Nach dem massiven Einbruch im März ist die Automobilproduktion in China im April um das Vierfache gestiegen und läuft nun wieder auf 80 Prozent des Vor-Corona-Niveaus. Das zeigt, was nun in Europa zu erwarten ist, wo die Werke ebenfalls wieder geöffnet werden.

Das sollte die Nachfrage nach Platin beflügeln, die sich wegen des Lockdowns deutlich reduziert hatte. Immerhin ist die Autobranche für rund 35 Prozent des globalen Bedarfs an dem Weißmetall verantwortlich. Platin wird vorwiegend in Katalysatoren von Dieselfahrzeugen, die schwerpunktmäßig in Europa gefahren werden, eingesetzt. Dass der Preis des Metalls im Zuge der Corona-Krise nicht noch stärker fiel, als es sowieso schon der Fall war, lag daran, dass es zu Lieferschwierigkeiten aus Südafrika kam.

In dem Land werden rund drei Viertel des globalen Platinangebots gefördert. Dort waren viele Minen geschlossen, oder es wurde nur mit etwa 50 Prozent Auslastung gearbeitet, weil etliche Arbeiter wegen der Pandemie zu Hause bleiben mussten. Nach einer Schätzung des Unternehmens Mitsubishi Corporation International dürfte das Platinangebot am Kap aufgrund der Beschränkungen um etwa sieben Prozent oder 200.000 Unzen zurückgegangen sein.

Das trug dazu bei, den Nachfragerückgang aus dem Autosektor in weiten Teilen auszugleichen. Doch trotz der Wiedereröffnung der Minen "werden sich die negativen Auswirkungen über die Schließung hinaus und bis in die Anlaufphase hinein fortsetzen", ist Arnold van Graan, Edelmetallanalyst bei der Nedbank, vorerst skeptisch, was die Menge an gefördertem Platin betrifft.

Risiken bei tief liegenden Minen

Denn einige der großen Bergwerke liegen tief und reichen bis zu vier Kilometer in den Untergrund. Bei solchen Förderstätten erhöht sich bei einer Stilllegung das Risiko von Steinschlägen und Erdstößen, was die Rückkehr zu alten Produktionsniveaus verzögert. Das in den kommenden Wochen verringerte Platinangebot könnte daher das Edelmetall kurzfristig verteuern und zwischendurch zu Preisspitzen führen. Zumal die Gefahr einer zweiten Infektionswelle besteht, was zu erneuten Ange- botsengpässen führen könnte.

Jedoch ist fraglich, ob die Nachfrage nach Autos wegen Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit in Europa rasch wieder auf alte Niveaus ansteigt. Aneeka Gupta, Analystin bei Wisdomtree, einem Anbieter von Rohstoff-ETFs, sieht aber nicht zu schwarz für den Platinbedarf aus der Autobranche: "Die weltweite Tendenz zu strengeren Emissionsvorschriften dürfte zu höheren Anteilen von Platin in Fahrzeugen führen", glaubt sie.

Vorerst sollte der Preisdruck also vorwiegend von der Angebotsseite kommen. Mittelfristig kann der Platinpreis aber von einer Neuentwicklung profitieren. Bisher wird in Katalysatoren von Benzinmotoren fast ausschließlich Palladium genutzt. BASF, weltweit zweitgrößter Katalysatorhersteller, entwickelt zusammen mit zwei der wichtigsten südafrikanischen Platinförderer, Sibanye-Stillwater und Impala-Platinum, einen Katalysator für Benzinautos, der 20 bis 50 Prozent des verbauten Palladiums durch Platin ersetzen kann.

Eine Frage der Temperatur

Da Palladium aktuell fast zweieinhalbmal teurer als das Schwestermetall Platin ist, könnten die Kosten durch den Einsatz von Platin erheblich reduziert werden. Der Hauptgrund, das billigere Metall in Benzinmotoren nicht zu verwenden, ist bisher, dass es nicht so hitzebeständig ist wie Palladium. Zudem ist es schwieriger, damit die strengen Emissionsvorschriften zu erfüllen.

In einer Analystenkonferenz zeigte sich der CEO von Sibanye-Stillwater, Neal Froneman, aber optimistisch, dass die noch bestehenden technischen Probleme zusammen mit BASF bald gelöst sind und innerhalb von 18 bis 24 Monaten ein solcher Katalysator verwendet werden könnte. In einer gemeinsamen Erklärung der drei Unternehmen stellten diese einen großflächigen Einsatz ihres Katalysators für das Jahr 2023 in Aussicht, für einige Modelle bereits im Jahr 2022.

Möglicher Schub für Platinpreis

Analysten schätzen, dass durch die technische Innovation zwischen 300.000 und 500.000 Unzen Palladium pro Jahr durch Platin ersetzt werden könnten. Das würde dem Platinpreis mittelfristig wohl einen kräftigen Aufwärtsschub verleihen.

Kurzfristig spricht auch die hohe Investorennachfrage für höhere Platinpreise. Wegen der Unsicherheit an den Kapitalmärkten flüchten Anleger in Edelmetalle. Händler berichten von enorm hoher Nachfrage nach Platinmünzen und -barren und davon, dass Kunden bereit seien, ungewöhnlich hohe Aufschläge dafür zu bezahlen.

Da die weltweite Rezession noch länger anhalten dürfte, wird sich daran vorerst wohl kaum etwas ändern. Das verspricht gute Aussichten für höhere Platinpreise. Mit einem ETC (Exchange Traded Commodity) von WisdomTree (ISIN: DE 000 A0N 62D 7) auf Physical Platinum können Anleger darauf setzen. Da Platin in US-Dollar notiert, besteht ein Währungsrisiko zum US-Dollar. Die Jahresgebühr des ETCs beträgt 0,49 Prozent.