Telekom-Aktionäre dürften sich derzeit verwundert die Augen reiben. Während der DAX schwer angeschlagen auf dem tiefsten Stand seit Anfang 2017 eine Bodenbildung versucht, notiert die Telekom-Aktie auf dem höchsten Niveau seit rund zwölf Monaten. Der Trend zeigt wieder stramm aufwärts, die Papiere glänzen mit Relativer Stärke. Anleger müssen aber noch weitere Faktoren beachten.

Fundamental ist die Telekom-Story durchaus interessant und untermauert die positive Charttechnik. Nach besser als erwarteten Zahlen für das abgelaufene dritte Quartal erhöhte das Management zuletzt zum dritten Mal in diesem Jahr den Ausblick für das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen sowie den Free Cashflow.

Die optimistischere Prognose basiert vor allem auf der unverändert erfreulichen Entwicklung bei der einst unliebsamen Tochter T-Mobile US. Nach wie vor läuft es in Amerika rund, die Zahl der Mobilfunkkunden kletterte von 72,6 Millionen Ende 2017 auf 77,2 Millionen. Aber auch in den anderen Sparten zeigt der Pfeil aufwärts. In Deutschland konnten mit Ausnahme des klassischen Festnetzgeschäfts die Kundenzahlen durchweg gesteigert werden. Nur das Systemgeschäft zieht erst allmählich an, eine Trendwende ist hier noch fraglich. Die Restrukturierung steht noch ganz am Anfang.

Hohe Rendite sichert ab



Obwohl die Bonner sogar höhere Barmittelzuflüsse erwarten, soll die Dividende unverändert bei 0,7 Euro je Papier bleiben. Hier hatten einige Anleger auf eine Erhöhung gehofft, weil die Telekom die Ausschüttung an den Free Cashflow gekoppelt hat. Dennoch dürfte der Wert weit oben auf der Liste von Dividendenjägern stehen. Mit einer Verzinsung von 4,7 Prozent zählt die Telekom-Aktie zu den attraktivsten Titeln im Blue Chip-Segment. Zusätzliche Fantasie entfacht aber auch die operativ weiter starke Entwicklung von T-Mobile US und die angestrebte Fusion mit Sprint. Im kommenden Jahr wird die Genehmigung der amerikanischen Wettbewerbsbehörden erwartet. Die daraus resultierenden Synergien dürften im Kurs noch nicht eingepreist sein.

Etwas gebremst wird die Laune derzeit nur durch die Bewertung. Mit einem 2019er-KGV von 14 ist die Aktie zwar im historischen Vergleich nicht teuer, gegenüber den Branchenwerten in Europa müssen Anleger aber vergleichsweise tief in die Tasche greifen. BT Group, Orange, Telecom Italia und Telefónica werden auf Basis der DZ Bank-Prognosen mit einem Faktor von 7,5 bis 12,5 gehandelt. Daraus errechnet sich ein Branchendurchschnitt von weniger als zehn.

Verlorenes Terrain wieder in Reichweite



Knapp 20 Prozent Gewinn seit dem Jahrestief im Februar sind eine starke Bilanz, die nur wenige DAX-Werte aufweisen. Anders als der Gesamtmarkt läuft der Kurs auch seit September wieder deutlich über der 200-Tage-Linie (violett). Der viel beachtete Durchschnitt dreht ganz allmählich nach oben - ein weiterer Beleg für eine nachhaltige Erholung.



Kurzfristig ist die Telekom-Aktie allerdings gut gelaufen, der Abstand von vier Prozent zum Monatsdurchschnitt (Indikator unter dem Chart) mahnt zur Vorsicht. Nur selten setzte sich der Kurs seit 2017 deutlicher vom Mittelwert nach oben ab. Ohnehin sollten Anleger keine Wunder erwarten. Seit 2015 pendelt die Aktie in weiten Schwüngen um 15,50 Euro. Ab Kursen von 15,90 Euro ist daher mit zunehmenden Gewinnmitnahmen zu rechnen.

Unter dem Strich bietet die Telekom-Aktie aus fundamentaler und charttechnischer Sicht aber einen guten Mix. Gerade in dem derzeit nervösen Umfeld erweist sich der Titel dank der unverändert guten operativen Entwicklung und hohen Dividendenrendite als Fels in der Brandung. Rücksetzer in den Bereich um 14,50 bis 14,70 Euro bieten sich zum Einstieg an.

Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast bei n-tv und dem Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD).