Lifecycle-ETFs versprechen bequeme Altersvorsorge auf Autopilot: Je älter man wird, desto defensiver wird investiert. Doch das Konzept hat Tücken.

Es ist eine der ältesten Regeln an der Börse: „100 minus Lebensalter = Aktienquote“. Der legendäre Börsenguru André Kostolany prägte diese Faustformel, um Anlegern eine einfache Orientierung für die strategische Aufteilung zwischen Aktien und Anleihen zu geben. Wer 40 Jahre alt ist, sollte demnach 60 % seines Vermögens in Aktien halten, wer 60 Jahre alt ist, nur noch 40 %. 

Doch die Welt hat sich verändert: Die Lebenserwartung ist gestiegen, Zinsen schwanken, Märkte sind globaler und dynamischer geworden. Ein 60-Jähriger, der nach Kostolanys Regel agiert, hat oft noch 20 oder 30 Jahre Anlagehorizont vor sich – und könnte mit einer reinen Defensivstrategie zu früh auf Rendite verzichten.

Ein moderner Blick auf das Alter

Die klassische Idee, mit dem Renteneintritt vollständig in sichere Anlagen umzuschichten, ist heute überholt. Ein 65-Jähriger hat statistisch oft noch 15 bis 25 Jahre Lebenserwartung. Auch in dieser Zeit kann ein solider Aktienanteil von 30–50 Prozent sinnvoll sein, um Kaufkraft zu erhalten und Wachstum zu nutzen.

Viele Experten raten daher zu einer flexibleren Anlagestrategie statt eines starren Zielpfads. Modelle wie das Pantoffel-Portfolio oder individuelle Rebalancing-Strategien bieten hier mehr Gestaltungsfreiheit.

Was Lifecycle-ETFs so besonders macht

Genau hier setzen Lifecycle-ETFs an. Diese Fondsprodukte versprechen eine automatisierte, altersgerechte Vermögenssteuerung – und gewinnen auch in Deutschland zunehmend an Bedeutung. Das Grundprinzip ist einfach: Je näher das Anlegerziel (z. B. Ruhestand), desto geringer die Aktienquote. 

Während zu Beginn meist 60 bis 80 % des Fondsvermögens in globale Aktienmärkte investiert werden, verschiebt sich der Schwerpunkt über die Jahre schrittweise in Richtung Anleihen und teilweise auch Gold. So soll das Risiko automatisch sinken, je näher das Zieljahr rückt.

Vanguard: Der Pionier des Lifecycle-Konzepts

Der Startschuss für das Konzept in Europa fiel im Dezember 2020, als Vanguard die ersten LifeStrategy-ETFs auflegte. Ziel: eine einfache, weltweit diversifizierte Altersvorsorge für Privatanleger – mit automatischem Rebalancing und ohne komplizierte Einzelfondsauswahl. Vanguard kombiniert globale Aktien- und Anleiheindizes, sorgt über automatisches Rebalancing für Stabilität und erlaubt Anlegern, eine feste Risikostruktur dauerhaft beizubehalten. Das macht LifeStrategy-ETFs zu einer Art „Komplettlösung für die Altersvorsorge“.

Vanguard bietet vier LifeStrategy-ETFs, die sich in ihrer Aktienquote und damit im Risikoprofil unterscheiden. Die defensivste Variante, Vanguard LifeStrategy 20% Equity (WKN: A2P7TN), richtet sich an Anleger mit kurzfristigen Zielen und geringem Risikoappetit. Sie kombiniert 20% Aktien mit 80% Anleihen, eignet sich für Anlagehorizonte ab rund drei Jahren und weist ein Risiko von 3 von 7 auf.

Etwas dynamischer ist Vanguard LifeStrategy 40% Equity (WKN: A2P7TJ), das 40% Aktien und 60% Anleihen kombiniert. Dieses ausgewogenere Profil zielt auf mittelfristige Vorhaben ab einer Anlagedauer von etwa fünf Jahren und hat ein Risikorating von 4 von 7.

Für langfristige Strategien bietet sich Vanguard LifeStrategy 60% Equity (WKN: A2P7TK) an. Die Gewichtung von 60% Aktien und 40% Anleihen ermöglicht ein stärkeres Wachstumspotenzial bei moderatem Risiko. Empfohlen wird ein Anlagehorizont ab fünf Jahren, das Risikoniveau liegt bei 5 von 7.

Am wachstumsstärksten ist schließlich Vanguard LifeStrategy 80% Equity (WKN: A2P7TF). Mit 80% Aktien und 20% Anleihen richtet sich dieses Portfolio an Anleger mit sehr langfristigen Zielen und hohem Renditeanspruch. Es eignet sich für Anlagedauern ab rund sieben Jahren und trägt ein entsprechend höheres Risiko. Seit der Auflage Ende 2020 konnte der ETF immerhin eine Rendite von 56 Prozent erzielen.

Amundi: Target-Date-Strategien mit ESG-Fokus

Nach Vanguard stieg Amundi als zweiter großer Anbieter in den europäischen Lifecycle-Markt ein – allerdings mit einem anderen Ansatz: Statt fixer Aktienquoten setzt Amundi auf sogenannte Target-Date-Strukturen, bei denen die Aktienquote über die Jahre automatisch sinkt. Die entsprechenden ETFs sind im Januar 2025 gestartet und orientieren sich an einem klar definierten Zieldatum, das typischerweise mit dem Renteneintritt der Anleger zusammenfällt.

Das aktuelle Angebot umfasst vier Produkte: Amundi Lifecycle 2030 UCITS ETF (WKN: ETF206), Amundi Lifecycle 2033 UCITS ETF (WKN: ETF207), Amundi Lifecycle 2036 UCITS ETF (WKN: ETF205) und Amundi Lifecycle 2039 UCITS ETF (WKN: ETF204). Zum Start ist die Aktienquote entsprechend am höchsten. Diese wird über die Laufzeit kontinuierlich reduziert, bis sie im Zieljahr vollständig auf 0 % abgesenkt ist. Der 2039er ETF hat derzeit beispielsweise eine Aktienquote von rund 53 %. Die frei werdenden Mittel werden dabei sukzessive in Staats- und Unternehmensanleihen unterschiedlicher Laufzeiten umgeschichtet, sodass das Portfolio mit zunehmendem Alter des Anlegers defensiver wird.

Zusätzlich integriert Amundi ESG-Kriterien in die Indexkonstruktion, was die Produkte für nachhaltig orientierte Anleger attraktiv macht. Mit einer Gesamtkostenquote von 0,18 % TER gehören die Lifecycle-ETFs von Amundi zu den kostengünstigsten Angeboten auf dem Markt und positionieren sich damit klar im Wettbewerb zu Vanguard und Xtrackers.

Xtrackers: Neue Konkurrenz aus Frankfurt

Nun will auch Xtrackers, die ETF-Marke der DWS, den deutschen Lifecycle-Markt aufrollen. Die Luxemburger Finanzaufsicht CSSF hat die Genehmigung bereits erteilt, der Startschuss steht kurz bevor. Geplant ist die Einführung von vier neuen Portfolio-ETFs, die sich konzeptionell eng an der Vanguard-Struktur orientieren und verschiedene Risikoprofile abbilden.

Das geplante Angebot umfasst den Xtrackers Diversified Portfolio 20% Equity UCITS ETF, den Xtrackers Diversified Portfolio 40% Equity UCITS ETF, den Xtrackers Diversified Portfolio 60% Equity UCITS ETF sowie den Xtrackers Diversified Portfolio 80% Equity UCITS ETF. Die jeweilige Prozentzahl steht für den Aktienanteil, während der verbleibende Teil des Fonds in Anleihen und rund 5 % Gold investiert wird.

Beim beliebten 60/40-Portfolio – also dem Xtrackers Diversified Portfolio 60% Equity – fließen beispielsweise 60 % des Fondsvermögens in Aktien entwickelter Märkte, ergänzt um Schwellenländer und Small Caps. Weitere 35 % entfallen auf Staats- und Unternehmensanleihen, darunter auch High-Yield-Bonds, während 5 % in Gold investiert werden, um zusätzliche Stabilität und Diversifikation zu schaffen.

Ein quartalsweises Rebalancing sorgt dafür, dass die Zielgewichtungen konstant bleiben. Die Gesamtkostenquote (TER) liegt bei 0,24 % und positioniert Xtrackers damit preislich im Mittelfeld zwischen den besonders günstigen Amundi-Produkten und den bereits etablierten Vanguard-ETFs.

Lifecycle-ETFs sind cleveres Konzept  – aber kein Allheilmittel

Vanguard war der Pionier, Amundi hat das Konzept verfeinert, Xtrackers zieht nun nach: Lifecycle-ETFs bieten Anlegern eine einfache, kostengünstige und breit diversifizierte Möglichkeit, langfristig für das Alter vorzusorgen. Sie nehmen Anlegern viele Entscheidungen ab, sorgen für automatisches Rebalancing und reduzieren das Risiko mit zunehmendem Anlagealter.

Doch diese Bequemlichkeit hat ihren Preis. Das starre Umschichtungskonzept folgt festen Regeln – und diese können an der Realität vorbeigehen. Weder lassen sich Marktphasen langfristig präzise vorhersagen, noch verlaufen Lebenswege linear. Ein Fonds, der automatisch umschichtet und dabei immer defensiver wird, kann weder auf außergewöhnliche Marktbewegungen reagieren noch auf individuelle Bedürfnisse eingehen. Jeder Mensch weiß oft selbst am besten, wann er Kapital benötigt oder welches Risiko er zu einem bestimmten Zeitpunkt tragen kann.

Wer maximale Flexibilität und die Chance auf überdurchschnittliche Renditen sucht, sollte sich nicht blind auf standardisierte Pfade verlassen. Lifecycle-ETFs sind ein exzellenter Baustein – besonders für Anleger, die ein einfaches, transparentes Basisinvestment wünschen. Sie ersetzen aber keine durchdachte, persönliche Anlagestrategie, die Marktzyklen und Lebensphasen individuell berücksichtigt.

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Übrigens: Einmal kaufen, liegen lassen und nie mehr verkaufen – laut Börsenguru André Kostolany eine ideale Strategie, um mit Aktien zu Reichtum zu gelangen. 30 davon hat die Redaktion von BÖRSE ONLINE im Aktien für die Ewigkeit Index zusammengefasst.

VAN.-L.80EQ ETF EOA (WKN: A2P7TF)

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