Morgan Stanleys Topstratege Mike Wilson sieht im schwacher Dollar und sinkende Ölpreise unterschätzte Kurstreiber – und eine Unterbewertung von Small- und Mid-Caps.
Was europäischen Besitzern von amerikanischen Aktien gehörig das Börsenjahr 2025 versalzen, könnte man Ende für die Rallye an den Weltbörsen der eigentliche Treiber sein: der schwache Dollar. Für Mike Wilson, Chief Investment Officer und US-Aktienchefstratege bei Morgan Stanley, ist der schwächelnde Greenback ein fundamentaler, bislang unterschätzter Treiber der jüngsten Aktienrally.
Im Gespräch mit CNBC betonte er, dass die positive Wirkung auf die Gewinne multinationaler Unternehmen bereits sichtbar sei – in einer Geschwindigkeit, die ihn an die Erholungsdynamik nach der Corona-Krise erinnere. Auch wenn der Dollar nicht im freien Fall sei, so hat der Rückgang der US-Währung laut Wilson die Gewinnrevisionen vieler Unternehmen beschleunigt. Unternehmen, die im Ausland verdienen, profitieren direkt: ihre Erlöse steigen in Dollar gerechnet, was sich positiv auf die Bilanzen auswirkt. „Es ist ein massiver Rückenwind – genauso wie wir es 2020/2021 gesehen haben“, so Wilson.
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Ölpreise fallen, Zölle bleiben – aber milder
Neben der Dollar-Schwäche verweist Wilson auf einen weiteren wichtigen Faktor: den Rückgang der Ölpreise. Zwar seien die Benzinpreise in den USA nur um 8–10 Prozent gefallen, aber Rohöl sei im Jahresvergleich rund 16–20 Prozent günstiger. Das sei vor allem für Konsumwerte ein entlastender Faktor – gerade im Hinblick auf steigende Zollkosten, die im dritten Quartal stärker durchschlagen könnten.
Wilson sieht hier eine Art „Kompensation“: Die Unternehmen konnten in den ersten beiden Quartalen noch auf günstig eingekaufte Lagerbestände zurückgreifen, ab Q3 jedoch dürften neue, teurere Importpreise durchschlagen. Doch der gesunkene Ölpreis könnte diesen Effekt abmildern und damit die Konsumausgaben stützen.
Nvidia und die „Law of Large Numbers“-Debatte
Im Hinblick auf Mega-Caps wie Nvidia relativiert Wilson die Sorge, dass das Erreichen von Marktkapitalisierungen jenseits der 3- oder 4-Billionen-Dollar-Marke notwendigerweise das Ende des Wachstums bedeutet. Die gängige Regel, wonach große Unternehmen nicht mehr exponentiell wachsen könnten, gelte nur eingeschränkt: „Viele dieser Unternehmen sind faktisch Monopole – mit enormer Skalierungsmacht und hohen Margen“, so Wilson.
Er räumt jedoch ein, dass nicht jedes Unternehmen der jetzigen Marktführer es in die nächste Wachstumsphase schaffen werde. Die zentrale Aufgabe der Investoren sei es daher, jene Player zu identifizieren, die ihre Dominanz verteidigen und Wachstumspotenziale weiterhin realisieren können.
Small Caps weiter im Schatten – noch
Ein zentrales Thema für Wilson bleibt die Unterbewertung von Small- und Mid-Caps. Diese litten zuletzt besonders unter den hohen Zinsen. Die Hoffnung auf sinkende Leitzinsen – „vielleicht zu Weihnachten“, wie Wilson augenzwinkernd sagt – sei ein entscheidender Faktor für eine mögliche Trendwende. Doch es gebe noch mehr: Der politische Fokus auf Deregulierung, Staatsabbau und die Stärkung der Privatwirtschaft könne gerade den kleineren Unternehmen neuen Auftrieb geben.
Die große Frage für 2026 werde sein: Kann es gelingen, das Wachstum des privaten Sektors zu beschleunigen und gleichzeitig die Produktivität zu erhöhen? Das sei der Schlüssel, um dem „Crowding Out“ durch den Staat zu entgehen, so Wilson. Denn nur über reale Produktivitätszuwächse könne das Land langfristig aus der Schuldenfalle kommen.
Wachstum als Lösung – nicht nur Zinswünsche
Wilson warnt vor der Illusion, man könne das Schuldenproblem der USA allein durch billiges Geld lösen. „Es geht nicht nur ums Reflationieren“, sagt er. „Wir müssen echte Produktivitätsfortschritte erzielen.“ Nur so lasse sich das strukturelle Defizitproblem der letzten drei Jahrzehnte lösen – und nur so könnten auch Mid- und Small-Caps endlich wieder zu Wachstumsmotoren werden.
Das von Wilson skizzierte komplexe Makrobild dürfte ganz nach dem Geschmack der Anleger sein: Der schwächere Dollar, sinkende Ölpreise, AI-Dynamik und gezielte politische Weichenstellungen könnten eine neue Wachstumsphase einläuten. Für Investoren heißt das: Die unterschätzten Treiber könnten gehörig Rückenwind im zweiten Halbjahr liefern.
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