Das klassische Kerngeschäft mit Werbung steht bei Alphabet vor Herausforderungen, andere Bereiche wachsen hingegen. Welche Chancen bietet die Aktie jetzt noch?

Das klassische Kerngeschäft von Alphabets Tochter Google steht unter Druck, da generative KI-Modelle wie ChatGPT, Perplexity und andere Sprachassistenten das Suchverhalten von vielen Nutzern verändern. Laut Perplexity-AI-CEO Aravind Srinivas sei Googles Klick-basiertes Werbemodell strukturell unvereinbar mit der Zukunft autonomer KI-Agenten, die Aufgaben für Nutzer erledigen, ohne auf klassische Anzeigenklicks zu setzen. Google verdient Geld, wenn ein Nutzer einen bezahlten Link oder eine bezahlte Anzeige anklickt. Sprachmodelle wie ChatGPT fassen Inhalte zusammen, statt die Nutzer auf die jeweilige Website zu leiten. Bei dieser direkten Beantwortung findet häufig kein Klick mehr statt. 

Auch wenn Google weiterhin mit Abstand die Nummer 1 ist, die Konkurrenz wächst. ChatGPT hat seine globale Nutzerbasis seit 2024 verdoppelt und erreicht bereits einen Anteil von 8,5 Prozent bei Suchanfragen. Googles Marktanteil sank zuletzt auf unter 90 Prozent. Bislang macht sich das bei Umsätzen und Gewinnen nicht bemerkbar, jedoch könnte sich das ändern, falls Open-AIs Marktanteil bei Suchen weiterwächst.

Alphabet schaltet deshalb auf Angriff. 85 statt 75 Milliarden Dollar will der Konzern 2025 in den Bau von Rechenzentren investieren, um die wachsende Nachfrage nach Cloud-Dienstleistungen zu befriedigen. Gemessen am Umsatz ist die Alphabet-Tochter Google hinter Amazon Web Services (AWS) und Microsoft der kleinste der drei großen US-Cloud-Anbieter. Mit zahlreichen KI-Funktionen und selbst entwickelten KI-Prozessoren will der Konzern zu den Rivalen aufschließen und sich die Konkurrenz, vor allem bei Sprachmodellen, vom Leib halten.

Alphabet übertrifft noch Erwartungen

Dass der Aktienkurs trotz dieser Ankündigung nach der Veröffentlichung der Geschäftszahlen zulegen konnte, lag daran, dass es Alphabet gelang, die Erwartungen der Analysten für das zweite Quartal zu übertreffen. Der Konzernumsatz stieg im zweiten Quartal währungsbereinigt um 13 Prozent auf rund 96 Milliarden Dollar, der Nettogewinn um 19 Prozent auf 28,2 Milliarden Dollar. Dabei legten die Cloud-Erlöse mit 32 Prozent besonders stark zu. Die Werbeeinnahmen kletterten um mehr als zehn Prozent auf rund 71,3 Milliarden Dollar. „KI wirkt sich positiv auf alle Bereiche des Unternehmens aus und sorgt für eine star- ke Dynamik“, erläuterte Alphabet-Chef Sundar Pichai. So verdanke die Internetsuche ihr zweistelliges prozentuales Wachstum unter anderem den KI-Zusammenfassungen in den Ergebnislisten.

Alphabet (C) (WKN: A14Y6H)

Starkes Wachstum bei Waymo erwartet

Im Vorfeld war die Spannung groß, inwiefern sich Sprachmodelle wie ChatGPT auf die Einnahmen von Alphabets Tochter Google auswirken. Laut Medienberichten könnte OpenAI eine eigene Suchmaschine auf den Markt bringen, zudem hatte der ChatGPT-Entwickler Interesse an Googles Browser Chrome geäußert, sollte Alphabet im Rahmen des laufenden US-Kartellprozesses zu einer Veräußerung gezwungen werden. Bislang steuert der Werbeumsatz, der über die Internetsuche erzielt wird, den größten Anteil zu Umsatz und Gewinn von Alphabet bei. Auch der Umsatz der Videoplattform Youtube legte mit 13,1 Prozent auf rund 9,8 Milliarden Dollar stark zu.

Der Bereich Other Bets, zu dem der Bereich autonomes Fahren zählt, stieg um 2,2 Prozent auf 373 Millionen Dollar. Hier erwarten Analysten mittel- und langfristig starkes Wachstum. Die Alphabet-Tochter Waymo gilt als führend, was das autonome Fahren betrifft. Während Tesla erst vor Kurzem nach zahlreichen Verschiebungen seinen Robotaxiservice mit 20 Fahrzeugen und Sicherheitsfahrern in Austin startete, betreibt die Alphabet-Tochter schon seit 2017 in Phoenix einen solchen Dienst. 2022 kam San Francisco hinzu, 2023 Los Angeles. 2024 vereinbarte Waymo eine Partnerschaft mit Uber, um seinen Service auf die Städte Austin und Atlanta auszuweiten. Zukünftig sollen auch Miami und Washington, D.C. bedient werden. In Tokio startete Waymo mit der Kartierung, um den dortigen Markteintritt voranzutreiben. Basierend auf der letzten Finanzierungsrunde von Waymo kommt die Sparte auf einen Wert von über 45 Milliarden Dollar. Analysten von Morgan Stanley prognostizieren, dass Waymo 2025 erheblich wachsen wird, mit einem erwarteten Umsatz von rund 181 Millionen US-Dollar allein aus ihren Hauptmärkten Phoenix, San Francisco, Los Angeles und Austin.

Ist das die Zukunft von Alphabet?

Die Fahrgastzahlen von Waymo steigen schnell: Im Mai 2025 erreichte Waymo über zehn Millionen autonom absolvierte Fahrten.
Auch was die Technik betrifft, gilt Waymo bislang als überlegen. Die Alphabet-Tochter setzt bei ihren autonom fahrenden Taxis sowohl auf Kameras als auch auf Lidar-Sensoren, während Tesla nur Kameras verwendet. Dies wurde bereits vielfach aufgrund von Sicherheitsbedenken kritisiert. Tests belegen, dass die Technik von Tesla bei Nebel, Regen oder bei grellem Licht Probleme hat.

Zudem kann es bei Systemen, die lediglich auf Kameras setzen, zum sogenannten Phantom Braking kommen, bei denen die KI Objekte halluziniert, was zu Fehlentscheidungen wie abruptem Abbremsen ohne Grund führen kann. Raj Rajkumar, Professor für Ingenieurwesen an der Carnegie Mellon University, gab zu bedenken, dass manche Probleme, wie das Einfahren in die falsche Fahrspur, wahrscheinlich durch mehr Trainingsdaten behoben werden könnten. Vorfälle wie Phantombremsungen könnten dabei aber möglicherweise einen Fehler im Design des Robotaxis von Tesla aufgedeckt haben.

Autonome Robotaxis gelten als einer der größten Zukunftsmärkte der Mobilitätsbranche. Analysten schätzen, dass der Markt für Robotaxis bis 2035 ein jährliches Umsatzvolumen von bis zu 500 Milliarden Dollar erreichen könnte. Das Potenzial ist deshalb so groß, weil Robotaxis Fahrten deutlich günstiger anbieten können als heutige Fahrdienste, weil die Kosten für Fahrer entfallen. Gleichzeitig steigt die Nutzung pro Fahrzeug — ein autonom betriebenes Auto kann theoretisch rund um die Uhr im Einsatz sein. Das schafft Skaleneffekte und attraktive Margen.

Hinweis: Der Artikel stammt aus der aktuellen Heftausgabe von BÖRSE ONLINE (31/25), die SIe hier finden.

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