Index-Reform bei der Deutschen Börse: Porsche und Sartorius müssen den DAX verlassen. Scout24 und Gea rücken in den Leitindex auf.
Zum 22. September stellt die Deutsche Börse die Zusammensetzung ihrer Aktienindizes neu auf. Wie erwartet gibt es dabei prominente Absteiger. Als Volkswagen im Herbst 2022 seine Sportwagentochter Porsche AG an die Börse brachte, war die Euphorie enorm. Der IPO galt als einer der größten in Europa seit Jahrzehnten, der Börsenwert überstieg zwischenzeitlich die 90-Milliarden-Euro-Marke. Bereits im Dezember 2022 folgte der Aufstieg in den DAX.
Nun, weniger als drei Jahre später, endet die DAX-Ära abrupt. Die Aktie hat seit Herbst 2023 fast zwei Drittel ihres Wertes verloren. Absatzschwächen in China, ein stagnierender Elektro-Absatz sowie Zweifel an der Unabhängigkeit von der Konzernmutter VW lasten schwer auf der Bewertung. Der Abstieg aus der ersten Börsenliga ist daher mehr als eine bloße statistische Folge der Indexregeln – er markiert die Ernüchterung nach einem gehypten Börsengang, der den hohen Erwartungen nicht gerecht wurde.
Sartorius: Vom Pandemie-Gewinner zum Sorgenkind
Auch Sartorius muss die DAX-Bühne räumen. Das Göttinger Unternehmen war 2021 im Zuge der DAX-Erweiterung von 30 auf 40 Werte aufgestiegen und galt als Musterbeispiel für die Stärke deutscher Life-Science-Spezialisten. Während der Corona-Pandemie boomte die Nachfrage nach Bioreaktoren, Filtern und Laborlösungen.
Doch die Sonderkonjunktur ist längst vorbei. Sinkende Investitionen in die Biotech-Industrie, schwächere Margen und ein verhaltener Ausblick haben den Kurs deutlich unter Druck gesetzt. Innerhalb von vier Jahren hat die Marktkapitalisierung fast 80 Prozent an Wert verloren – für den DAX reicht das nicht mehr.
Scout24 als neuer Hoffnungsträger
An ihre Stelle treten zwei Aufsteiger mit unterschiedlichen Profilen, die aber eines gemeinsam haben: robuste Geschäftsmodelle. Scout24, Betreiber der Plattform ImmoScout24, profitiert trotz der Immobilienkrise von seiner dominanten Marktstellung.
Steigende Mieten, Unsicherheiten am Wohnungsmarkt und eine zunehmende Nachfrage nach digitalisierten Vermittlungsprozessen sichern stabile Erlöse. Mit hoher Profitabilität und berechenbaren Cashflows erfüllt Scout24 das Anforderungsprofil für internationale Investoren, die den DAX als Benchmark nutzen.
Auch Gea steigt in erste Liga auf
Der Düsseldorfer Anlagenbauer Gea steht für klassische deutsche Industriekompetenz. Das Unternehmen hat sich in den vergangenen Jahren stark restrukturiert, Kosten gesenkt und sich stärker auf margenstarke Segmente wie die Nahrungsmittel- und Pharmaindustrie fokussiert.
Das Ergebnis: steigende Margen, solide Auftragseingänge und ein wiedergewonnenes Vertrauen am Kapitalmarkt. Der Aufstieg in den DAX ist daher auch eine Anerkennung des erfolgreichen Turnarounds.
Weitere Bewegung in MDAX, SDAX und TecDAX
Die Änderungen im Leitindex ziehen Anpassungen in den nachgeordneten Indizes nach sich: Fielmann, die traditionsreiche Optikerkette aus Hamburg, steigt vom SDAX in den MDAX auf. Die Aktie hat sich nach schwierigen Jahren mit Lieferkettenproblemen und hoher Inflation stabilisiert. Evotec, ein einstiger Börsenliebling aus der Wirkstoffforschung, verliert dagegen seinen Platz im MDAX. Anhaltende operative Probleme und ein enttäuschender Ausblick haben die Marktkapitalisierung gedrückt.
Im SDAX rückt der Telekommunikationsanbieter 1&1 für den Kohlenstoffspezialisten SGL Carbon nach. Zudem kommt es im TecDAX zu einer Rochade: Auch hier übernimmt 1&1 einen Platz – und verdrängt den Biosimilarentwickler Formycon.
Spiegelbild des Wandels
Index-Änderungen sind nicht nur eine Prestigefrage für Unternehmen. Sie haben konkrete Folgen: Physisch replizierende ETFs müssen ihre Portfolios anpassen, indem sie die Neuzugänge kaufen und die Absteiger verkaufen. Dieses technische Umschichten führt oft zu kurzfristigen Kursschwankungen – insbesondere am Tag der Umsetzung. Mittel- bis langfristig entscheidet aber die fundamentale Entwicklung der Unternehmen über die Kursrichtung.
Der Abstieg von Porsche und Sartorius und der Aufstieg von Scout24 und Gea stehen sinnbildlich für die Dynamik der deutschen Börsenlandschaft. Glamouröse Namen und Pandemie-Gewinner verlieren an Glanz, während digitale Plattformen und restrukturierte Industrieunternehmen an Bedeutung gewinnen. Für Anleger ist das eine Erinnerung daran, dass auch im scheinbar konservativen DAX nichts in Stein gemeißelt ist – und dass der Blick hinter die Marke auf die fundamentale Stärke entscheidend bleibt.
Lesen Sie dazu auch: Diese Internet-Aktie profitiert vom deutschen Immobilienmarkt – hat sie weiter Potenzial?
Und: So lange dauert es, mit 500-Euro-DAX-Sparplan in die Top 10 % der reichsten Deutschen aufzusteigen