Das Nominalvolumen der im US-­Bankensektor gehandelten Finanzderivate ist gigantisch. Für Futures, Forwards, Optionen, Swaps und Kreditderivate melden die dortigen Finanzinstitute regelmäßig Aktivitäten im Wert von über 200 Billionen US-Dollar pro Quartal. Größter Derivatehändler der USA ist JP Morgan, gefolgt von der Citibank, Goldman Sachs und der Bank of America. Die US-Bankenbranche betont dabei ­immer wieder, dass die Derivate mit Gegengeschäften ausreichend abgesichert seien - selbst wenn die Höhe der Derivate­positionen die Vermögenswerte der Geld­institute um ein Vielfaches übersteigt.

Diese Beteuerungen mögen deutsche Privatanleger beruhigen, die am US-­Derivatemarkt mitmischen. Neben komplexen Finanzprodukten müssen sie sich allerdings zusätzlich mit komplizierten amerikanischen Steuervorschriften auseinandersetzen. Seit dem 1. Januar 2017 regelte etwa die Section 871 (m) des US-Steuergesetzes eine US-Quellensteuer für sogenannte dividendenäquivalente Zahlungen. Sie galt für ab diesem Zeitpunkt emittierte Derivate und somit auch für Zertifikate und Optionsscheine, welche sich auf US-Aktien beziehen, die Dividenden ausschütten.

Wenn eine US-Aktiengesellschaft Dividenden ausschüttet, rechnet der Emittent diese Ausschüttung häufig in den Preis des Derivats - zum Beispiel eines Zertifikats - auf diese Aktie mit ein. Das führt zu einer Wertsteigerung und gilt als dividendenäquivalente Zahlung. Genau hier setzt die US-Quellensteuer an. Sie wird erhoben, auch wenn der Anleger keine direkte Zahlung erhalten hat. Einbehalten wird die Pauschalabgabe im Regelfall von dem Emittenten des US-Derivats.

Steuerregeln nach Produkt spezifiziert

In den Jahren 2017 und 2018 waren nur US-Derivate mit einem Delta von eins von dem US-Quellensteuerabzug betroffen. Das Delta ist eine Maßzahl für das Verhältnis zwischen Wertveränderungen des Derivats und Wertveränderungen des Basiswerts. Zu den betroffenen Derivaten gehörten Index- und Partizipationsscheine - sofern sie keinen qualifizierten Index nachbilden, Outperformance- und Sprint-, Faktor- sowie Knock-out-Zertifikate, Optionsscheine und Discount- sowie Bonuszertifikate.

Das Delta informiert im Übrigen den Anleger, um wie viel sich der Wert eines Derivats ändert, wenn der Preis des Basiswerts um eine Einheit steigt oder fällt. Diese Kennzahl ist auch ein wichtiges Analyseinstrument bei der Kursabsicherung von Wertpapierdepots, dem sogenannten Hedging. Nicht vom US-Quellensteuer-Einbehalt betroffen waren dagegen bis Ende 2018 Put- und Bear-Produkte, Kapitalschutzzertifika­te, strukturierte Anleihen, Aktienanleihen sowie Zertifikate und Optionsscheine, die einen qualifizierten Index abbilden. Für US-Derivate, die vor dem 1. Januar 2017 emittiert und gekauft wurden, gilt zudem ein Bestandsschutz, am US-Finanzmarkt auch "grandfathering" genannt.

Maßgebliches Gesetz erneut verschärft

Seit dem 1. Januar 2019 gilt eine verschärfte Regelung. Dem Steuerabzug unterliegen seit Jahresanfang alle Derivate, die im Jahr 2019 oder auch später emittiert werden und die Kursentwicklung des Basis­werts zu mindestens 80 Prozent abbilden. Das entspricht einem Delta von 0,8. Häufig werden dabei 30 Prozent US-Quellensteuer abgezogen, obwohl die USA und Deutschland ein Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen haben, das für Steuerzahler in Deutschland einen reduzierten Quellensteuersatz von lediglich 15 Prozent vorsieht.

Böse Überraschung droht

Zunächst werden aber 30 Prozent abgezogen, wenn der Emittent die Steuer abführt. Denn er ist über die persönliche steuerliche Situation des einzelnen Investors nicht im Bilde - zum Beispiel kann er die Ansässigkeit des Anlegers in Deutschland nicht prüfen. Daran ändert auch die Registrierung der eigenen Depotbank als sogenannter Qualified Intermediary gegenüber den US-Behörden nichts (siehe unten).

Diese rechtliche Änderung bekam auch ein BÖRSE ONLINE-­Leser zu spüren, der vor Kurzem die ersten Dividendenersatzzahlungs-Bescheinigungen, respektive Dividend Equivalent Payment (DEP) nach US-Section 871 (m), zugeschickt bekam. Sie dokumentieren 30 Prozent einbehaltene Quellensteuer bei seinen "Derivaten mit US-Underlying". Und das, obwohl er als in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtiger durch seine deutsche Depotbank als "Qualified Intermediary" bei der US-Steuerbehörde IRS registriert ist.

Anlass zur Beunruhigung besteht für deutsche Derivateanleger dennoch nicht: Zu viel einbehaltene US-Quellensteuer können auch in Zukunft zurückgefordert werden. Das Prozedere dafür vollzieht sich in mehreren Schritten.

Sofern der Emittent des Derivats US-Quellensteuer einbehalten hat, muss die Depotbank zunächst eine US-Steuerbescheinigung (Formular 1042-S) ausstellen. Die meisten Banken erstellen diese Steuerbelege innerhalb des ersten Quartals des Folgejahres für das abgelaufene Vorjahr. Die einbehaltene US-Quellensteuer kann man sich anschließend durch Abgabe einer US-Einkommensteuererklärung für das betreffende Veranlagungsjahr von den amerikanischen Steuerbehörden erstatten lassen.

Detaillierte Informationen für Derivateanleger gibt es dazu im Internet unter dem Link www.irs.gov/individuals/international-taxpayers/taxation-of-nonresident-aliens. Für Steuerausländer hat die US-Steuerbehörde IRS eine zentrale Zuständigkeit eingerichtet. Die ausgefüllte Steuererklärung ist in Papierform oder online beim Internal Revenue Service (P.O. Box 1303, Charlotte, NC 28201-1303, U.S.A.) einzureichen.

In Zweifelsfällen Expertenrat einholen

Das Ausfüllen der US-Steuerformulare in englischer Sprache kann für steuerliche Laien sehr kompliziert werden. Liegen entsprechende Derivate im Depot, empfiehlt es sich, einen im US-Steuerrecht ­versierten Steuerberater damit zu beauftragen. Da die Mandatierung weitere Kosten verursacht, ist eine

Quellensteuerrückforderung in den USA nur bei größeren Beträgen überhaupt sinnvoll. Bei US-Dividenden lässt sich eine Doppelbelastung mit der Quellen­- steuer dagegen komplett vermeiden, wenn die richtige Depotbank ausgewählt wird.



Steuern auf US-Ausschüttungen: Depotbank wichtig


Der US-Fiskus verlangt auf die Dividenden von börsennotierten Firmen mit Sitz in den Vereinigten Staaten eine Quellensteuer in Höhe von 30 Prozent. Davon wird die Hälfte (15 Prozent) in Deutschland steuerpflichtigen Anlegern auf die heimische Steuerschuld angerechnet. Die in den USA abgezogenen 15 Prozent sind durch die Abgabe einer US-Einkommensteuererklärung rückholbar.

Abruf von US-Steuerformularen
Bei der US-Steuerbehörde IRS sind die erforderlichen Steuerformulare unter www.irs.gov downloadbar. Zum Ausfüllen sind gute Englischkenntnisse erforderlich. Alternativ kann man die Arbeit an Steuerberater delegieren. Das lohnt sich nur bei größeren Summen.

Qualifikation der Depotbank
Wer in den USA investieren will, kann mit einem einfachen Trick unnötige Scherereien und Steuerabzüge vermeiden: Indem für die eigenen Investments eine Depotbank ausgewählt wird, die sich bei den US-Behörden als "Qualified Intermediary" (QI) hat registrieren lassen. Fragen Sie vor einem Kauf von US-Aktien bei Ihrer Bank nach. Erfüllt diese die Bedingung, werden von US-Dividenden nämlich nur noch 15 Prozent Quellensteuer einbehalten, die der deutsche Fiskus dann in voller Höhe auf die deutsche Steuerschuld anrechnet.

Deutsche Institute mit QI-Status
QI-Status haben die großen deutschen Direktbanken wie Comdirect, Consorsbank, DAB Bank, DKB, ING, Maxblue, Onvista Bank, S Broker, die BIW Bank (Depotbank von Flatex), aber üblicherweise auch die großen Geschäftsbanken. Gut zu wissen: Bei ­ausländischen Brokern ist zumeist das "W8-Formular" der IRS auszufüllen, um den Abzug zu verhindern.