Die Hausse an der Wall Street hat nun schon gut fünf Jahre auf dem Buckel. Für einen Bullenmarkt ist das schon ein relativ hohes Alter. Trotzdem befinden sich die Kurse weiter auf Rekordjagd. Der S&P 500 Index hat erst am 03. Juli ein weiteres Hoch markiert. Auf dem erreichten Niveau wird es nicht wenigen Marktteilnehmern langsam mulmig. Sie fragen sich, wie weit die Kurse wohl noch steigen können, nachdem die Bewertungen inzwischen im Schnitt relativ anspruchsvoll geworden sind.

Doch wer den Kurszettel genauer durchforstet, der kann offenbar noch immer kaufenswerte Titel finden. Zumindest ist das laut Goldman Sachs der Fall. Der dortige US-Aktien-Chefstratege David Kostin hat in seinem vierteljährlichen Chartbuch zu US-Aktien jene Werte ausgefiltert, die basierend auf den Kurszielen von Goldman Sachs das größte Potenzial an Kursverlusten und Kursgewinnen aufweisen.

Bei den potenziellen Gewinnern, auf die wir uns hier konzentrieren, weisen die in dem Research-Report ausgefilterten 20 Werte ein Kurspotenzial von in der Spitze 56 Prozent auf. In dieser Gruppe befinden sich Unternehmen wie das Online-Auktionshaus eBay, der Anbieter von Cloud-Computing-Lösungen Salesforce.com, die Bekleidungs-Discounter TJX und Ross Stores, das Stahlunternehmen U.S. Steel oder der Autobauer General Motors. Die Namen der fünf Aktien mit dem größten Abstand zu den Kurszielen von Goldman Sachs zum Zeitpunkt der Drucklegung des Research-Berichtes stellen wir auf den nachfolgenden Seiten vor.

Platz fünf der US-Aktien mit dem größten Kurspotenzial: Netflix Inc. (WKN: 552484, 452,58 Dollar, 334,00 Euro), Kurspotenzial: 30,4 Prozent

Auf Platz fünf in der Liste der US-Aktien mit dem größten Kursabstand zum Kursziel von Goldman Sachs rangiert Netflix. Der Online-Videodienst-Anbieter ist zwar Anfang Juli auf neue Rekorde gestürmt, bei Goldman Sachs traut man dem Titel aber noch sehr viel mehr zu. Das Kursziel wurde unlängst auf 590 Dollar erhöht. Daraus ergibt sich ein Kurspotenzial von 34,1 Prozent. Zur Begründung hieß es bei der Anhebung, es sei mit einer Zunahme der Abonnentenzahlen über die bisherigen Erwartungen hinaus zu rechnen. Das darf wohl auch als Reaktion auf die Ankündigung einer europäischen Expansionsoffensive verstanden werden. Jedenfalls hieß es von Analystenseite, bis 2017 könnte der Video-on-Demand-Verleiher, der längt auch erfolgreich eigene Serien produziert, 62 Millionen internationale Kunden akquiriert haben. Am Ende des ersten Quartals 2014 belief sich deren Zahl erst auf 11,7 Millionen.

Mit einem dreistelligen geschätzten KGV kommt dieser Titel optisch betrachtet allerdings hoch bewertet daher. Die Anleger sind hier bereit, tief in die Taschen zu greifen, weil das Konzept von Netflix, den Kunden in den USA für rund acht Dollar Zugriff auf eine umfangreiche Videothek zu geben gut ankommt und man sich am Markt davon auch in den kommenden Jahren hohe Wachstumsraten verspricht. Die damit verbundene Möglichkeit, jederzeit das sehen zu wollen, was man möchte und das auch noch unabhängig von einem bestimmten Aufenthaltsort entspricht jedenfalls dem Zeitgeist. Allerdings sind die Erwartungen hoch und Enttäuschungen oder Rückschläge werden nicht verziehen. Deshalb kommt es darauf an, bei der Ergebnispräsentation am 21. Juli gute Zahlen vorzulegen. Analysten rechnen im Schnitt mit einem Anstieg beim Gewinn je Aktie von 0,49 auf 1,15 Dollar. Um die Rekordjagd fortzusetzen, muss diese Vorgabe zumindest erreicht oder noch besser übertroffen werden.

Platz vier der US-Aktien mit dem größten Kurspotenzial: Cabot Oil & Gas Corp. (WKN: 881646, 34,49 Dollar, 25,315 Euro), Kurspotenzial: 39,2 Prozent

In einem Seitwärtstrend steckt seit mehr als einem Jahr die Aktie von Cabot Oil & Gas fest. Wie der Name schon verrät, steckt dahinter ein Öl- und Gas-Explorer sowie -Produzent. Diese Bewegung relativiert sich aber angesichts der zuvor eingefahrenen starken Kursgewinne. Die Hoffnung, dass es mit den Notierungen mittelfristig wieder aufwärts gehen kann, knüpft sich an die sehr großen Vorkommen an Schiefergas, auf denen die Gesellschaft sitzt. Diese Versprechen hohes Wachstumspotenzial und was hier möglich ist, belegten auch die Zahlen für das erste Quartal. Der operative Umsatz stieg da von 373,29 Millionen Dollar auf 509,80 Millionen Dollar und der Nettogewinn von 42,82 Millionen auf 107,03 Millionen Dollar.

Das sind Steigerungsraten, die für das zweite Quartal am 24. Juli allerdings nicht mehr zu erwarten sind. Analysten prognostizieren hier beim Umsatz einen Anstieg von 449,68 Millionen auf 516,16 Millionen Dollar und beim Gewinn je Aktie von 0,23 auf 0,26 Dollar. Langfristig wird dann aber wieder mehr Dynamik erwartet. Im Schnitt traut man der mit einer günstigen Kostenstruktur operierenden Gesellschaft ein Plus beim Gewinn je Aktie von 51,58 Prozent p.a. zu. Diese Erwartungshaltung erklärt auch, warum trotz eines anspruchsvollen KGVs von geschätzten 30 auch allgemein die Kursziele mit im Schnitt 44,69 Dollar klar über den aktuellen Notierungen liegen. Goldman Sachs nennt als Kursziel sogar 48 Dollar, woraus sich theoretisch ein Kurspotenzial von 39,2 Prozent errechnet.

Platz drei der US-Aktien mit dem größten Kurspotenzial: PVH Corp. (WKN: A1JHA5, 112,66 Dollar, 82,33 Euro), Kurspotenzial: 42,0 Prozent

Beim Bekleidungskonzern PVH Corp. beträgt das Kurspotenzial gemessen am Goldman Sachs Kursziel von 160 Dollar momentan 42,0 Prozent. Der zuständige Analyst hofft darauf, dass sich die eingeschlagene Strategie, zu der auch regelmäßig Zukäufe gehören, bezahlt machen wird und die Gesellschaft mittelfristig mit überzeugenden Ergebnissen aufwarten kann. Im ersten Quartal 2014 hat PVH, was für Phillips-Van Heusen steht, mit dem vorgelegten Zahlenwerk aber enttäuscht. Während am Markt beim Quartalsumsatz mit 1,98 Mrd. Dollar und beim Gewinn je Aktie mit 1,49 Dollar gerechnet worden war, wurden letztlich etwas geringere 1,96 Milliarden Dollar und 1,47 Dollar ausgewiesen. Das reichte aus, um den Seitwärtstrend, in dem sich die Notiz nun schon seit November 2012 bewegt, weiter zu zementieren. Charttechnisch betrachtet gibt der Titel deshalb momentan nicht allzu viel her und es scheint so, als ob derzeit das Risiko eines Ausbruchs nach unten größer sei als ein Ausbruch nach oben aus der bestehenden Handelsspanne.

Zu dem Konzern, der im Vorjahr einen Umsatz von 8,22 Mrd. Dollar erzielte, zählen nach entsprechenden Akquisitionen unter anderem die Marken Calvin Klein, Tommy Hilfinger und seit Februar 2013 The Warnaco Group. Nach Einschätzung des Vorstandes verfügt man damit über ein sehr gut bestücktes Portfolio an Lifestyle-Marken. Was diese Aufstellung kurzfristig ist, werden die nächsten Quartalszahlen zeigen müssen. Erwartet wird laut Analystenkonsens beim Gewinn je Aktie 1,43 Dollar nach 1,39 Dollar. Beim Ergebnis fehlt es somit zunächst etwas an Dynamik, aber auf Sicht der nächsten fünf Jahre halten Analysten im Schnitt ein Gewinnplus je Aktie von 12,13 Prozent für möglich. Wird entsprechend geliefert, wäre ein KGV von geschätzten gut 15 vertretbar.

Platz zwei der US-Aktien mit dem größten Kurspotenzial: Delta Air Lines Inc. (WKN: A0MQV8, 37,38 Dollar, 27,44 Euro), Kurspotenzial: 55,2 Prozent

Eine beeindruckende Kursentwicklung hat wie so manche andere US-Fluggesellschaften in der jüngeren Vergangenheit auch Delta Air Lines hingelegt. Zuletzt sind die Notierungen aber etwas abgerutscht, was nicht zuletzt mit den schlechten Nachrichten zu tun hat, mit denen einige europäische Branchenvertreter wie etwa auch die Deutsche Lufthansa aufgewartet haben. Allerdings sind die Probleme, mit denen sich die Sektor-Mitglieder aus dem alten Kontinent herumschlagen, vermutlich nicht 1:1 umzumünzen auf die US-Branchenvertreter. Denn die profitieren nach wie vor von einem massiven Kehraus, bei dem auch Pleiten zu einer um Altlasten bereinigten Neuaufstellung geführt haben.

Trotzdem müssen natürlich auch die US-Fluggesellschaften beweisen, dass sie nach wie vor gut unterwegs sind. Delta Air Lines hat am 23. Juli die Gelegenheit, diesen Nachweis zu erbringen. Bei den dann anstehenden Quartalszahlen werden beim Umsatz 10,64 Milliarden nach 9,71 Milliarden Dollar erwartet und beim Gewinn je Aktie 1,03 Dollar nach 0,98 Dollar. Mut hinsichtlich einer Zielerreichung macht die Meldung, wonach es Delta Air Lines im Juni gelungen ist, den Umsatz pro Passagier um 4,5 Prozent zu verbessern. Überzeugen die Quartalszahlen und liegt die Langfristprognose, die für die nächsten fünf Jahre ein Ergebnisplus von 10,5 Prozent vorsieht, nicht total daneben, dann lässt ein KGV von 12,2 noch etwas Luft nach oben. Bei Goldman Sachs wittert man sogar noch erhebliches Potenzial. Denn gemessen am aufgerufenen Kursziel von 58 Dollar beträgt das Potenzial in diesem Fall beachtliche 55,8 Prozent.

Platz eins der US-Aktien mit dem größten Kurspotenzial: Michael Kors Ltd. (WKN: A1JQXP, 85,67 Dollar, 62,93 Euro), Kurspotenzial: 56,4 Prozent

Etwas unter den zuvor starken Kurssteigerungen und dem damit verbundenen Bewertungsanstieg hat zuletzt auch die Aktie von Michael Kors zu ächzen. Das KGV von geschätzten 22,3 fordert hier eben seinen Tribut. Doch es muss auch konstatiert werden, dass sich die Luxus-Lifestyle-Marke des gleichnamigen US-Mode-Designers Michael Kors auf einem fulminanten Wachstumskurs befindet. So ist es beispielsweise im zweiten Quartal dank des reißenden Absatzes, den die hauseigenen Handtaschen und Schuhe finden gelungen, den Umsatz um 54 Prozent auf 917 Millionen Dollar zu verbessern und den Gewinn je Aktie sogar um noch etwas stärkere 56 Prozent auf 0,78 Dollar.

Obwohl die Analystenerwartungen damit wieder einmal geschlagen wurden, reichte es zuletzt nicht mehr zu einem neuerlichen Kursschub. Anscheinend wollen die Anleger jetzt erst einmal eine Bestätigung dafür, dass auch mittel- bis langfristig weitere positive Überraschungen drin sind. Mit einem für die nächsten fünf Jahre erwarteten Gewinnplus von 23,82 Prozent p.a. liegt die Messlatte bereits relativ hoch. Und auch vom nächsten Quartalsbericht wird mit einem prognostizierten Anstieg beim Ergebnis je Aktie von 0,61 auf 0,82 Dollar einiges erwartet. Bei Goldman Sachs scheinen die Analysten aber vollstes Vertrauen zu haben, dass Michael Kors entsprechend liefern kann. Ihr Kursziel von 134 Dollar liegt jedenfalls satte 56,4 Prozent über der aktuell gültigen Notiz.