Daimler-Chef Dieter Zetsche erwartet auch im Falle einer Zinswende in den USA keine Rückschläge auf dem wichtigen US-Automarkt. "Selbst wenn der US-Leitzins auf zwei Prozent steigen sollte, wären die Vereinigten Staaten kein anderer Markt für uns", sagte Zetsche am Dienstag in einem Gespräch mit Journalisten am Rande der IAA gegenüber BÖRSE ONLINE.

Nach Jahren mit harten Rückschlägen geht es auf dem US-Automarkt derzeit wieder steil bergauf. Alleine von Januar bis August legte der Pkw-Absatz zwischen New York und San Francisco um vier Prozent auf 10,76 Millionen Fahrzeuge zu. Im Gesamtjahr dürften die Verkäufe gegenüber dem Vorjahr Analysten zufolge um rund acht Prozent auf 17,8 Millionen Autos steigen. Damit steht die Branche vor dem besten Jahr seit 2001.

Mögliche Leitzins-Erhöhung drückt auf die Stimmung



In den vergangenen Wochen ist die Euphorie jedoch wieder abgeflaut. Grund waren erneute Spekulationen über eine mögliche Zinsanhebung. Der Offenmarkt-Ausschuss der US-Notenbank kommt am Mittwoch und Donnerstag zu seiner nächsten turnusgemäßen Sitzung zusammen. Dann könnten die Notenbanker die erste Zinsanhebung seit fast zehn Jahren beschließen, erwarten zahlreiche Beobachter.

Vor diesem Hintergrund zeigten sich erste Analysten besorgt. Sollte die Fed die Zinswende einleiten, könnte die Pkw-Nachfrage in den USA einen empfindlichen Dämpfer erhalten, warnten mehrere Experten. Diese Sorge teilt Zetsche jedoch nicht. Seit drei Jahren werde in den USA über eine Zinswende spekuliert, erinnerte er. Sollten die Notenbanker Fed tatsächlich an der Zinsschraube drehen, würde dies wohl vor allem Schwellenländer treffen. In den USA hätte eine entsprechende Fed-Entscheidung dagegen "allenfalls eine psychologische Wirkung", sagte der Daimler-Chef. An einen "Riesenknalleffekt" glaube er daher nicht.

Auf Seite 2: Keine Eintrübung in China





Keine Eintrübung in China



Auch auf dem größten Automarkt der Welt sieht Zetsche weiterhin keine Anzeichen für eine Eintrübung. Die Marke mit dem Stern hatte dank starker Nachfrage nach der C-Klasse und dem kleinen Geländewagen GLA alleine im August ein Absatzplus von 48 Prozent hingelegt. BMW kam im Reich der Mitte dagegen zuletzt auf einen mageren Zuwachs von 4,1 Prozent. Audi musste zuletzt gar ein Minus von 1,4 Prozent verkraften.

Dabei hatten die Hersteller dort jahrelang immer neue Absatzrekorde eingefahren. Doch nach Jahren mit satten zweistelligen Wachstumsraten hat sich die Lage zuletzt spürbar eingetrübt. Neben der schwächelnden Konjunktur drückt auch der Börsencrash im Land auf die Stimmung.

Angesichts dessen schlagen BMW und Audi leisere Töne an - und treten auf die Bremse. Man werde die Produktion im Reich der Mitte zurückfahren, erklärten beide Konzerne zuletzt unisono. Erst am Montag hatte auch der Branchenverband VDA seine Prognose für die Entwicklung in China deutlich gesenkt. Statt eines Absatzplus’ von sieben Prozent rechnet der VDA nun noch mit einem Zuwachs von drei Prozent. Chinesische Branchenverbände rechnen für 2015 inzwischen sogar mit einem Minus.

Doch von derlei Rückschlägen bleibt Daimler in China bislang offenbar verschont. "Wir hatten auch im September wieder sehr signifikante Wachstumszahlen", sagte Zetsche am Dienstag. Auch für das nächste Jahr sei man "optimistisch". Zur Begründung verwies der Manager mit dem charakteristischen Bart vor allem auf die anhaltende Modelloffensive. So will der Konzern etwa bis Jahresende vor allem mit zahlreichen neuen Offroadern wie dem massentauglichen GLC oder dem GLE bei gestressten Großstädtern punkten.

Auch bei der geplanten Ausweitung der Produktionskapazitäten in China wollen die Stuttgarter keine Abstriche machen: "Wir haben keine Revision unserer Pläne", sagte Zetsche. Das maximale Risiko, sei, "dass wir Kapazitäten etwas später füllen können, aber nicht, dass sie zu Überkapazitäten werden können."

Kampfangsage an Audi



Unterdessen sieht der Daimler-Chef gute Chancen, im laufenden Jahr bei den Verkäufen erstmals seit 2010 auch zum Jahresende wieder an Audi vorzuziehen. Gemessen an den Absatzzahlen hatten die Schwaben mit 1,19 Millionen verkauften Fahrzeugen bereits im August knapp vor Audi gelegen. Er halte es mit Blick auf die anhaltende Modelloffensive im Herbst für "wahrscheinlich, dass dies auch zum Ende des Jahres der Fall sein wird", sagte Zetsche vor Journalisten.

Auf Seite 3: Unsere Einschätzung zur Aktie





Unsere Einschätzung zur Aktie



Daimler bleibt auf der Überholspur. Beinahe im Monatsabstand bringen die Schwaben derzeit neue Modelle an den Start. Bis Ende des Jahres will der Konzern vor allem bei SUVs angreifen. Mit dem neuen und auf der IAA in Frankfurt viel beachteten GLC hat der Konzern einen potenziellen Kassenschlager im Angebot. Dazu kommt der Facelift bei der ehemaligen M-Klasse, in der neuen Mercedes-Nomenklatura jetzt GLE, sowie der GLS (GL). Zudem lockt der Konzern die sehr betuchte Klientel mit dem verführerischen S-Klasse-Cabrio, dem GLE Coupé und 2016 mit der komplett neuen E-Klasse.

Die bislang überaus erfolgreiche Modelloffensive dürfte sich nach Einschätzung von Analysten auch in weiter steigenden Ergebnissen niederschlagen. 2015 dürfte der Umsatz um 9,4 Prozent auf 142 Milliarden Euro steigen, schätzt etwa Christian Ludwig, Autoanalyst beim Bankhaus Lampe. Das operative Ergebnis soll mit 11,5 Prozent auf 11,98 Milliarden Euro sogar noch schneller steigen. Dazu dürfte Daimler-Finanzchef Bodo Uebber im laufenden Jahr freie Mittelzuflüssen (Free Cash Flow) von über 3,7 Milliarden Euro verbuchen.

Auch charttechnisch ist alles im grünen Bereich. Nach der jüngsten Kurskorrektur hat sich die Daimler-Aktie wieder gefangen und einen stabilen Boden in der Zone zwischen 66 und 68 Euro gebildet. Nach unten ist das Papier damit derzeit gut abgesichert. Nach dem jüngsten Comeback hat sich das Papier wieder an die Marke von 76 Euro herangepirscht. Fällt die, ist der Weg in die Zone bei 80 bis 84 Euro frei. Daimler bleibt unser Top-Pick im Automobil-Sektor. Kaufen.