Die schwedische Opernsängerin Malena Ernman fliegt nicht mehr. Kann sie ein Engagement nicht mit dem Zug erreichen, lehnt sie es ab. Das hat sie ihrer 16-jährigen Tochter Greta Thunberg versprochen. Allein hatte das Mädchen jeden Freitag die Schule geschwänzt, um vor dem Parlamentsgebäude in Stockholm gegen den Klimawandel zu demonstrieren. Dann wurde sie über Nacht ein Star, inzwischen tun Millionen Kinder auf der ganzen Welt es ihr gleich und machen so auf den Klimawandel aufmerksam. Der Druck auf die Flugzeugindustrie, umweltfreundlicher zu werden, steigt. Während elektrisch angetriebene Tesla und bald auch VW oder BMW zum Straßenbild gehören, ist der Fortschritt in der Luftfahrtindustrie bislang noch gering.

Eine Handvoll Start-ups wagen Experimente, darunter Uber mit dem Bell Nexus Air Taxi, das gemeinsam mit Textron’s Tochter Bell entwickelt wird. Oder Kittyhawk, eine Initiative von Google-Gründer Larry Page. Das sind aber eher fliegende Autos oder Lufttaxis - gedacht für die Kurzstrecke. Sie setzen auf Elektroantrieb. Auf der längeren Strecke machen die amerikanischen Fluggesellschaft Jetblue und der amerikanische Flugzeugbauer Boeing auf sich aufmerksam. Sie investierten in Zunum Aero, ein zwölfsitziges, elektrisch angetriebenes Regionalflugzeug mit einer Reichweite von insgesamt 1100 Kilometern. Testflüge soll es bereits ab diesem Herbst geben.

Mit einem längeren Zeithorizont arbeitet auch Airbus mit Motorenhersteller Rolls-Royce und Siemens an einem Hybrid-Flugzeug - ein erster Testflug ist für kommendes Jahr anvisiert. "Wir beschreiten eine neue Welt in der Luftfahrt", sagt Karl Anton, Chef von Siemens eAircraft. Anteile an Zunum Aero oder Uber gibt es bislang nicht zu kaufen. Mit einer Reihe von Aktien können Anleger an dieser Entwicklung dennoch partizipieren. Etwa mit Jetblue, Airbus oder Boeing. Jedoch dürfte der Anteil der Elektroflieger am Gesamtgeschäft auch künftig klein bleiben. Alternativ dazu bietet sich der französische Flugzeugmotorenhersteller Safran als direkte Investitionsmöglichkeit an.

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Die Zeit drängt


Seit 1990 sind die CO2-Emissionen des Flugverkehrs um 83 Prozent gestiegen. Und jährlich nimmt die Nachfrage nach Flügen um sechs bis acht Prozent zu - angekurbelt vor allem durch den Wachstum in China und Südostasien. Die Emissionen aus dem Flugverkehr machen zwar nur vier bis neun Prozent der Treibhausgase aus, die menschliche Aktivitäten weltweit im Jahr freisetzen. Doch weil die Düsenjets auf 10 000 Meter Höhe fliegen, haben die durch sie freigesetzten Schadstoffpartikel einen überproportional großen Einfluss auf das Klima. Höher in der Atmosphäre freigesetzt, fangen diese Moleküle mehr Hitze ein. Eine Serie von chemischen Reaktionen und atmosphärischen Effekten führt zu einem stark erwärmenden Effekt - je nach Umständen ist er zwei- bis viermal größer als der reine Kohlenstoffdioxidausstoß.


Daher ist klar: Elektroflugzeuge haben ein erhebliches Potenzial, die globale Erwärmung zu verlangsamen. Die Liste von vergeblichen Bemühungen, den Luftverkehr umweltfreundlicher zu gestalten, ist jedoch lang. Und noch ist die Priorität nicht allzu hoch. Das Kyoto-Protokoll verlangt von Regierungen lediglich, nationale Flüge zu zählen - internationale Flüge werden in der Klimabilanz aktuell gar nicht verbucht. Auch das Pariser Abkommen gab nur unscharfe Vorgaben, setzt auf Selbstregulierung der Branche. Die US-Regierung bemühte sich zuletzt vor gut 15 Jahren, Alternativen zu Kerosin zu suchen - jedoch nicht aus Gründen des Umweltschutzes.


Damals trieb die Politiker die Sorge vor "Peak-Oil" um: Die Vorräte seien erschöpft, die Ölpreise stiegen stark. Die amerikanische Luftwaffe experimentierte mit dem Fischer-Tropsch-Prinzip - dabei wird aus altem Fett und sogar Tannennadeln und Laub Biobrennstoff gewonnen. Der Teilchenausstoß dieses Treibstoffs ist 70 Prozent niedriger als der von Kerosin. Das Problem allerdings ist die Skalierbarkeit. Als der Ölpreis wieder erschwinglicher wurde und die Schieferöl-Produktion die Selbstversorgung sicherte, sank das Interesse an dem Projekt. Der Druck "sauberer" zu fliegen, wächst aber.

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Grüner, leiser und billiger

So hat Zunum Aero einen ehrgeizigen Zeitplan für ein hybrides Elektroflugzeug, das schon 2023 marktreif für kommerzielle Passagierflüge sein soll. Das würde die Luftfahrt nicht nur grüner, sondern auch leiser und billiger machen. Ziel ist, bislang wenig genutzte Regionalflughäfen besser auszulasten und sogar die Flugzeiten auf Strecken wie Seattle und San José, San Francisco und Los Angeles, Memphis und New York oder Chicago zu halbieren.

Während der energieintensiven Startphase oder etwa bei starkem Gegenwind treibt ein konventioneller Jetantrieb das Flugzeug an, beim Gleitflug und der Landung wird dann auf Elektrobetrieb umgestellt. So soll die Hälfte des Kerosins eingespart werden. Die derzeit auf dem Markt befindlichen Batterien erreichen allein nicht die nötige Energiedichte für ein größeres Flugzeug. Sie sind zu groß und zu schwer für einen längeren Flugbetrieb. Klassische Jetmotoren sind ebenfalls zu groß und zu schwer für ein Hybrid-Flugzeug. Zunum Aero löst das Problem mit Hubschraubermotoren. Die sind leichter und besitzen mehr Schubkraft als traditionelle Motoren.

Ihre Wahl: Ein modifizierter Ardiden-3Z-Motor des französischen Motorenbauers Safran Helicopter Engines. Dieser wird an einen 500 Kilowatt Strom-Turbogenerator angeschlossen, der zwei Ventilatoren ankurbelt. Ziel ist, mit dem Zunum-Hybridflugzeug die Emissionen um 80 Prozent zu reduzieren und Kurzstreckenflüge um 40 bis 80 Prozent billiger zu machen. Jetsuite, eine Charter- Flugzeug-Tochter von Jetblue, hat bereits 100 Zunum-Flugzeuge bestellt.

Auf Boeing sollte man aktuell eher nicht setzen, um an der Zukunft mit Hybridflugzeugen zu partizipieren. Wie erheblich der Schaden aus den Abstürzen der 737 Max in Indonesien und Äthiopien wird, ist noch offen. Alternativ könnten Anleger auch auf das europäische Gegenteam spekulieren und Airbus, Siemens und Rolls-Royce einkaufen - aber auch bei ihnen haben andere Faktoren mehr Einfluss auf die Aktienkurse. Dagegen ist Jetblue ein kompakteres Unternehmen, das sowohl durch Zunum als auch durch den Betrieb der Hybrid-Jets mit seiner Tochter Jetsuite direkt profitieren könnte. Die Aktie war ein Publikumsliebling, als das Unternehmen vor 19 Jahren gegründet wurde.

Als erste Airline setzte Jetsuite darauf, dass Annehmlichkeiten wie nagelneue Jets, mehr Beinfreiheit, kostenloses TV-Programm und Internet sowie kleine Snacks die Laune der Fluggäste deutlich heben. Seit 2017 aber ist die Luft heraus aus der Jetblue-Aktie, 2018 ist sie sogar um fast 20 Prozent gefallen. Heute rangiert Jetblue bei wichtigen Bewertungskennzahlen am unteren Ende der Wettbewerberliste.

Das Jetblue-Management hat ein Kostensparprogramm durchgesetzt und will durch neue Software im Management von Airport-Personal und Besatzungsmanagement 300 Millionen Dollar einsparen. Ab kommendem Jahr soll der Gewinn von 30 bis 40 Cent je Aktie auf 2,50 bis drei Dollar klettern. Angesichts des KGV von nur 8,5 Prozent ist die Aktie ein Kauf - wenn man geduldig genug ist, ein paar Jahre auf mögliche Effekte des Zunum-Investments zu warten.

Ein direkterer Weg, von den hybriden Flugzeugen der Zukunft zu profitieren, ist auch ein Investment in den Luft- und Raumfahrtkonzern Safran. Das in Paris notierte Unternehmen ist führend bei Hubschraubermotoren und die Nummer 2 im Weltmarkt für Flugzeugmotoren. Der Hubschraubermarkt soll Marktforschungsgesellschaften zufolge bis 2028 jährlich um mehr als vier Prozent wachsen. Safran plant, in diesem Jahr 900 Motoren zu bauen - eine Steigerung um 23 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das operative Ergebnis soll laut Management 2019 um zwölf Prozent wachsen. Gerade bei Innovationen ist Safran stark: Das Unternehmen wird neben Zunum auch das Bell Nexus Air Taxi, das vertikal starten und landen soll, mit Motoren ausstatten. Dazu kommen Motoren für den Airbus Racer, einen Hubschrauber, der 400 Stundenkilometer schnell sein soll.


Die Franzosen liefern außerdem die Triebwerke für die Boeing 737 und für die 737 Max. Sie haben jedoch bei den Abstürzen keine Rolle gespielt. Aber die Aktie des Unternehmens kann in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn mehr Airlines dem Beispiel von Lion Air folgen sollten und ihre Orders für das Flugzeug streichen. Berenberg-Analyst Andrew Gollan hat eben erst sein Kursziel für Safran von 125 auf 135 Euro hochgesetzt und die Kaufempfehlung beibehalten: Auch BÖRSE -ONLINE erhöht den Zielkurs für den Titel, den Stoppkurs passen wir an. Führen die Anstrengungen von Zunum Air und anderen Entwicklern von Hybrid-flugzeugen zum Erfolg, kann man wieder mit besserem Gewissen fliegen. Das könnte vielleicht sogar Malena Ernman wieder umstimmen. Ihre Fans auf anderen Kontinenten dürfte es freuen.

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Die Folgen der Abstürze zweier Flugzeuge des Typs Boeing 737 Max


Der Absturz der Boeing 737 Max wirbelt die Aktien der Luftfahrtbranche durcheinander. Seit dem Vorfall in Äthiopien sind die Aktien des Flugzeugbauers Boeing um 20 Prozent auf 360 US-Dollar eingebrochen. Bis auf Weiteres sind alle Flugzeuge dieses Typs stillgelegt. Die langfristigen Folgen für Boeing lassen sich noch nicht absehen - die Krise weitet sich aktuell eher noch aus. Bislang haben nur Lion Air und Air Garuda ihre Orders für das Flugzeug komplett gestrichen; Air Qatar verschiebt die Annahme der für nächsten Monat erwarteten ersten von insgesamt 20 georderten Maschinen auf nicht absehbare Zeit. Boeing aber produziert weiter. Ob sich das Modell, das nah an die Grenze des technologisch Machbaren geht, langfristig wie geplant verkaufen lässt, ist ungewiss - Imageschaden und Vertrauensverlust sind groß. Von in Zukunft weniger Verkäufen mitbetroffen wäre auch der Triebwerklieferant Safran.

Wie groß der konkrete Schaden ausfällt, hängt von der Länge des Flugverbots ab. Analysten der Investmentbank Cowan schätzen, dass ein dreimonatiges Flugverbot für Boeing die Einbuße eines Drittels des jährlichen Cashflows von 15 Milliarden US-Dollar bedeuten würde. Weil alle Luftfahrtbehörden jetzt eigene, von der amerikanischen FAA unabhängige Zulassungsprüfungen durchführen wollen, kann es deutlich länger dauern. Schadenersatz für die Familien der Absturzopfer sowie die Kosten für die Nachbesserung der Flugzeuge werden auf weitere zwei Milliarden US-Dollar geschätzt.

Gesellschaften wie Jetblue, Delta Air Lines, Alaska Airline, Allegiant Travel und Spirit Airlines, die keine 737 Max in der Flotte haben, können kurz- bis mittelfristig profitieren, weil Kunden zu ihnen wechseln. Unternehmen wie American Airlines, WestJet, Air Canada, Southwest Airlines und -United Continental hingegen, die die Boeing 737 in ihrer Flotte haben, müssen bis auf Weiteres täglich Flüge -streichen - American Airlines beispielsweise 90 pro Tag. Das senkt die Profitabilität.