Milliarden fließen in Rechenzentren und Chips – doch laut neuer Studien könnte der KI-Hype schneller an Grenzen stoßen, als Anleger erwarten.
Die Künstliche Intelligenz (KI) gilt als die treibende Kraft der Börsenrallye der vergangenen Jahre. Doch während Wall Street mit Rekordbewertungen für Nvidia, Microsoft oder Meta feiert, kommen von Analystenseite erste Zweifel an der Tragfähigkeit der Entwicklung.
Eine aktuelle Studie der Deutschen Bank spricht Klartext: Das KI-Wachstum stützt derzeit die gesamte US-Konjunktur – könnte aber schon bald an seine eigenen ökonomischen Grenzen stoßen.
KI als Konjunkturmotor – mit eingebautem Risiko
George Saravelos, Devisenstratege der Deutschen Bank, verglich die Lage vergangene Woche mit einem Ausnahmezustand: „Ohne die Investitionen in Rechenzentren und KI-Infrastruktur wäre die US-Wirtschaft 2025 wahrscheinlich bereits in einer Rezession.“ Der Grund: Allein die „Magnificent 7“ – von Nvidia bis Alphabet – stemmen Investitionen in dreistelliger Milliardenhöhe, die kurzfristig das BIP nach oben treiben. Goldman Sachs schätzt, dass die kumulierten Ausgaben für KI-Capex bereits bis Ende August auf 368 Milliarden Dollar gestiegen sind.
Doch Saravelos warnt: Damit der Effekt aufrechterhalten werden kann, müsste das Wachstum dieser Investitionen „parabolisch“ bleiben. Genau das hält er für „höchst unwahrscheinlich“. In nüchternen Worten: Wachstum entsteht derzeit nicht durch produktive KI-Anwendungen, sondern durch das Bauen der Fabriken, die künftig einmal KI-Leistung liefern sollen.
Bain-Zahlen: Milliardenlücke bei der Refinanzierung
Wie fragil das Konstrukt ist, zeigt der neue Global-Technology-Report von Bain & Company. Demnach braucht die Weltwirtschaft bis 2030 rund 2 Billionen Dollar an zusätzlichen Jahresumsätzen, um die Rechenkapazität für KI-Anwendungen profitabel zu finanzieren. Selbst wenn Effizienzgewinne und Einsparungen durch KI vollständig in Infrastruktur reinvestiert würden, bliebe eine Lücke von 800 Milliarden Dollar pro Jahr.
Hinzu kommt ein Engpass, der über die Finanzmärkte hinausreicht: Bains Berechnungen zufolge könnte der globale Strombedarf für KI-Computing bis 2030 auf 200 Gigawatt steigen – allein die Hälfte davon in den USA. Angesichts jahrzehntelang stagnierender Netzausbauprojekte droht hier ein strukturelles Nadelöhr.
Polarisierte Wall Street: Euphorie versus Skepsis
Während die Deutsche Bank das Risiko einer Überdehnung betont, hält Goldman Sachs an seiner optimistischen Projektion fest. Analyst Manuel Abecasis verweist auf erwartete Produktivitätsgewinne von bis zu 1,5 Prozentpunkten für das US-BIP in den kommenden Jahren. KI, so die These, werde langfristig die gesamtwirtschaftliche Effizienz steigern – und damit die enormen Investitionen rechtfertigen.
Doch ein Blick auf die Unternehmensgewinne zeigt eine bedenkliche Konzentration: Laut Apollo Management stammen sämtliche positiven Gewinnrevisionen für den S&P 500 seit Sommer allein von den „Magnificent 7“. Für die übrigen 493 Unternehmen bleibt die Ertragslage gedrückt. Investoren laufen damit Gefahr, überproportional einem einzigen Narrativ ausgesetzt zu sein – und einer Branche, deren Cashflows noch lange nicht gesichert sind.
Der Kipppunkt rückt möglicherweise näher
Noch trägt die KI-Euphorie Märkte und Konjunktur. Doch die Warnungen von Deutsche Bank und Bain zeigen, wie fragil der Aufschwung ist. Ein nachhaltiges Wachstumsmodell entsteht erst, wenn KI nicht nur Investitionen in Beton und Chips, sondern tatsächliche Produktivitätsschübe und neue Geschäftsmodelle liefert.
Bis dahin bleibt das Szenario zweischneidig: Wer auf KI setzt, partizipiert an den größten Börsengewinnen – steht aber zugleich vor dem Risiko, dass aus dem „parabolischen Boom“ ein „parabolischer Bust“ wird.
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