DIESEL-VERGLEICH IN DEN USA


Die Beilegung des Streits mit Umwelt, Zoll- und Justizbehörden sowie den Haltern von rund 250.000 Mercedes-Diesel-Fahrzeugen kostet den Stuttgarter Autobauer insgesamt gut zwei Milliarden Euro. Daimler kauft sich damit vom Vorwurf frei, dass Modelle der Baujahre 2009 bis 2016 mehr Stickoxid (NOx) ausstießen als erlaubt. Deswegen wurde eine Zivilstrafe von umgerechnet knapp 740 Millionen Euro verhängt. Gut 590 Millionen Euro kostet die Beilegung von Verbraucher-Sammelklagen. Die übrigen Kosten fallen für die Verbesserung der firmeneigenen Kontrollen an, die Rechtsverstöße verhindern sollen, sowie für Servicemaßnahmen bei den betroffenen Fahrzeugen und für Umweltprojekte zur Minderung der NOx-Belastung. Daimler bestreitet aber weiterhin rechtliche Vorwürfe, den Schadstoff-Ausstoß gezielt manipuliert zu haben: "Die Vergleiche beenden die anhängigen Zivilverfahren des Unternehmens mit den US-Behörden ohne festzustellen, ob Funktionalitäten in den Fahrzeugen des Unternehmens unzulässige Abschalteinrichtungen sind." Denn unabhängig davon laufen in den USA noch strafrechtliche Ermittlungen.

DIESEL-RÜCKRUFE IN EUROPA


Wegen Abschalteinrichtungen bei der Abgasreinigung, die nach Auffassung des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) illegal sind, gab es mehrere Rückrufe. Der Grenzwert für Stickoxide wird bei den Fahrzeugen nur auf dem Prüfstand eingehalten. Auf der Straße sind die Emissionen höher als erlaubt. Nach EU-Recht darf die Abgasreinigung bei niedriger Temperatur gedrosselt werden, wenn der Motor sonst beschädigt würde. Daimler hält die Steuerung deshalb für zulässig und legte Widerspruch gegen den Bescheid des KBA ein. Das Verfahren ist noch offen. Dennoch verringert der Autobauer über Software-Updates den Stickoxid-Ausstoß.

Seit Mitte 2018 wurden rund 1,3 Millionen Fahrzeuge von Mercedes-Benz wegen "unzulässiger Abschalteinrichtungen" auf KBA-Anordnung zurückgerufen. Davon ist etwa eine halbe Million in Deutschland zugelassen. Betroffen ist fast die gesamte Modellpalette mit Motoren der Abgasnormen Euro 5 und 6. Mitte 2017 hatte Daimler eine "freiwillige Servicemaßnahme" für drei Millionen Diesel-Pkw in Europa angekündigt, die per Software-Update emissionsärmer werden sollen. Darin ist der Großteil der amtlich zurückgerufenen Fahrzeuge enthalten.

SCHADENERSATZKLAGEN


Tausende Mercedes-Diesel-Besitzer verklagten Daimler in Deutschland auf Schadenersatz, weil der Autobauer sie über den Stickoxid-Ausstoß ihrer Fahrzeuge getäuscht habe. Die Klagen wurden bisher überwiegend abgewiesen: Vor Landgerichten scheiterten nach Angaben von Daimler mehr als 3250 Kläger, in 144 Fällen gewannen die Autobesitzer. Oberlandesgerichte gaben Daimler in gut 140 Fällen recht und bisher keinem Verbraucher. Der Bundesgerichtshof wird als höchste Instanz am 27. Oktober über die Klage eines Mercedes-Besitzers verhandeln.

Auch Aktienanleger klagen auf Schadenersatz. So reichte allein die Anwaltskanzlei Tilp Ende 2019 für rund 220 institutionelle Investoren Klagen mit Forderungen von insgesamt 900 Millionen Euro ein. Sie werfen dem Unternehmen vor, seit 2012 den Kapitalmarkt über die Risiken durch illegale Abschalteinrichtungen nicht informiert zu haben. Deshalb hätten sie Daimler-Aktien zu teuer erworben. Beim Landgericht Stuttgart wurden dazu mehrere Anträge auf Musterverfahren gestellt.

ERMITTLUNGEN UND GELDSTRAFE


Seit dem Frühjahr 2017 ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen bekannte und unbekannte Mitarbeiter von Daimler wegen Betruges und strafbarer Werbung. Unabhängig davon verhängte die Staatsanwaltschaft eine Geldbuße von 870 Millionen Euro wegen einer Ordnungswidrigkeit. In einer mit der Fahrzeugzertifizierung befassten Abteilung sei die Aufsichtspflicht ab 2008 verletzt worden. Für Diesel-Fahrzeuge seien deshalb behördliche Genehmigungen erteilt worden, "obwohl deren Ausstoß von Stickoxiden teilweise nicht den regulatorischen Anforderungen entsprach."

RÜCKSTELLUNGEN


Daimler legt mit Verweis auf prozesstaktische Gründe nicht genau offen, in welcher Höhe Rückstellungen für die Kosten des Dieselskandals gebildet wurden. Für das zweite Quartal 2019 nannte der Konzern erstmals eine Summe von 2,55 Milliarden Euro. Im Jahr zuvor war von einem mittleren dreistelligen Millionenbetrag die Rede. Die freiwillige Servicemaßnahme sollte ursprünglich 220 Millionen Euro kosten. Im Januar bezifferte der Konzern einen zusätzlichen Aufwand einschließlich Rückstellungen auf 1,1 bis 1,5 Milliarden Euro. Die Kosten von Dieselgate lassen sich damit auf rund fünf Milliarden Euro schätzen.

rtr