Renten-Experte und Finanz-Professor Bernd Raffelhüschen erklärt, warum die Rente gar nicht mehr unser größtes Problem ist, weshalb die Baby-Boomer den Sozialstaat fast funktionsunfähig gemacht haben und wie Deutschland sich jetzt aus dieser Lage befreien kann.

BÖRSE ONLINE: Herr Raffelhüschen, Sie forschen an der Universität Freiburg zu Rente, den Sozialkassen und auch den Generationenverträgen. Was bereitet Ihnen in der aktuellen Lage in Deutschland am meisten Sorgen? 

Professor Bernd Raffelhüschen: Das kann man sehr gut an uns beiden plakatieren. Also der Gewinner dieser Sachen, die wir in den letzten Jahren und Jahrzehnten gemacht haben, bin ich. Und ich bin graumeliert. Und die Verlierer dessen, was wir dort gemacht haben, ist Ihre Generation, die jungen Erwerbstätigen oder die erwerbstätigen Beitragszahler, die erwerbstätigen Steuerzahler. Sie sind die, die wirklich die Leidtragenden sind. Und die demografischen Belastungen haben wir Baby-Boomer im Grunde genommen auf die jungen Schultern überwälzt. Die Jungen sind diejenigen, die die politische Minderheit darstellen. Wir als Alte sind die politische Mehrheit und wir schneiden uns von diesem Kuchen, den wir an Wertschöpfung jedes Jahr bereitstellen, immer größere Teile ab. Dabei bleiben dann nur immer kleinere Teile für die, die diese Wertschöpfung dann letztlich auf die Beine bringen. Letztlich haben wir in Deutschland im Grunde genommen schon jetzt quasi so eine Art großes Altersheim vor uns, wo letztlich viele Menschen nicht mehr an der Wertschöpfung beteiligt sind, sondern im Grunde genommen von dem Geld der anderen leben müssen.

Bernd Raffelhüschen warnt: Baby-Boomer bringen Sozialstaat in Deutschland an die Grenzen - Doch das ist die Lösung

BÖRSE ONLINE: Und was, was können wir denn da jetzt tun? Weil einerseits wir wollen ja dann auch keine weitere Spaltung der Gesellschaft, wir wollen auch nicht also die Generationen gegeneinander ausspielen, auch wenn sie jetzt gesagt haben, sie sind schuld, dass es meiner Generation schlechter geht. Was, was kann man denn da jetzt konkret tun oder bzw. was müsste der Staat tun?

Bernd Raffelhüschen: Wir müssen Gerechtigkeit und Gleichbehandlung einfordern. Das Beitragsprimat sagt ganz einfach: gerecht ist, wenn alle Generationen den gleichen Satz an die Rentenversicherung zahlen. Also wenn mein Vater, ich selbst und auch Sie als Generation jeweils 20 Prozent in die Rente zahlen, dann ist das gleich und damit gerecht. Es ist nicht gerecht, wenn meine Generation und die Generation meiner Väter und Mütter das Gleiche gezahlt haben, aber meine Kinder dann entsprechend 25 Prozent oder mehr mit den entsprechenden Steueräquivalenten dann zugerechnet bezahlen. Die Frage ist nun, was ist gerecht in diesem Kontext? Und da muss man ganz klar adressieren: Wer ist der Verursacher der Tatsache, dass wir sehr viele Alte und viel mehr Alte sind? Und wer hat verursacht, dass die Beitragszahler, die das zu schultern haben, wenige sind? Und das ist ganz, ganz klar adressiert. Meine Generation, wir, die geburtenstarken Jahrgänge, wir haben doch Sie zu wenig in die Welt gesetzt. Wir sind das Problem für die Rentenversicherung, das Problem in der Krankenversicherung. Und zugleich sind wir diejenigen, die das Problem verursacht haben, das sie selbst darstellen.

Professor Raffelhüschen: So lösen wir das Problem der Staatskasse wieder

BÖRSE ONLINE: Doch wie kommen wir nun aus diesem Dilemma wieder heraus? 

Bernd Raffelhüschen: Die Wählermehrheit ist in meiner Generation. Der Medianwähler ist inzwischen älter als 55. Für mich bedeutet dies, dass die jungen Generationen es schaffen müssen, eine Koalition zu schließen mit den Kinderhabenden meiner Generation. Denn das sind die, die sie in eine politische Mehrheit bringen können. Das muss uns gelingen, jenseits von Parteigrenzen, also einfach nur über die Generationen hinweg eine Solidarität zwischen den Alten und den Jungen zu setzen. Wenn uns das gelingt, eine solche politökonomische Mehrheit zu erzeugen, dann werden die Reformen auch glaubwürdig vertretbar sein von Politikern, die das umsetzen.

Warum die Rente aktuell nicht mehr das größte Problem in Deutschland ist, warum die Migration in der jetzigen Form nicht funktioniert und welche Überraschungen Bernd Raffelhüschen noch in diesem Jahr auf uns zukommen sieht, das sehen Sie jetzt im neuen Video auf unserem Youtube-Kanal BÖRSE ONLINE.

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