Der frühere ifo-Präsident Hans-Werner Sinn sieht Deutschland in einer tiefen Krise. In einem Youtube-Interview mit BÖRSE-ONLINE kritisiert er, viele der Gesetzgebungen der EU in den vergangenen Jahren seien zum Nachteil Deutschlands ausgefallen. Die Firmen würden überfordert.
Der Ökonom Hans-Werner Sinn sieht mit einer Mischung aus Ungläubigkeit und Ärger auf die aktuelle Lage in Deutschland. Im Interview mit dem Youtube-Kanal von BÖRSE ONLINE sagte Sinn, Deutschland jammere nicht etwa auf hohem Niveau, sondern „die Probleme sind auf hohem Niveau und wir bejammern sie noch nicht richtig.“ Das Land habe „erhebliche Probleme in der Industrie, die schrumpft. Eine Deindustrialisierung findet seit 2018tatsächlich statt." Es sei aber leider „nicht das erste Mal, dass wir darüber reden und dass die Ökonomen warnen.“
„Die Politik ist eigentlich immer nur störend“
Die Frage, welche Maßnahmen die deutsche Politik nun am dringendsten ergreifen müsse, wies Sinn zurück. Auslöser der aktuellen Malaise seien vor allem äußere Umstände wie der Ukraine-Krieg oder der Zollstreit mit den USA. „Glauben Sie doch nicht, dass die Politik das ändern kann. Wir haben eine Marktwirtschaft und die Marktwirtschaft muss sich anpassen an die weltwirtschaftliche Situation. Die Politik ist eigentlich immer nur störend.“
„Unsere Handelsbeziehungen zu Russland sind unterbrochen. Wir haben die Rohstoffe nicht mehr, wir haben die billige Energie nicht mehr.“ Allerdings habe die Politik der EU vieles noch schlimmer gemacht. Darunter leide Deutschland als größte Industrienation in Europa besonders: „Gleichzeitig haben wir natürlich Politik aus Brüssel, die darauf hinausläuft, dass die Automobilindustrie schrumpfen muss, weil die Verbrennerprodukte ja nicht mehr erlaubt sind“, sagte Sinn.
„Da kann man ja nur noch fliehen aus Europa“
„Wir sind überzogen worden mit einem Netz dirigistischer Maßnahmen von Brüssel aus. Diese ganzen Verordnungen, die ESG-Gesetzgebung. Die Firmen müssen dokumentieren, wo ihre Vorprodukte herkommen, ob soziale Standards eingehalten wurden. Und sie müssen auch dafür geradestehen, dass die Vorproduzenten der Vorproduzenten diese Standards einhalten. (…) Vollkommen unmöglich, das zu tun. Da kann man ja nur noch fliehen aus Europa.“
„Das Rezept für eine wahre Katastrophe“
Die letzten zehn Jahre der Gesetzgebung aus Brüssel seien zusammen mit einigen rot-grünen Gesetzen „geradezu das Rezept für eine wahre Katastrophe. Und diese Katastrophe gesellt sich hinzu zu der Politischen, die in Form dieses Krieges besteht.“
Deutschland sei angesichts der Bedrohung durch Russland jetzt gezwungen aufzurüsten, was auch „einen gewissen konjunkturellen Impuls“ auslösen könne. „Aber Wachstum entsteht ja nicht im eigentlichen Sinne, sondern Rüstungsgüter sind Güter, die verbraucht werden und jedenfalls keinen Beitrag zur Vergrößerung der Produktionskapazität unserer Volkswirtschaft leisten.“
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Welche Punkte Hans-Werner Sinn noch nennt, wie er die Investitionen in Deutschland wieder ankurbeln würde, was er zu den Plänen von Donald Trump sagt, wie er Russland einschätzt und warum er sich in seinem neuen Buch für eine gemeinsame europäische Verteidigungspolitik ausspricht, sehen Sie im kompletten Interview auf dem Youtube-Kanal von BÖRSE ONLINE.
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