Das wünscht man niemandem. Mitten im Flug fliegt plötzlich ein großes Kabinenteil mit Fenster weg. Passiert ist das in der Nacht zum Samstag bei einer Boeing 737 Max 9. Die Maschine musste notlanden, alle Passagiere blieben weitgehend unverletzt. Der dramatische Vorfall führt am Montag zu einem dramatischen Kurssturz der Boeing-Aktie.

Dramatischer Zwischenfall während eines US-Inlandsflugs am vergangenen Freitag: Eine erst seit November im Dienst befindliche neue Boeing 737 Max 9 von Alaska Airlines verliert in knapp 4.900 Metern Höhe plötzlich ein Kabinenteil inklusive Fenster. Das große Loch (siehe Foto) entstand an einer Stelle, an der manche Fluggesellschaften einen zusätzlichen Notausgang einbauen. Der ist dann nötig, wenn man mehr Sitze in diesen Flugzeugtyp einbaut. Die meisten Airlines verwenden diesen aber nicht. Die Stelle hinten am Rumpf wird dann mit einem Paneel mit einem Fenster abgedeckt und versiegelt.

Das Bauteil flog während der Startphase eines US-Inlandsflugs vom Flughafen Portland in Oregon nach Ontario in Kalifornien, östlich von Los Angeles. Alle 177 Menschen an Bord kamen mit dem Schrecken davon. Die Piloten konnten mit der Maschine umkehren und in Portland notlanden. Die US-Verkehrssicherheits-Behörde NTSB erklärte, die Ursache des Vorfalls sei noch unklar.

Die NTSB-Vorsitzende Jennifer Homendy sagte, es sei großes Glück, dass der Vorfall nicht tragischer ausgegangen sei. Teile des glücklicherweise unbesetzten Sitzes neben dem herausgebrochenen Teil des Rumpfes und die Kopfstütze fehlten.

Eine Boeing 737 Max 9 von Alaska Airlines mit großem Loch
Foto: Twitter/ X
Großes Loch in Boeing 737 Max 9 von Alaska Airlines

Flugverbot verhängt

Der Rumpf der 737 wird von der US-Firma Spirit AeroSystems hergestellt, die sich 2005 von Boeing abgetrennt hat. Möglicherweise spielt nach Angaben von Insidern aber auch Boeing selbst eine Rolle, da es normalerweise die halb montierte linke Türverkleidung entferne, um die Kabinenausrüstung einzubauen und die Produktion zu beschleunigen.

Die US-Luftfahrtbehörde FAA hat bereits am Samstag ein vorübergehendes Startverbot für die Maschinen des Typs Boeing 737-9 Max verhängt. Die Behörde teilte mit, es seien sofortige Inspektionen bestimmter Exemplare dieses Modells nötig, die jeweils etwa vier bis acht Stunden in Anspruch nähmen. Erst danach könnten die Jets wieder in Betrieb gehen. Dies gilt für Maschinen, die von US-Fluggesellschaften betrieben werden oder auf amerikanischem Territorium unterwegs sind – weltweit 171 Flugzeuge.

Die meisten Flugzeuge des Boeing-Modells 737 Max 9 werden in den USA von United Airlines und Alaska Airlines betrieben. Turkish Airlines, Panamas Copa Airlines und Aeromexico haben ebenfalls ein vorläufiges Flugverbot verhängt. Die Maßnahmen könnten bei einigen Airlines zu mehrtägigen Störungen im Flugplan führen.

Es ist der jüngste Vorfall mit Boeings meistverkauftem Modell, das nach Abstürzen 2018 und 2019 in Indonesien und Äthiopien mit insgesamt 346 Toten aus Sicherheitsgründen fast zwei Jahre lang am Boden bleiben musste. Es stellte sich heraus, dass eine mangelhafte Cockpit-Software für die Abstürze verantwortlich war. Vor wenigen Tagen hatte Boeing seine Kunden aufgefordert, alle 737 MAX-Flugzeuge auf eine möglicherweise lose Schraube im System der Rudersteuerung hin zu überprüfen.

Boeing-Aktie sackt ab

Der Abriss des Kabinenteils samt Fenster versetzt dem Anlegervertrauen in Boeing einen Tiefschlag. Die Boeing-Aktie sackt am Montagmorgen auf der Handelsplattform Tradegate zeitweise auf unter 207 Euro ab – mehr als sieben Prozent unter Freitagskurs (siehe Chart).  Im US-Handel könnte es entsprechend bis unter 230 US-Dollar abwärts gehen. Am Freitag stand die Flugzeugbauer-Aktie an der NYSE bei 249 Dollar. Das Rekordhoch bei 446 Dollar markierte Boeing im März 2019. Die Aktie des Zulieferers Spirit AeroSystems stürzt im deutschen Handel am Montag sogar prozentual zweistellig ab.

Boeing in Euro  (Tradegate)
TradingView.com
Boeing-Aktie in Euro (Tradegate)

Die Boeing-Aktie hatte bereits zwischen den Jahren ihren kurzfristigen Aufwärtstrend nach unten verlassen und nähert sich nun ihrer 50-Tage-Linie. Die verläuft bei der Originalaktie bei gut 226 Dollar.

BÖRSE ONLINE hatte die Boeing-Aktie Ende November bei 193,50 Euro mit Ziel 230 Euro zum Kauf empfohlen. Das Ziel wurde bereits Mitte Dezember überschritten. Bei 243 Euro wurde das höchste Niveau seit März 2020 erreicht. Wer die Aktie noch hält, sollte nicht in Panik verfallen und die Papiere weiter halten. Denn die Kosten für Checks und gegebenenfalls Umbau der betroffenen Flugzeuge dürften sich in Grenzen halten. Die Citigroup erwartet etwa eine Belastung im unteren zweistelligen Millionen-Bereich. Der Vertrauensschwund wird allerdings eine schnelle Erholung des Dow-Jones-Werts erschweren.

Die Airbus-Aktie profitiert hingegen vom Boeing-Vorfall. Sie steht am Montagmittag mit einem Aufschlag von mehr als zwei Prozent an der Spitze der DAX-Werte. Auch mittelfristig hat der europäische Flugzeugbauer mehr Potenzial als der amerikanische Rivale.

(Mit Material von Reuters und dpa-AFX)

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