Dan Eisenhardt brettert mit dem Snowboard durch den Tiefschnee, das Adrenalin schießt in seine Adern. Gleich kommt der Sprung. Die genaue Position, Geschwindigkeit und Herzfrequenz sind immer fest im Blick. Wie bei einem Jet-Piloten werden die wichtigsten Daten in der Brille des Sportlers angezeigt.

Das ist keine Zukunftsmusik. Vielmehr ist es der Anfang der nächsten Technologiewelle, die über uns hereinschwappt. Eisenhardt, Gründer des kanadischen Start-ups Recon, erkannte den Trend hin zu den sogenannten Wearables früh. Darunter versteht man kleine Computer, die am Körper oder im Körper selbst getragen werden - etwa Datenbrillen, Fitness-Armbänder oder Computeruhren. Schon lange bevor der Internetriese Google seine Datenbrille Glass enthüllte, brachte Recon eine Datenbrille für Skifahrer und Snowboarder in den Handel. Weit über 50 000 Mal verkaufte sich das "Snow" genannte Modell bereits.

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Rasantes Wachstum

Laut einer Prognose der Marktforscher von IDC wird sich der Absatz der kleinen tragbaren Computer in diesem Jahr auf über 19 Millionen Geräte mehr als verdreifachen. Bis 2018 klettern die Verkäufe voraussichtlich auf rund 120 Millionen Stück. Den Markt sehen die Experten von BCC Research dann bei jährlich über 30 Milliarden Dollar.

Im Silicon Valley, dem Herzen der US-Hightechindustrie, ist man auf Eisenhardt und seine Firma längst aufmerksam geworden. Im vergangenen Jahr schoss der Chipkonzern Intel eine laut Recon "beträchtliche Summe" in das Unternehmen. Mike Bell, der nach Stationen bei Palm und Apple inzwischen Intels Wagniskapitalsparte leitet, nennt das Geschäft mit den Wearables einen "bedeutenden Markt".

Wenn der Zug erst einmal rollt, könnte es zu spät sein, um aufzuspringen. Das weiß auch Intel-Chef Brian Krzanich. Er hatte bereits viel zu spät auf den Smartphone- und Tablet- Boom reagiert und hinkt der Konkurrenz in dem Segment noch immer hinterher. Diesen Fehler will Krzanich nicht wiederholen.

Intel forscht nicht nur eifrig an neuen mobilen Anwendungen, Krzanich setzt auch auf Übernahmen. Erst vor wenigen Monaten schluckten die Amerikaner Basis Science für geschätzt 100 bis 150 Millionen Dollar. Die digitalen, 150 Dollar teuren Fitness-Armbänder der Firma messen den Puls, zählen Schritte und Kalorienverbrauch und überwachen sogar den Schlaf. Das soll zu einem gesünderen Lebensstil verhelfen.

Basis Science war wohl nicht die letzte Übernahme des Riesen aus Kalifornien. Der Chipspezialist Inven- Sense etwa dürfte der Aufmerksamkeit Krzanichs nicht entgangen sein. InvenSense fertigt unter anderem Chips zur Bewegungserkennung für Smartphones, Tablets und Wearables. Zu den Kunden zählen Google, Recon und Samsung.

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Apple liegt auf der Lauer

Auch Apple-Chef Tim Cook ist sich des Potenzials des Marktes bewusst. Spätestens im vierten Quartal dürften die Kalifornier mit der iWatch, der nach wie vor geheimnisumwitterten Computeruhr, den Markt aufmischen. Telefonieren, Textnachrichten lesen oder Fotos schießen - die Funktionen, die bereits erhältliche Smartwatches bieten, haben Cook offenbar noch nicht überzeugt. Gut möglich, dass er der Konkurrenz bewusst den Vortritt gelassen hat, um Schwachstellen beim eigenen Produkt von Anfang an auszumerzen.

Auch beim Preis scheint der Apple-Chef einen neuen Weg gehen zu wollen. Offenbar möchten die Kalifornier die iWatch nicht als spaßiges Accessoire, sondern als edle Alternative zur klassischen Armbanduhr etablieren. Dafür spricht, dass sie vor Kurzem Patrick Pruniaux abwarben, den Verkaufsleiter der Luxusuhrenmarke TAG Heuer. Preise jenseits der 1000-Dollar-Grenze sind durchaus möglich, glaubt Apple- Analyst Ming Chi Kuo von KGI Securities. Technologie-Analystin Katy Huberty von Morgan Stanley rechnet mit einem Absatz von 30 bis 60 Millionen Apple-Uhren im ersten Jahr nach der Einführung - allerdings zu einem deutlich niedrigeren Preis von 300 Dollar.

Landet Cook mit der iWatch einen Treffer, dürfte auch das Interesse an InvenSense weiter steigen. Spekulationen zufolge stützt sich Apple nicht nur beim kommenden iPhone-Modell, sondern auch bei der iWatch auf deren Chips.

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Samsung greift an

Anders als in der Vergangenheit ist Samsung-Chef Oh-Hyun Kwon seinem Kontrahenten Tim Cook dieses Mal einen Schritt voraus. Den Südkoreanern wird seit Jahren vorgeworfen, Apple zu kopieren. Mit der Uhr "Galaxy Gear" will Kwon die Vorreiterrolle bei den schlauen Uhren einnehmen. Bei der bereits zweiten Generation seiner Smartwatch setzt Samsung auf das eigene Betriebssystem Tizen. In dem noch kleinen Marktsegment sehen die Asiaten am ehesten eine Chance, das eigene System zu verbreiten.

Bislang setzen die Koreaner hauptsächlich auf Googles Betriebssystem Android. Bei einem Treffen mit Samsungs Kronprinzen Jay Lee soll Google-Chef Larry Page deshalb seinen Unmut über Samsungs Strategie zum Ausdruck gebracht haben. Page will den Anschluss auf keinen Fall verlieren. Die Karten in dem Geschäft mit den kleinen tragbaren Computern werden schließlich gerade erst gemischt. Die ersten Produkte mit dem speziellen Betriebssystem Android Wear sind erst seit wenigen Wochen erhältlich.

Nicht nur Computeruhren, Fitness- Armbänder und Datenbrillen rücken den Menschen auf die Pelle. Auch die Integration von Sensoren in Textilien findet immer mehr Anklang. In Shorts und Shirts messen sie Puls oder Muskelspannung und analysieren den Bewegungsablauf. Sportler sollen so noch bessere Messdaten erhalten. Auch in der Medizin eröffnen sich damit neue Möglichkeiten. Gefährdete Patienten könnten etwa vor einem drohenden Infarkt gewarnt werden.

Der Pharmakonzern Novartis geht sogar noch weiter. Die Schweizer sicherten sich eine von Google "Smart Lens" genannte Technologie. Der Internetkonzern hatte im Januar eine smarte Kontaktlinse vorgestellt, die Blutzuckerwerte bei Diabetikern messen und bei kritischen Zuständen auch warnen kann. Der schmerzhafte Stich in den Finger, den Betroffene bislang oft mehrmals am Tag durchführen müssen, könnte damit irgendwann der Vergangenheit angehören.

Technologien wie diese waren offenbar nicht im Fokus einer aktuellen Umfrage im Auftrag der Großhandelsgruppe Rhino Inter Group. Demnach lehnen 96 Prozent der Deutschen die Wearables als "technischen Schnickschnack" ab. Das war allerdings in den Frühzeiten des Mobilfunks auch so.

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