€uro fondsxpress: Herr Haßler, der norwegische Staatsfonds wurde vom Parlament in Oslo aufgefordert, sich aus Energie- und Bergbauunternehmen zurückzuziehen, bei denen das Kohlegeschäft mehr als 30 Prozent am Umsatz oder Geschäft ausmacht. Dient die Entscheidung dem Klimaschutz?
Robert Haßler: Die Entscheidung hat eine hohe Signalwirkung. Die G-7-Länder wollen bis zum Ende des Jahrhunderts die Verbrennung von Kohle zur Energiegewinnung beenden. Diesen Absichtserklärungen, die auf dem jüngsten Gipfel in Elmau noch einmal bekräftigt wurden, müssen aber auch Taten folgen. Die neue Investmentpolitik des norwegischen Staatsfonds ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg, das Ziel Dekarbonisierung tatsächlich zu erreichen.

Wie kommt die Entscheidung bei Kohle fördernden Unternehmen an?
Sie erfahren nicht nur von der Politik-, sondern nun auch von der Kapitalseite her, dass dieser Geschäftszweig langfristig nicht zukunftsfähig ist beziehungsweise hohe ökonomische Risiken birgt. Der Entscheidung des Staatsfonds dürften auch weitere institutionelle Anleger folgen und sich ebenfalls von Kohle fördernden Unternehmen trennen. Dies kann sich wiederum negativ auf den Aktienkurs auswirken. Auch dadurch wächst der Druck auf die Unternehmen.

Sie ändern ihr Geschäftsmodell?
Nicht sofort und nicht alle. Doch es gibt positive Beispiele. Nehmen wir beispielsweise Eon. Das Unternehmen hat erkannt, dass das bisherige Geschäftsmodell langfristig nicht mehr funktioniert. Man will sich daher stärker auf erneuerbare Energien konzentrieren. Die Investoren sind aber nicht die Einzigen, die die Unternehmen zu einem Strategiewechsel motivieren. Druck, nachhaltigere Geschäftsmodelle zu verfolgen, kommt auch von den Verbrauchern. Politik, Investoren und Konsumenten geben starke Anreize, die die Unternehmen nicht ignorieren können und sie zur Fertigung intelligenter Produkte motiviert.

Der Staatsfonds bezieht seine Einnahmen aus dem Verkauf von Öl und Gas. Belastet die Förderung der beiden Rohstoffe nicht auch die Umwelt?
Sicher, der Fonds macht sich dadurch angreifbar. An der positiven Wirkung der künftigen Investmentpolitik ändert das aber nichts. Es ist schon bewundernswert, wie Norwegen im Gegensatz zu anderen Förderstaaten seine Öleinnahmen sinnvoll verwendet und sie nicht nur zur Zukunftssicherung Norwegens, sondern nun auch zum globalen Klimaschutz einsetzt.

Der Markt für nachhaltige Anlagen ist in Deutschland, der Schweiz und im Österreich im vergangenen Jahr um fast 50 Prozent auf 198 Milliarden Euro gewachsen. Wie erklärt sich das Interesse?
Im Vergleich zum Gesamtmarkt ist das immer noch wenig. In Deutschland entfallen gerade mal zwei Prozent der gesamten Anlagesumme auf nachhaltige Investments. Doch das Thema Nachhaltigkeit gewinnt gerade jetzt stark an Bedeutung. Bislang engagierten sich vor allem Überzeugungstäter wie Kirchen und Stiftungen. Nun erkennen aber auch Versicherungen und Pensionsfonds die Vorteile. In den kommenden Jahren wird das Investmentvolumen in nachhaltigen Anlagen deutlich steigen.

Die Nachfrage privater Anleger an nachhaltigen Investments ist aber noch gering.
Richtig. Das liegt aber auch daran, dass Privatanleger in den Banken oft keine kompetente Beratung erhalten. Zudem ist das Angebot an Produkten mittlerweile unübersichtlich geworden. Derzeit stehen Anlegern im deutschsprachigen Raum rund 400 Fonds zur Auswahl. Nicht alle aber definieren Nachhaltigkeit gleich. Um Investoren Orientierungshilfe zu bieten, hat das Forum Nachhaltige Geldanlagen ein Qualitätssiegel entwickelt, mit dem Publikumsfonds ausgezeichnet werden. Mit dem Qualitätssiegel erhalten Anleger Informationen, wie anspruchsvoll ein Fonds Nachhaltigkeitskriterien anwendet. Das Qualitätssiegel wird zum ersten Mal im November vergeben.

Wie fallen die Renditen nachhaltiger Anlagen im Vergleich zu traditionellen Anlagen aus?
Zwischen dem 1.1.2005 und dem 31.12.2014, also über einen Zeitraum von zehn Jahren, legte der MSCI World Total Return Index um 113 Prozent zu. Das von uns zusammengestellte oekom Prime Portfolio schaffte eine kumulierte Rendite von 116 Prozent - und das bei nur minimal höherer Volatilität als der Index. Das oekom-Prime-Portfolio besteht aus 350 Unternehmen aus dem MSCI-Index, die unseren Analysen zufolge in ihrer Branche die Nachhaltigkeitskriterien am besten erfüllen. Bei Corporate-Bond-Emittenten haben wir übrigens festgestellt, dass Unternehmen, die "best in class" aus ökologischer und sozialer Sicht sind, eine höhere Eigenkapitalquote aufweisen. Das durch die finanzielle Solidität verminderte Risikoprofil macht die Anleihen dieser Unternehmen auch für nachhaltige Investoren interessant.

Neben dem Umweltschutz umfasst Nachhaltigkeit auch ethische und soziale Aspekte. Wie stellen Sie als Ratingagentur fest, dass Unternehmen diese Kriterien erfüllen?
Wir führen mit den Unternehmen einen sehr intensiven Dialog. Unser Rating ist für sie auch Anlass, sich umfassend mit dem Thema Nachhaltigkeit zu beschäftigen. Zudem arbeiten wir mit Nichtregierungsorganisationen zusammen, die unseren Analysten Hinweise geben können, ob etwa ein in den Schwellenländern tätiges Unternehmen Kinder beschäftigt. Dies würde zu einem schlechteren Rating führen. Fondsmanager, die sich an unseren Ratings bei der Titelauswahl orientieren, können sicher sein, dass die Unternehmen Nachhaltigkeitskriterien in hohem Maß genügen.

Werden aus Ihrer Sicht in den Verhandlungen der Institutionen mit Griechenland nachhaltige beziehungsweise ethische und soziale Kriterien ausreichend beachtet?
Das kann ich nicht erkennen. Die Verhandlungen konzentrieren sich zu sehr aufs Sparen, es wird zu wenig darüber diskutiert, wie das Land langfristig wieder auf die Beine kommen kann. Vor allem auf dem Gebiet Erneuerbare Energien ergeben sich für Griechenland doch enorme Chancen und Einnahmequellen.