Verrückte Zeiten. An Fronleichnam fuhr der DAX den größten Tagesverlust seit drei Monaten ein. Um 560 Punkte oder 4,5 Prozent ging es mit dem deutschen Leitindex abwärts. Erstmals seit Ende Mai schloss er damit wieder unter der Marke von 12 000 Punkten. Vorausgegangen waren elf Tage, in denen der Index um fast 19 Prozent bis auf 12 913 Zähler geklettert war. Verrückte Zeiten.

Kaum anders lief es an der Wall Street. Der Dow Jones Industrial brach am Donnerstag gleich um 6,9 Prozent ein - der größte prozentuale Tagesverlust seit März. Schuld daran soll ein pessimistischer Konjunkturausblick der US-Notenbank Fed gewesen sein. Die Corona-Krise werde die Wirtschaft, den Arbeitsmarkt und die Inflation stark belasten, warnte Fed-Chef Jerome Powell. Es bestünden erhebliche konjunkturelle Risiken. "Das ist der größte wirtschaftliche Schock, an den wir uns erinnern können", sagte er. Die Fed tue alles, um die Menschen wieder in Lohn und Brot zu bringen. "22 Millionen Menschen - irgendwie müssen wir ihnen als Land Arbeit verschaffen. Sie haben nichts falsch gemacht. Das war eine Naturkatastrophe." Für dieses Jahr rechnet die Notenbank damit, dass die Wirtschaft um 6,5 Prozent schrumpfen wird, gefolgt von einem Wachstum von fünf Prozent im kommenden Jahr. Die Zinsen würden daher wohl noch für Jahre an der Nulllinie bleiben.

Neue Verluste


Auch zu Beginn der neuen Börsenwoche gab es am deutschen Aktienmarkt zumeist Verluste. Der DAX knüpfte damit nahtlos an seine schlechte Performance der Vorwoche an. Beherrschend sind aktuell vor allem die Angst vor einer zweiten Infektionswelle durch das Coronavirus und die Befürchtung, die Wirtschaft könnte noch sehr lange Zeit darben. Viele Börsianer hatten auf eine steile V-förmige Erholung der Wirtschaft gehofft. Möglicherweise verläuft der Aufschwung aber schleppender und eher W-förmig.

In der Vorwoche hatte zunächst der schwächere Ausblick der US-Notenbank zu hohen Kursverlusten geführt. Am Wochenende sorgten dann Konjunkturdaten aus China für neuen Abgabedruck. Chi nas Industrieproduktion stieg im Mai zwar um 4,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr, Analysten hatten jedoch nach der Wiederaufnahme des Wirtschaftslebens mit einem Gewinn von fünf Prozent gerechnet. Auch die Einzelhandelsumsätze gingen stärker als erwartet um 2,8 Prozent zurück.

Neue Virusfälle in Peking und ein Anstieg der Fallzahlen in den USA schürten zudem die Angst vor einer zweiten Corona-Welle. Einen Lockdown der globalen Wirtschaft wie in der ersten Phase erwarten die meisten Analysten trotzdem nicht. Anleger sollten daher jetzt besser Ruhe bewahren und Verluste auch mal aussitzen. Denn an der Börse - das hat die Vergangenheit oft gezeigt - sind Angst und Panik oft schlechte Ratgeber.

Große Chancen auf Kurserholung


Hoffnung auf einen Rebound nach den jüngsten Kursverlusten macht die Statistik, zumindest in den USA: Seit 1952 ist der marktbreite S & P 500 28-mal um fünf Prozent oder mehr eingebrochen. Ein Jahr nach dem Ausverkauf notierte der Index im Schnitt aber wieder um fast 20 Prozent höher. Die Chancen stehen gut: Die statistische Wahrscheinlichkeit für ein Kursplus liegt bei über 80 Prozent. Und selbst wenn es kurzfristig an den Börsen wieder holpriger zugeht, langfristig bleiben die Aussichten für Aktionäre gut: Angesichts einer historischen Geldflut der Notenbanken sind Aktien als Investments weiterhin alternativlos.

Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com