Der Streaming-Riese macht Schluss damit, dass Nutzer unkontrolliert Konten teilen. Die vielen Alt- und Neukunden können sich bei Netflix bald womöglich auf Live-Sport freuen. Von Florian Hielscher

Netflix hat genug. Genug davon, dass Kunden den Zugang zu ihrem Nutzerkonto beim Streamingdienst vielfach mit anderen teilen. Schließlich entgehen dem Medienunternehmen auf diese Weise viele Abonnenten. Damit ist nun Schluss. Um den Passwort-Parasitismus einzuschränken, hat Netflix Ende Mai neue Regeln auf den Weg gebracht. Schätzungen zufolge betrifft das „Account Sharing“ etwa 100 Millionen Haushalte, die bisher nicht für den Dienst zahlen.

Wollen Nutzer ihr Passwort mit einer Person außerhalb des eigenen Haushalts teilen, braucht diese nun selbst ein Abo, dafür vergünstigt. 7,99 Dollar werden in den USA künftig fällig, in Deutschland ruft Netflix 4,99 Euro für den Service auf. Verstöße gegen die Regeln können bis zur Sperre des Accounts führen. Entsprechend gilt es, möglichst viele der bisher Ungebundenen zu überzeugen. Das funktioniert: In den USA verzeichnete Netflix in der Folge die vier Tage mit dem höchsten Zuwachs an Nutzern seit mehr als vier Jahren, hat der Datendienstleister Antenna gemessen. Dieser erhebt die Daten seit 2019. Die Zahl der durchschnittlichen Anmeldungen pro Tag betrug mitunter das Doppelte des 60-Tages-Durchschnitts. An einzelnen Tagen gab es fast 100 000 Neuanmeldungen. Selbst zu Beginn der Corona-Lockdowns erreichte Netflix nicht so viele Neukunden. Analysten der Bank of America erwarten durch die neuen Maßnahmen zusätzliches Umsatzpotenzial von zwei Milliarden Dollar im Jahr. Auch das werbefinanzierte Modell könnte einen Schub bekommen. Nutzer in Deutschland kostet dieses ebenfalls 4,99 Euro monatlich.

Vorstoß bei Live-Sport

Die größere Kundenbasis kann sich künftig über ein erweitertes Angebot freuen. Die neueste Ankündigung von Netflix, ein Pop-up-Restaurant in Los Angeles zu eröffnen, dürfte dabei weniger ins Gewicht fallen. Mit „Netflix Bites“ bietet das Unternehmen zeitlich befristet ein kulinarisches Erlebnis mit Köchen aus Shows, die beim Dienst liefen. Es ist ein kleiner Schritt in den Bemühungen des Unternehmens, vermehrt Live-Erlebnisse anzubieten. Deutlich größere Wirkung hätten die Vorstöße der Kalifornier, neben Filmen und Serien künftig auch Live-Sport anzubieten. Verglichen mit Konkurrenten hält sich Netflix diesbezüglich bisher zurück. Amazon beispielsweise bietet seinen Prime- Kunden ausgewählte Spiele der Fußball Champions League.

Informierten Personen zufolge erwägt nun auch Netflix einen ersten Schritt, nachdem man sich die Möglichkeit stets offen ließ. „Wir sind nicht gegen den Sport, wir sind für den Profit“, hatte Co-Chef Ted Sarandos im Januar verlauten lassen und hinzugefügt, Netflix werde die Möglichkeiten prüfen. Als Premiere will sich das Unternehmen im Herbst an die Übertragung eines Promi-Golfturniers wagen. An dem Event in Las Vegas nehmen Profigolfer und Formel-1-Fahrer teil. Doch das Unternehmen ist gewarnt: Im April hatte Netflix einen Livestream zu einer Folge der Reality-Show „Love is blind“ verpatzt, kämpfte mit Verspätungen und technischen Störungen. 

Dieser Artikel erschien zuerst in Euro am Sonntag 24/2023. Hier erhalten Sie einen Einblick ins Heft.

Hinweis auf Interessenkonflikte:
Das Vorstandsmitglied dieser Publikation, Herr Leon Müller, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Netflix.