Kurz vor Ende seiner Amtszeit hat Jeff Bezos - wieder einmal - überragende Zahlen im Gepäck. Im ersten Quartal des laufenden Jahres verdreifachte sich der Gewinn auf 8,1 Milliarden US-Dollar, wie der Online-Riese am Donnerstagabend nach Börsenschluss bekanntgab. Damit ist diese Kennziffer nicht nur so hoch wie nie zuvor, es ist auch der vierte Rekord in Folge. Bezos übertraf damit außerdem die Markterwartungen deutlich. Analysten hatten dem Finanzdienstleister Bloomberg zufolge mit einem Gewinn von 7,4 Milliarden Dollar gerechnet. Der Umsatz stieg um 44 Prozent auf 108, 5 Milliarden Dollar. Erwartet worden waren 104,6 Milliarden Dollar. Bloomberg-Intelligence-Analyst Poonam Goyal sprach in einer Analyse von einem "fantastischen Quartal". Die Aktie legte nachbörslich rund vier Prozent zu.

Wachstumstreiber war - wenig überraschend - die Covid-19-Pandemie. Das Online-Shopping boomt, weil weltweit Läden geschlossen sind. Amazon wurde außerdem profitabler beim Ausliefern der Pakete. Mangels Alternativen verbringen viele Menschen ihre Freizeit mit Streamingangeboten wie Prime Video. Im Heimatmarkt Nordamerika kurbelte die US-Regierung von Präsident Joe Biden im Kampf gegen die Wirtschaftskrise den Konsum mit billionenschweren Finanzhilfen für Verbraucher und Unternehmen an. Der Umsatz von Amazon in den USA stieg besonders stark.

Auch nutzen immer mehr Firmen die Lager des Online-Riesen oder schalten Werbung direkt auf dessen Plattform. Die Sparte "Sonstige Geschäfte", wozu das Werbegeschäft zählt, steigerte ihren Umsatz um 77 Prozent auf 6,9 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Bei dem weltgrößten Werbekonzern, der Google-Mutter Alphabet, wuchs der Umsatz mit Werbung um nur 32 Prozent auf 44,7 Milliarden Dollar. Die Nummer Zwei, das Soziale Netzwerk Facebook, steigerte die Werbeeinnahmen um 46 Prozent auf 25,4 Milliarden Dollar.

Mit dem steigenden Bedarf nach digitalen Services legte auch das margenstarke Geschäft mit dem Cloud-Computing deutlich zu. Der Umsatz von Amazon Web Services (AWS) stieg um 32 Prozent auf 13,5 Milliarden Dollar. Der Betriebsgewinn kletterte um mehr als 35 Prozent auf 4,2 Milliarden Dollar. AWS ist der weltweit größte Cloud-Anbieter, noch vor Microsoft und Google.

Krisengewinner Amazon


Amazon gilt als Krisengewinner. Und auch nach der Pandemie sind die Aussichten für den Online-Riesen gut. Barclays-Analyst Ross Sandler lobte, dass Amazon mehr als jede andere Firma weltweit in die Verbesserung der Dienstleistungen investiere, was gut für die langfristige Wertschöpfung sei. Durch die Innovationen des Konzerns in den Bereichen AWS, Werbung und Prime Video wachse auch nach der Wiedereröffnung der Läden das Vertrauen in das Wachstum, sagte Analyst Thomas Champion von der US-Investmentbank Piper Sandler.

Der Kundenstamm von Amazon wächst. Der Abo-Dienst Amazon Prime erreichte erstmals die Marke von 200 Millionen Kunden. Anfang des vergangenen Jahres waren es noch 150 Millionen. Prime-Kunden zahlen eine regelmäßige Gebühr und bekommen dafür kostenlosen und schnelleren Versand, haben Zugang zu Streaming-Diensten und gelten als bestellfreudiger.

"Primeday" findet früher statt


Außerdem gibt es für Prime-Kunden am sogenannten "Primeday" besonders attraktive Angebote und Schnäppchen. Die Rabattschlacht soll in diesem Jahr bereits im zweiten Quartal stattfinden, wie Amazon in seinem Geschäftsbericht ankündigte. Einen genauen Termin gibt es noch nicht. Finanzchef Brian Olsavsky konkretisierte den Termin in einer Telefonkonferenz mit Journalisten auf Juni.

In der Vergangenheit fand der "Primeday" immer erst etwas später statt. Olsavsky sagte der US-Medienwebsite CNET zufolge, man werde ein Datum wählen, "von dem wir glauben, dass es mehr Aufmerksamkeit für unsere Kunden und auch für unsere Lieferanten erhalten wird". Bei Amazon sei man besorgt darüber, dass die zunehmenden Reisepläne der Nutzer und die Olympischen Spiele den "Primeday" beeinflussen könnten.

Durch den vorgezogenen "Primeday" dürften außerdem die Ergebnisse des zweiten Quartals im Vergleich zu 2020 besser aussehen. Im Vergleichszeitraum begannen weltweit Lockdowns und man konnte teilweise ausschließlich online einkaufen.

Amazon selbst zeigte sich für das laufende Quartal optimistisch. Der Betriebsgewinn soll - trotz pandemiebedingter Sonderkosten von 1,5 Milliarden Dollar - auf acht Milliarden Dollar steigen. Der Umsatz soll zwischen 24 und 30 Prozent auf bis zu 116 Milliarden Dollar wachsen.

Stärke bringt auch Risiken


Jeff Bezos hinterlässt seinem Nachfolger Andy Jassy also einen kerngesunden, innovativen und wachstumsstarken Konzern. Doch der bisherige AWS-Chef wird sich auch mit den Risiken, die durch die Stärke von Amazon kommen, beschäftigen müssen. So gibt es immer wieder Kritik wegen des klimaschädlichen Verhaltens des Online-Riesen. In Städten steigt etwa durch die Amazon-Lieferfahrzeuge die Luftverschmutzung. Die Arbeitsbedingungen bei dem Online-Riesen werfen immer wieder Fragen auf. Seit Jahrzehnten sträubt sich Bezos gegen die Bildung von Gewerkschaften. Zu Beginn dieser Woche gab Amazon bekannt, 500.000 Angestellten mehr zahlen und dafür mehr als eine Milliarde Dollar ausgeben zu wollen.

Auch die Steuerlast könnte steigen. US-Präsident Biden will die Unternehmenssteuer im Zuge des Infrastrukturgesetzes von 21 auf 28 Prozent anheben und multinationale Unternehmen stärker besteuern - Amazon nannte er dabei sogar namentlich als Ziel für höhere Abgaben. Auch die führenden Wirtschaftsnationen (G20) wollen eine weltweite Steuerreform umsetzen. Dabei geht es sowohl um eine globale Mindeststeuer für international tätige Firmen als auch eine Digitalsteuer. Dadurch sollen Online-Konzerne wie Amazon, Google oder Apple nicht nur am Unternehmenssitz, sondern auch dort Steuern zahlen, wo sie ihre Umsätze erzielen. Einen Durchbruch gibt es noch nicht. Dieser soll im Sommer gelingen. Amazon steht seit langem wegen Steuervermeidung in der Kritik.

Vor Jassy liegt also viel Arbeit, wenn er im dritten Quartal die Nachfolge von Bezos antritt. Der Gründer wird als Verwaltungsratschef auch künftig seinen Einfluss bei Amazon ausüben.

Angesichts der weiterhin guten Geschäftsaussichten bleiben wir bei unserer Kaufempfehlung.