Die Corona-Krise hat die Biotechbranche ins Rampenlicht der breiten Öffentlichkeit gerückt. Unternehmen wie Biontech, Moderna oder Curevac sind mit ihren Impfstoffen zu den Rettern in der Pandemie geworden - und die Aktien dieser Unternehmen zu Überfliegern avanciert. Etwas im Hintergrund mischt Evotec in der Laborforschung zu Covid-19 mit. Für 26 Kunden gleichzeitig hat die Firma aus Hamburg Assays entwickelt - Laborproben also für den molekularbiologischen Nachweis von SARS-CoV-Viren.

Negative Effekte durch die Corona-Pandemie, etwa verzögerte oder verschobene Patientenrekrutierungen bei klinischen Studien, haben das operative Geschäft auch im Auftaktquartal des Geschäftsjahres 2021 nicht belastet. Das Geschäftsmodell von Evotec ist auf die präklinische Wirkstoffsuche ausgelegt. Nach dem Identifizieren der Kandidaten für die klinische Entwicklung übernehmen die Kooperationspartner die kostspieligen klinischen Studien und tragen das Entwicklungsrisiko vollständig. "Wir haben weniger erfolgsabhängige Meilensteinzahlungen erhalten, diesen Effekt aber durch ein wesentlich stärkeres Basisgeschäft kompensiert", erläutert Vorstandschef Werner Lanthaler im Gespräch mit BÖRSE ONLINE. Bereinigt um Sondereffekte legten die Umsätze im Basisgeschäft im Zeitraum Januar bis März gegenüber dem Vorjahr um 28 Prozent zu. Die um Sondereffekte bereinigten Gesamterlöse stiegen um elf Prozent auf 136,9 Millionen Euro.

Das Ebitda fiel von 30,0 auf 21,1 Millionen Euro. Neben negativen Währungseffekten muss man dabei allerdings berücksichtigten, dass Vorjahreszahlungen aus der inzwischen beendeten Kooperation mit Sanofi nun wegfallen. Unterm Strich hat Evotec den Gewinn auf knapp 53 Millionen Euro mehr als verdreifacht. Den Ausschlag gaben Bewertungsgewinne aus der Beteiligung am britischen Wirkstoffforscher Exscientia, mit dem Evotec ein Gemeinschaftsunternehmen betreibt.

Neuer Wachstumsschub

Für das Jahr 2021 erwartet Evotec einen um Wechselkurseffekte bereinigten Gesamtumsatz von 550 bis 570 Millionen Euro. Gegenüber den 500,9 Millionen Euro aus 2020 entspricht das einem Zuwachs um 13 bis 17 Prozent. Das bereinigte Ebitda soll in einer Bandbreite von 105 bis 120 Millionen Euro liegen und würde damit die 106,6 Millionen Euro wahrscheinlich übertreffen. Deutlich ambitionierter kommt der Aktionsplan daher, den sich Evotec bis 2025 gesetzt hat. Bis dahin soll sich der Konzernumsatz auf mehr als eine Milliarde Euro verdoppeln.

Um diese hochgesteckten Ziele zu erreichen, sieht Konzernlenker Lanthaler sein Unternehmen gut aufgestellt: "Unser Umsatzziel entspricht zehn Prozent des adressierbaren Marktes. Wir müssen mit weiteren neuen Technologien mehr und schneller dasselbe tun, was wir bis jetzt gemacht haben - und zugleich die bisherigen Kooperationen mit unseren Partnern vertiefen", erklärt der Vorstandschef. "Um das zu erreichen, waren wir organisch noch nie so gut aufgestellt wie heute", führt er weiter aus. Eine Schlüsselrolle kommt dabei der künstlichen Intelligenz (KI) zu. Diese wird Lanthaler zufolge zu einem zentralen Element, um in Zukunft mehr Arzneien auf den Markt zu bringen, die für mehr Menschen bezahlbar sind. Die Kosten- und Zeitersparnis ist enorm, weil sich vor den entscheidenden Wirksamkeitsstudien in der klinischen Phase II mithilfe der KI patientenrelevante Ergebnisse herauslesen lassen. Auf Sicht der nächsten drei Jahre erwartet er eine "Goldgräberstimmung" für Unternehmen mit Plattformen, die per Datenanalyse die geeigneten Moleküle für die klinischen Test mit Patienten herausfiltern.

Mit der 2019 für 81 Millionen Euro übernommenen kalifornischen Firma Just Biotherapeutics erschließt sich Evotec eine weitere Einnahmequelle. Die neue Firmentochter verfügt mit Abacus über ein selbst entwickeltes System, bei dem eine selbstlernende Software eine zentrale Rolle für die Auswahl der geeigneten Wirkstoffkandidaten spielt. Noch in diesem Jahr soll am Standort Seattle eine Produktionsanlage für biologische Substanzen in Betrieb gehen. In Europa will Evotec im zweiten Halbjahr mit dem Bau der ersten Anlage beginnen.

Die J.Pod genannten Zentren spielen für Evotec eine Schlüsselrolle für eigene Projekte in der Präzisionsmedizin, unter anderem bei seltenen Erkrankungen, und für die Herstellung von biologischen Substanzen bei Therapien gegen Infektionskrankheiten. Die 9,7 Millionen Euro, die Just Evotec Biologics im ersten Quartal erlöste, sind dann nur der Anfang. Pro J.Pod, so Lanthaler, seien jährliche Einnahmen von 250 Millionen Euro drin.

Hält man sich dieses Potenzial vor Augen, lässt der aktuelle Börsenwert dem Aktienkurs noch Spielraum für weitere Höhenflüge. Noch nicht in den Analystenschätzungen enthalten sind erfolgsabhängige Meilensteinzahlungen von Partnern für das Erreichen der nächsten klinischen Etappe. Mit Liquiditätsreserven von 460,6 Millionen Euro und einer Eigenkapitalquote von 50,2 Prozent ist Evotec solide aufgestellt. Schafft das Unternehmen die Vorgaben für 2025, sollte bis dahin ein Kursverdoppler möglich sein.