quidität. 

Das Ziel dieses Fonds mit lang­fristigem Anlagehorizont ist es, eine durchschnittliche Outperformance von drei Prozent pro Jahr im Vergleich zum MSCI World Index zu erzielen. 

„Mit die­ser Zusammenarbeit verschmelzen wir die Themen Value Investing und Deep Learning, also KI, optimal für unsere Anleger“, erläutert Hendrik Leber, Ge­schäftsführer von Acatis.

Was kann Deep Learning?

Wie Leber ausführt, basiert der ACATISAI Global Equities auf selbstlernenden Deep­Learning­Modellen, darunter auch einem Long­Short­Term­Memory­Netz­werk (LSTM). Diese LSTM-Netzwerke sind in der Lage, Erfahrungen länger zu speichern, ähnlich wie das menschliche Langzeitgedächtnis. 

Das Modell erhält keine spezifischen Konzepte oder Regeln zur Portfolioerstellung, sondern nur eine Struktur, die auf den Fundamentaldaten der umfangreichen Unternehmensdatenbank basiert, die Acatis über einen Zeitraum von 15 Jahren aufgebaut hat.

Die KI sucht und lernt die Zusammenhänge in diesen Fundamentaldaten selbst-ständig. Sie identifiziert in diesen Daten nichtlineare Zusammenhänge und Muster, die dem menschlichen Auge verborgen bleiben.

KI-Roboter sitzt am Steuer

Bei ACATIS AI Global Equities sitzt also keine Person am Steuer, sondern ein Roboter. Menschliche Intervention findet nicht in den einzelnen Portfolioentscheidungen statt, sondern nur bei der Durchführung der Trades. Die Maschine ist nicht direkt mit dem Markt verbunden.

Das KI-Team von Acatis arbeitet dabei kontinuierlich an der Verbesserung der Parameter, glättet, vereinfacht und stabilisiert die Inputfaktoren und den Entscheidungsmechanismus. Zweimal im Jahr hat die KI die Möglichkeit, ihre Entscheidungen zu revidieren, aus neuen Daten neue Zusammenhänge zu lernen und diese auf aktuelle Daten anzuwenden.

Dies stellt sicher, dass die Maschine sich ständig weiterentwickelt. In den vergangenen zwölf Monaten erwirtschaftete der Fonds einen Kapitalzuwachs von fast 18 Prozent und konnte damit sein Ziel, drei Prozent besser als der MSCI World zu sein, für Anleger erreichen.

Der doppelte KI-Fonds

Künstliche Intelligenz (KI) ist sowohl das Anlageinstrument als auch das Anlageziel des ODDO BHF Artificial Intelligence. Doppelt engagiert in KI, nutzt Fondsmanager Brice Prunas KI-Algorithmen zur Aktienauswahl und investiert gleichzeitig in KI selbst. Zunächst filtert der Fondsmanager Aktien aus, die einen Bezug zu KI aufweisen, und nutzt dazu ein KI-basiertes Modell. Für diese Analyse werden täglich vier Millionen Datensätze verarbeitet.

„Künstliche Intelligenz hilft uns im Investmentprozess, kognitive Lücken und Aufmerksamkeitsdefizite auszugleichen und damit ein Anlageuniversum zu eröffnen, das mehr Einzeltitel beinhaltet, als es mit begrenzten menschlichen Kapazitäten möglich wäre“, erläutert Prunas.

„Es ist schlichtweg unmöglich, jedes Unternehmen weltweit zu kennen und genügend Details zu haben.“ Aufgrund der einseitigen Fokussierung auf KI-Aktien ist die Wertentwicklung des ODDO BHF Artificial Intelligence deutlich volatiler als die des ACATIS AI Global Equities oder des TIXX. Dafür legte der Fonds aber seit Jahresbeginn bereits um rund 30 Prozent zu.

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