"Die deutsche Wirtschaft bleibt ein Fels in der Brandung", sagte Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn am Dienstag zur Umfrage des Münchner Instituts unter 7000 Managern. Die Befragten beurteilten die Geschäftslage besser, die Aussichten dagegen pessimistischer. Ökonomen sind sich aber einig: Spurlos wird die Konjunkturschwäche in China nicht an der exportabhängigen deutschen Wirtschaft vorbeigehen.

Das sieht der französische Wirtschaftsminister Emmanuel Macron genauso. "Ich denke, wir werden ein sehr schwaches Wachstum sehen", sagte Macron in Berlin mit Blick auf die Volksrepublik. In den kommenden sechs bis acht Monaten werde die Lage dort sehr schwierig sein. "Die deutsche Wirtschaft wird davon mehr betroffen sein, denn der Anteil ihrer Exporte nach China ist höher als der Frankreichs", sagte Macron.

Auf Seite 2: REGIERUNG HÄLT AN PROGNOSEN FEST





REGIERUNG HÄLT AN PROGNOSEN FEST



Die Bundesregierung sieht dagegen trotz der Sorgen um China keinen Grund zu Pessimismus. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel erwartet, "dass das nicht dazu beitragen wird, die deutsche Entwicklung zu beeinträchtigen" - zumal Europa wieder genese. "Sie sehen an der Entwicklung des Euro: es gibt wieder eine höhere Attraktivität Europas", sagte Gabriel. "Deswegen glaube ich, dass wir unsere gute wirtschaftliche Entwicklung fortsetzen werden." Die Regierung hält an ihren Wachstumsprognosen fest. "Wir liegen auf Kurs", sagte der Abteilungsleiter im Bundeswirtschaftsministerium, Jeromin Zettelmeyer. "Unsere Prognosen galten zunächst als vorsichtig, sie sind aber realistisch, wie sich jetzt zeigt." Die Regierung rechnet für dieses und für kommendes Jahr mit einem Wachstum von 1,8 Prozent. 2014 waren es 1,6 Prozent.

China sorgt derzeit mit einem Börseneinbruch für Schlagzeilen, der auch weltweit die Finanzmärkte nach unten gezogen hat. Schlechte Konjunkturdaten nähren die Sorge, dass die Regierung ihre Wachstumsziel von sieben Prozent in diesem Jahr verfehlen wird - es wäre ohnehin das schwächste seit einem Vierteljahrhundert. Die Exporte brachen im Juli ein, die Stimmung in der Industrie ist derzeit schlecht wie seit Jahren nicht mehr. Die Volksrepublik ist viertgrößter Kunde der deutschen Exportwirtschaft: Sie setzte dort im vergangenen Jahr Waren im Wert von 75 Milliarden Euro ab.

Wie sich die Entwicklung auf die deutsche Wirtschaft auswirkt, geht aus dem aktuellen Ifo-Barometer nicht hervor. Die jüngsten Turbulenzen in der nach den USA zweitgrößten Volkswirtschaft seien in der Manager-Umfrage noch gar nicht enthalten, warnt Ifo-Experte Klaus Wohlrabe davor, den überraschenden Anstieg des Barometers überzubewerten. Denn der Großteil der Antworten ging bereits Anfang des Monats und damit vor der jüngsten Zuspitzung ein. "Das Thema China und Schwellenländer wird in der zukünftigen Entwicklung einen stärkeren Stellenwert haben", sagte Wohlrabe. Die Exporterwartungen der Unternehmen seien bereits fünf Monate in Folge gefallen. "Man glaubt nicht mehr daran, dass es große Zuwächse beim Export gibt", sagte der Ifo-Konjunkturexperte.

Auf Seite 3: "KEIN ÜBERSCHÄUMENDES WACHSTUM"





"KEIN ÜBERSCHÄUMENDES WACHSTUM"



Das beurteilen andere Experten genauso. "Die Exportaussichten werden von Wolken überschattet", sagte Nordea-Ökonom Holger Sandte. "Es braucht keine harte Landung in China, um die Investitionslust der deutschen Unternehmen zu bremsen. Es reicht der begründete Verdacht, dass China und andere Schwellenländer weniger wachsen als in den vergangenen Jahren." Dorthin gehen immerhin rund 40 Prozent der deutschen Exporte. "Viele Schwellenländer wie China, Brasilien und Russland sind in schwierigem Fahrwasser", sagte der Chevolkswirt von HSBC Trinkaus, Stefan Schilbe. "An der Entwicklung dieser Absatzmärkte hängen wieder die Investitionen der deutschen Unternehmen."

Diese enttäuschten zuletzt einmal mehr. Von April bis Juni gaben die Unternehmen lediglich 0,1 Prozent für Fahrzeuge, Maschinen und andere Investitionsgüter aus als im Vorquartal. Trotzdem wuchs das Bruttoinlandsprodukt mit 0,4 Prozent etwas schneller als zu Jahresbeginn, wofür steigende Exporte und Konsumausgaben sorgten. "Die Binnenkonjunktur läuft nicht rund", sagte Ökonomin Ulrike Kastens von Sal. Oppenheim. "Bau und Konsum entwickeln sich ordentlich, die Investitionen hinken dagegen hinterher. Wir haben zwar ein Wachstum, aber kein überschäumendes."

Reuters