Vor dem Auslaufen der staatlichen Förderung gibt es einen Run auf E-Autos. Die Verkaufszahlen der Hersteller schnellen empor. Die Neuzulassungen stiegen im November um über ein Drittel an. Doch in China hängen VW, Mercedes und BMW zurück. Bei letzteren sind auch die Analysten zuletzt skeptisch geworden.

Die bevorstehende Kürzung der staatlichen E-Auto-Förderung hat dem Autoabsatz hierzulande im November einen ordentlichen Schub verschafft. Im abgelaufenen Monat wurden genau 260.512 Neuwagen zugelassen und damit 31,4 Prozent mehr als im Vorjahresmonat, teilte das Kraftfahrt-Bundesamt am Montag mit.

Im November erstmals sechsstellige E-Auto-Neuzulassungen

Erstmals sind mehr als 100.000 Autos mit elektrischem Antrieb an ihre Erstbesitzer gegangen, erklärte der Verband der Automobilindustrie (VDA) zur "Jahresendrallye" am deutschen Automarkt. "Viele Kunden und Händler wollen noch möglichst viele E-Fahrzeuge neu zulassen, bevor Anfang 2023 die Umweltbonus-Förderung deutlich gekürzt wird", erklärte der Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK).

Laut VDIK rollten mit 102.600 reinen E-Autos und Plug-in-Hybriden 50 Prozent mehr Neuwagen auf die Straße als im November letzten Jahres. Fast vier von zehn neuen Pkw hatten damit einen Batterieantrieb. Plug-in-Hybride waren demnach besonders gefragt, denn ihre Förderung entfällt bereits im Januar komplett.

Gute Zuwächse bei Audi, Ford, Mercedes und VW

Mit Ausnahme von Mini und Opel konnten im November alle Hersteller ihr Ergebnis aus dem Vorjahr verbessern. Besonders gut lief es für Audi. Die VW-Tochtermarke konnte ihre Zulassungszahlen mehr als verdoppeln (siehe alphabetische Auflistung).

•    Audi: +109,1 Prozent ggü. November 2021
•    BMW: +13,4 Prozent
•    Ford: +45,3 Prozent
•    Mercedes: +34 Prozent
•    Mini: -6,8 Prozent
•    Opel: -2 Prozent
•    Porsche: +14,8 Prozent
•    VW: +58,3 Prozent

Auch im zuletzt zurückhaltenden chinesischen Markt ging es für die Autobauer wieder bergauf. Im dritten Quartal legten die deutschen Hersteller beim Absatz um 28 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal zu, nachdem sich die Zahlen zuletzt eher rückläufig entwickelt hatten. Am stärksten wuchs Mercedes-Benz mit einem Plus von 67 Prozent. "In China wachsen die Bäume längst nicht mehr in den Himmel, der Markt ist sehr wettbewerbsintensiv und anspruchsvoll", sagte EY-Branchenberater Peter Fuß.

Deutsche E-Autos in China hintenan

Insgesamt bleiben die deutschen E-Autos in China hinter den Erwartungen zurück. Grund dafür ist wohl vor allem das Technologie-Verständnis der Deutschen: Das Branchenportal Motorsport Total argumentierte bereits im Juni, dass Marken wie Volkswagen nicht ausreichend Elektronik-Funktionen bieten können. In China erwartet man, dass ein Auto wie "ein Smartphone auf vier Rädern" funktioniert. Konnektivität, Apps und Funktionen seien im Reich der Mitte sehr wichtig. Als einzige ausländische Marke schaffte es Tesla im Sommer in die China-Top-10.

Die deutschen Marken wie VW, Audi, Mercedes oder BMW drohen im Reich der Mitte zu großen Verlierern zu werden. In nahezu allen Segmenten und Fahrzeugklassen geraten deutsche Elektroautos unter Druck.

Das zeigen alarmierende Zahlen in China, wie das Handelsblatt heute schreibt. Von den fast 3,6 Millionen reinen Elektroauto, die in der Volksrepublik nach neun Monaten im laufenden Jahr verkauft wurden, stammen schätzungsweise noch nicht einmal fünf Prozent von deutschen Marken. Lokale Anbieter wie BYD, GAC (Aion), Li Auto oder Nio dominieren den Markt.

Deutsche Premium-Hersteller müssen Preise senken

Schlimmer noch als der schleppende Absatz für die Deutschen ist, dass die Kunden in China bei Elektroautos anders als bei Verbrennern nicht bereit sind, Premium-Preisaufschläge zu akzeptieren. Mitte November musste Mercedes-Benz für die reinen Elektromodelle EQE und EQS die Verkaufspreise teils deutlich (um umgerechnet bis zu 32.000 Euro) senken.
Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer warnte daraufhin: "Meiner Einschätzung nach sollte man das sehr ernstnehmen", sagte Dudenhöffer laut dpa. Es zeige, dass die von den Stuttgartern ausgerufene Fokussierung auf hochpreisige Fahrzeuge riskant sei. "Man sollte nochmal sehr gründlich überlegen, ob das eine stabile Strategie für die Zukunft ist."

Analysten senken Kursziel für BMW-Aktie

BMW sieht sich derweil offenbar dazu gezwungen, beim nur in China erhältlichen Elektro-3er auch mal 30 Prozent Rabatt zu gewähren, um überhaupt Interessenten zu finden, berichteten lokale Medien.

Deutsche Bank Research hat am Dienstag nach einer Modell-Präsentation für den europäischen Markt das Kursziel für BMW von 130 auf 115 Euro gesenkt, die Einstufung jedoch auf "Buy" belassen. Es sei bekannt, dass BMW in puncto Elektroantrieb und -Software Nachzügler sei, schrieb Analyst Tim Rokossa in einer aktuellen Studie.

Nach der Präsentation der "Neuen Klasse" von BMW könne sich die Einstellung am Markt allerdings ändern. So könnte sich das Modell i7 besser verkaufen als der EQS des Konkurrenten Mercedes-Benz. Trotz des niedrigeren Kursziels nahm Rokossa die Aktien wieder auf die Liste der "Top Picks". 

Deutlich skeptischer ist die US-Bank JPMorgan für BMW gestimmt. Analyst Jose Asumendi stuft die Münchener mit einem Kursziel von 90 Euro mit "Neutral" ein. In Erwartung geringer schwankender Rohstoffkosten und stabilerer Lieferketten dürfte 2023 für die Automobilindustrie ein ertragsstarkes Jahr werden, schrieb Asumendi am Montag in einem Branchenausblick. Und am Donnerstag hat zudem die kanadische Bank RBC ihre Einstufung für BMW auf "Sector Perform" mit einem Kursziel von 107 Euro belassen.

Die BMW-Aktie gehört am Dienstag mit einem Abschlag von 0,8 Prozent auf 85,17 Euro im Dax zu den schwächeren Werten. Charttechnisch sieht es allerdings recht gut aus, seit die seit März intakte Seitwärtsphase mit dem Überspringen der Marke bei 84,50 Euro nach oben verlassen wurde. BÖRSE ONLINE hat zuletzt Ende September ein Kursziel von 95 Euro für BMW ausgegeben. Seitdem hat der Wert bereits rund 20 Prozent zugelegt.

BMW (WKN: 519000)

(Mit Material von Reuters und dpa)

Hinweis auf Interessenkonflikte: Der Vorstandsvorsitzende und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Volkswagen Vz., Mercedes-Benz, Porsche AG.