Die Abschaffung des Bargelds wäre für Max Otte gleichbedeutend mit dem Ende der Privatsphäre. Deshalb hat der 51-Jährige jetzt im Internet mit www.rettet-unser-bargeld.de eine entsprechende Initiative gestartet.

Börse Online: Herr Professor Otte, Ihr neues Buch, ...


... das Sie gerne als Streitschrift bezeichnen dürfen, ...

... heißt "Rettet unser Bargeld". Wie akut ist das Thema denn aus Ihrer Sicht?


Wenn Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble schon offen von einer Obergrenze von 5000 Euro pro Zahlungsvorgang spricht, ist es sehr akut. Und bei den 5000 Euro wird es sicher nicht bleiben.

Sie gehen davon aus, dass die Obergrenze immer weiter heruntergefahren wird?


Natürlich. Nicht nur in Italien haben Sie Schwierigkeiten, an mehr als 1000 Euro in bar zu kommen. Auch in Deutschland werden Sie wie ein Aussätziger behandelt, wenn Sie größere Geldbeträge abheben wollen. Einige regionale Institute haben bereits Limits von weit unter 5000 Euro pro Tag eingeführt. Die US-Bank JP Morgan verbietet ihren Kunden mittlerweile sogar die Aufbewahrung von Bargeld in Schließfächern und Tresoren!

Was soll das?


Die politische Absicht dahinter ist es, die Menschen zu verängstigen und dem Bargeld den Anstrich des Illegalen zu verpassen - mit der Folge, dass in naher Zukunft keine ökonomisch relevanten Transaktionen mehr in bar abgewickelt werden können.

Aber ist das nicht sinnvoll, um Steuerhinterziehung und Geldwäsche zu verhindern?


Wenn Sie einen Gebrauchtwagen für 10 000 oder 15 000 Euro von privat kaufen, dann läuft das in aller Regel so ab, dass Sie das Geld in bar dabeihaben und es dem Käufer übergeben, nachdem Sie die Ware geprüft haben. Nichts daran ist illegal, nichts an der Transaktion unterliegt irgendeiner Steuerpflicht. Warum also soll es nun verboten werden?

Eben. Warum?


Das Ganze steht unter dem Motto: Prima leben ohne Privatsphäre! Wir durchlaufen einen Wandel von der Demokratie zum totalen Überwachungsstaat. Ohne Bargeld können Geld- und Warenströme leichter gelenkt und individuelle Preise festgesetzt werden.

Sie spielen auf die Horrorvision an, die Krankenkasse könnte einen Zusatzbeitrag fordern, wenn nachvollziehbar ist, dass man regelmäßig Alkohol und Zigaretten kauft?


Zum Beispiel. Wobei das vielleicht sogar noch zu rechtfertigen wäre: höheres Risiko gleich höherer Versicherungsbeitrag. Was mir mehr Sorge macht, ist, dass wir uns völlig den Banken und den - fast ausschließlich amerikanischen - Kreditkartenfirmen und Zahlungsabwicklern wie Visa, Mastercard und Paypal ausliefern. Mir jedenfalls ist nicht sonderlich wohl bei dem Gedanken, dass jeder meiner Einkäufe auf deren Servern gespeichert wird.

Viele Kritiker vermuten, die Hauptintention der Bargeldabschaffung liege darin, den Negativzins auch bei Kleinsparern durchzusetzen. Das geht nicht, solange Geld unterm Kopfkissen aufbewahrt werden kann.


Exakt, das ist der Plan. Und gleichzeitig tut man etwas zur Stützung der Banken, die unter den Negativzinsen leiden. Die können sich dann schöne Zinsmargen herausschnitzen und neue Gebühren einfallen lassen. Das ist Geldschöpfung aus dem Nichts für die Banken - modernes Raubrittertum, Wegelagerei. Zudem verhindert man so einen Bank-run, weil es ja nichts mehr abzuheben gibt.

Könnte es nicht sein, dass man das Gegenteil bewirkt: einen Bankrun am Vorabend der Bargeldabschaffung?


Davon gehe ich nicht aus, weil die Abschaffung schrittweise und von viel Propaganda begleitet stattfinden wird. Außerdem ist die Abschaffung des Bargelds etwas Abstraktes, die Bankenregulierung auch - die Flüchtlingskrise hingegen ist für jedermann sichtbar, deshalb regen sich die Menschen darüber mehr auf. Während der Finanzkrise war die Empörung groß, aber heute nimmt man apathisch zur Kenntnis, dass die Banken genauso - oder schlimmer! - weiterwirtschaften wie vorher. Das Volk ist eingelullt.

Was kann der Einzelne tun?


So viel wie möglich bar bezahlen. Der positive Nebeneffekt wäre, dass der lokale Einzelhandel nicht völlig unter der Internetkonkurrenz zusammenbricht. Zudem sollten Sie Gold und - so lange es geht - etwas Bargeld vorhalten, am besten zu Hause im Tresor oder zumindest in einem sehr guten Versteck.