Die Bank of Japan hält an ihrer ultralockeren Geldpolitik fest – noch. Warum japanische Aktien trotzdem zum Einstieg locken. Von Julia Pfanner

Japanische und chinesische Aktien steigen seit Wochen stark. Doch ist es für Anleger jetzt bereits zu spät, um noch auf den fahrenden Zug aufzuspringen? Und wenn man investieren möchte: Was sind die besten Produkte?

Eigentlich sind die Voraussetzungen für japanische Aktien sehr gut. Während andere große Zentralbanken wie die Europäische Zentralbank oder die Fed in den USA die Zinsen straffen, hält die Bank of Japan (BoJ) an ihrer ultralockeren Geldpolitik fest. Die Inflation ist im Vergleich zu Europa oder den USA niedrig. Die exportorientierten japanischen Unternehmen profitieren vom schwachen Yen. Die lockere Geldpolitik in Kombination mit staatlichen Konjunkturprogrammen bedeute, „dass Japan 2023 mit einer erwarteten Wirtschaftswachstumsrate von 1,3 Prozent der Spitzenreiter im Wachstum unter den großen entwickelten Volkswirtschaften werden könnte“, sagt Edgar Walk, Chefvolkswirt von Metzler Asset Management. Die Bilanzen der Firmen sind sehr gut, die Bewertungen günstig. Mit 12,9 liegt das KGV des breiten Topix-Index unter dem Zehn-Jahres-Durchschnitt von 14,6. 2023 wird ein Gewinnwachstum für die im Topix notierten Unternehmen von neun bis zehn Prozent erwartet. Nun verdichten sich aber die Anzeichen, dass die BoJ ihren Kurs ändern könnte. 

Japan: Zinserhöhungen voraus?

Im Dezember erreichte die Inflation in Japan mit vier Prozent den höchsten Stand seit 41 Jahren. Beim jüngsten Zinsentscheid Mitte Januar ließ die BoJ den Leitzins noch bei –0,1 Prozent, die Obergrenze für die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen ließ sie bei 0,5 Prozent. Notenbankchef Kuroda geht im April nach zehnjähriger Amtszeit in den Ruhestand. Als Nachfolger gehandelte Kandidaten wie Hiroshi Nakaso, Masayoshi Amamiya oder Hirohide Yamaguchi gelten als Vertreter einer strafferen Geldpolitik. Gut möglich, dass der Leitzins dieses Jahr etwas steigt, auch um den Anstieg der Inflation zu bremsen. Die BoJ hofft, dass die Unternehmen die Löhne anheben, was dabei helfen könnte, das Inflationsziel von zwei Prozent stabil und nachhaltig zu erreichen. Jüngst machte Einzelhändler Uniqlo Schlagzeilen, weil er die Gehälter seiner Mitarbeiter in Japan bis zu 40 Prozent steigern will. Möglich, dass der Schritt die im Frühjahr anstehenden Forderungen der großen Gewerkschaften beeinflusst.

Aussichten bleiben gut

Alles vorbei mit den guten Aussichten für japanische Aktien? Eher nicht. Ändert sich die Geldpolitik, dürfte das am Aktienmarkt für unruhigere Zeiten sorgen, meint Joachim Schallmayer, Leiter Kapitalmärkte und Strategie bei der Dekabank. „Rückschläge dürften aufgrund der moderaten Bewertungen aber begrenzt bleiben.“ Der Yen dürfte aufwerten. Doch: „Japanische Unternehmen haben in den letzten Jahrzehnten große Teile ihrer Produktion ins Ausland verlegt, um sich unabhängiger von den Währungseffekten zu machen. Exportorientierte Unternehmen können auch mit einem Wechselkurs von 105 bis 110 Yen pro US-Dollar gut leben“, sagt Lilian Haag, Portfoliomanagerin globale Aktien bei der DWS. Importkosten würden sinken. Zwar hängen die japanischen Firmen stark an der globalen Konjunktur. Eine Rezession in Europa oder den USA würde auch sie treffen. Besonders wichtig ist aber die wirtschaftliche Entwicklung im asiatischen Raum. Die Abkehr Chinas von der Null-Covid-Strategie verbessert in Japan die Perspektiven für Konjunktur und Unternehmensgewinne. In Sachen Dividenden und Aktienrückkäufe spricht der Trend sowieso für Aktionäre. „Die japanischen Unternehmen haben sich in den vergangenen Jahren zunehmend

dem Shareholder-Value-Gedanken geöffnet. Das bedeutet, dass sie wesentlich stärker im Sinne ihrer Anteilseigner agieren, als das noch vor Jahren der Fall war“, sagt Schallmayer. Das spricht für steigende Dividenden. Wer auf japanische Unternehmen setzen will, kann das etwa mit einem ETF auf den Topix tun. Aber auch ein Blick auf Einzeltitel kann sich lohnen.

Japan-Investments

E-Motoren und ein Konglomerat

Beim Elektromotorenkonzern Nidec hat im Frühjahr 2022 wieder der exzentrische Gründer und größte Aktionär Shigenobu Nagamori das Ruder übernommen. Durch die Rückkehr des heute 78-Jährigen an die Konzernspitze sehen Analysten von JP Morgan die Chance, dass sich das Gewinnwachstum wieder beschleunigt. Gerade halbierte der Konzern allerdings den Ausblick für den operativen Gewinn fürs laufende Geschäftsjahr fast, vor allem wegen Restrukturierungsaufwendungen. Der Konzern muss Kosten sparen. Die Nachfrage nach Technologieprodukten und die Erholung der Autoindustrie sind schwächer als erwartet. Niedrigere Kosten könnten im kommenden Geschäftsjahr aber für eine schnelle Erholung sorgen, Fusionen und Übernahmen weiter ein Kurstreiber sein. Nidecs Motoren kommen etwa in E-Autos, Haushaltsgeräten und in der Industrie zum Einsatz.

2020 kaufte sich Börsenlegende Warren Buffett über seine Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway groß in fünf japanische Handelsfirmen ein. Vergangenen November stockte er die Beteiligungen auf je über sechs Prozent auf. Einer der Konzerne: Mitsubishi, ein Konglomerat mit Geschäften in Bereichen wie Erdgas, Erdöl, Chemie, Energie, Lebensmittel, Industrie, Metalle, Konsumgüter, Stadtentwicklung und Autos. Der Konzern profitierte zuletzt von gestiegenen Energie- und Kokskohlepreisen. Im kommenden Geschäftsjahr dürfte der Nettogewinn auch wegen deutlich fallender Kokskohlepreise und hoher Vergleichswerte deutlich zurückgehen. Die Aktie ist mit einem KGV von 7,2 aber günstig bewertet, mit einem KBV von 0,8 notiert sie unter Buchwert. Die Ankündigung weiterer Aktienrückkäufe könnte den Kurs treiben.

Pokémon, Klimaanlagen und Chips

Auch Nintendo ist mit einem KGV von 15,3 zumindest im historischen Durchschnitt nicht teuer. Die bisher erfolgreichste Konsole des Spielekonzerns, die Nintendo Switch, ist mit sechs Jahren recht alt. Der Lebenszyklus der meisten Nintendo-Heimkonsolen ist typischerweise fünf bis sechs Jahre, die Verkäufe waren schon im Geschäftsjahr 2021 rückläufig. Doch Nintendo scheint weiter auf sein Rekordmodell zu setzen. Bloomberg berichtete jüngst mit Bezug auf Insider, der Konzern plane, die Produktion im kommenden Geschäftsjahr zu erhöhen. Das wegen Teileknappheit auf 19 Millionen Stück gekürzte Verkaufsziel im laufenden Geschäftsjahr (bis Ende März) könnte der Konzern demnach um zwei Millionen übertreffen. Nintendo sei überzeugt, dass es mehr herstellen könne und die Nachfrage stark bleibe. Im November legten die neuen Pokémon-Spiele den besten Verkaufsstart in der Konzerngeschichte hin. Spiele wie „Pokémon“, „Super Mario“ oder „The Legend of Zelda“ sorgen für einen starken Cashflow. Eine neue Konsole wäre aber wohl nicht unwichtig fürs Geschäft und könnte Auftrieb verleihen.

Sumco ist einer der größten Hersteller von Siliziumwafern. Chips stecken in vielen modernen Technologien — von Rechenzentren bis Autos. Die Nachfrage nach Wafern steigt, was laut den Experten von Bloomberg mindestens bis 2024 so bleiben könnte. Sumco könnte in der Lage sein, die Preise für langfristige Verträge deutlich anzuheben. Das würde wiederum die Möglichkeit eröffnen, mehr Geld etwa per Dividende an die Aktionäre auszuschütten. Zuletzt produzierte Sumco wegen starker Nachfrage mit voller Kapazität. Die Aktie ist mit einem KGV von 9,2 günstig bewertet.

Daikin ist der größte Klimaanlagenhersteller der Welt. In Asien wächst die Nachfrage nach solchen Geräten. Daneben könnte Daikin von Dekarbonisierungsbestrebungen profitieren, vor allem mit Wärmepumpen in Europa und Wechselrichtern in den USA. Der Konzern hat energieeffiziente Modelle im Programm. Wegen Daikins Kostensenkungen schon ab der Produktentwicklung sowie wegen sinkender Rohstoffpreise rechnen Analysten von Mizuho Securities mittel- bis langfristig mit weiter robustem Gewinnwachstum.

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Dieser Artikel erschien zuerst in BÖRSE ONLINE 04/2023. Hier erhalten Sie einen Einblick ins Heft.