Hoffnung auf Frieden drückt Rüstungsaktien: Rheinmetall, Hensoldt und Renk stürzen ab. Analysten sehen aber nur eine Korrektur statt einer Trendwende.

Die Friedensgipfel in Washington haben die Kurse der europäischen Rüstungswerte auf Talfahrt geschickt. Nachdem US-Präsident Donald Trump am Wochenende Kremlchef Wladimir Putin getroffen hatte, reagierten die Märkte zunächst erleichtert: Keine Waffenruhe, keine unmittelbare Gefahr für die milliardenschweren Auftragsbücher der Branche. Doch die Stimmung drehte, als Trump nur zwei Tage später gemeinsam mit Wolodymyr Selenskyj und europäischen Spitzenpolitikern Optimismus für neue Gespräche signalisierte.

Die Aktien von Rheinmetall, Hensoldt und Renk gaben daraufhin massiv nach und rutschten unter zentrale charttechnische Marken wie die 100-Tage-Linie. Am gestrigen Handelstag geriet die Boombranche noch stärker unter Druck: Rheinmetall schloss bei 1.568,00 Euro, ein Minus von 4,85 Prozent bzw. 80 Euro. Renk verlor 6,67 Prozent auf 58,48 Euro, Hensoldt brach sogar um 9,51 Prozent auf 79,90 Euro ein. Damit gaben die drei wichtigsten deutschen Rüstungswerte ihre Gewinne der Vortage vollständig ab und rutschten tief in den roten Bereich. Besonders der zweistellige Rückgang bei Hensoldt innerhalb weniger Handelstage zeigt, wie sensibel die Branche derzeit auf geopolitische Schlagzeilen reagiert.

Vom Höhenflug zur Korrektur

Rheinmetall, das Aushängeschild der deutschen Rüstungsindustrie, ist das Sinnbild dieses Zyklus. Seit Februar 2022 stieg der Kurs um mehr als 1.600 Prozent, getrieben durch volle Auftragsbücher, die Zeitenwende im Verteidigungsetat und milliardenschwere Programme in ganz Europa. Im Mai 2025 markierte die Aktie mit 1.915,50 Euro ein Allzeithoch – bevor die Stimmung kippte.

Seit Juni verlor Rheinmetall über 15 Prozent gegenüber dem Hoch, Hensoldt und Renk korrigierten ebenfalls deutlich. Die Euphorie rund um volle Auftragsbücher und die NATO-Aufrüstungsprogramme weicht nun wachsender Skepsis.

Hoffnung auf Frieden als Belastungsfaktor

Dass die Märkte derzeit so nervös reagieren, zeigt die enge Abhängigkeit der Branche von den politischen Frontlinien. Analyst David Perry von JPMorgan schreibt: „Das Treffen von Trump, Selenskyj und den Europäern verlief deutlich freundlicher als frühere Begegnungen – entsprechend mieden Anleger die Rüstungswerte.“ Dennoch betont er, dass selbst ein Friedensabkommen letztlich „höhere europäische Verteidigungsausgaben nach sich ziehen“ dürfte.

Die entscheidende Frage sei weniger, ob es Verhandlungen gibt, sondern ob die Ukraine zu territorialen Zugeständnissen bereit ist – und welche Sicherheitsgarantien die USA in einem Abkommen zusagen könnten. Bis dahin bleibt Unsicherheit das dominierende Muster an den Märkten.

Überhitzte Bewertungen und Gewinnmitnahmen

Neben geopolitischen Spekulationen sind es aber auch die Fundamentaldaten, die Anleger vorsichtiger werden lassen. Mit einem erwarteten Kurs-Gewinn-Verhältnis von knapp 60 für 2025 gilt Rheinmetall selbst nach optimistischen Schätzungen als hoch bewertet. 

Ein enttäuschendes zweites Quartal – 60 Millionen Euro weniger Gewinn als erwartet – reichte, um die Korrektur zu verstärken. Viele Fondsmanager nutzten den Sommer für Gewinnmitnahmen nach einer historischen Rallye.

Charttechnik: Konsolidierung im Aufwärtstrend

Die Rheinmetall-Aktie hat seit Ende Mai eine Top-Formation ausgebildet. Am 7. August unterschritt sie die Nackenlinie bei 1.649 Euro, was auf einen Abwärtsimpuls deutet. Die nächste Unterstützung liegt im Bereich von 1.483 bis 1.500 Euro. Bricht auch diese Zone, wäre die 200-Tage-Linie bei etwa 1.100 bis 1.200 Euro ein mögliches Kursziel.

Analysten: Mehrheitlich bullish, aber Risiken steigen

Von den Analysten gibt es trotz der jüngsten Rückschläge überwiegend positive Stimmen. So hat Hauck Aufhäuser Lampe das Kursziel für Rheinmetall zuletzt auf 2200 Euro angehoben, während die Berenberg Bank (Kursziel 2100 Euro) betont, dass ein Anstieg der Verteidigungsausgaben auf 3,5 Prozent des BIP den Konzern zu einem der großen Profiteure machen würde. 

JP Morgan (Kursziel 2250 Euro) verweist auf die herausragende strategische Stellung Rheinmetalls innerhalb des NATO-Gefüges, während Warburg Research vor politischen Risiken und möglichen Verzögerungen bei Haushaltsbeschlüssen warnt (Kursziel: 1740 Euro). Deutlich skeptischer zeigt sich hingegen die Bank of America, die Renk auf „Underperform“ herabstufte und die kurzfristige Überbewertung sowie fehlende Kompetenzfelder im Bereich Rüstungselektronik kritisierte.

Fundamentale Stärke und kurzfristige Schwäche

Für 2025 erwarten Analysten bei Rheinmetall einen Umsatz von fast 13 Milliarden Euro (+20 Prozent), ein EBITDA von 2,5 Milliarden (+31 Prozent) und einen Nettogewinn von 1,4 Milliarden (+70 Prozent). Großaufträge wie die Lieferung von 5.000 Boxer-Panzern sichern die Pipeline.

Die Friedensgipfel haben das gezeigt, was die Börse zynischerweise bewegt: Je größer die Hoffnung auf Verhandlungen, desto schwächer die Kurse der Rüstungswerte. Doch die Korrektur ist vor allem eine Reaktion auf überhitzte Bewertungen und kurzfristige Gewinnmitnahmen. Langfristig bleibt die Branche robust – getragen von Verteidigungsbudgets, die in Europa strukturell steigen dürften. Für Anleger bedeutet das: kurzfristig nervös, langfristig aussichtsreich.

Lesen Sie dazu auch: Hochspannung bei Rheinmetall und Co: Das könnte die Rüstungsaktien jetzt durchwirbeln

Und: Rallye vorbei? Aktien von Rheinmetall, und Co stehen unter Druck wie lange nicht, aber…

Rheinmetall (WKN: 703000)