Stürmische Zeiten haben die meisten Windkraftspezialisten zuletzt durchgestanden. Ein Paradebeispiel ist Siemens Gamesa, die spanische Windenergietochter des DAX-Konzerns. Preisdruck und Integrationskosten sorgten beim größten deutschen Windradbauer nach der im April 2017 vollzogenen Fusion gleich für zwei Gewinnwarnungen.



Inzwischen hat der Wind jedoch in eine positive Richtung gedreht. Im zweiten Quartal des laufenden Geschäftsjahres, das am 30. September endet, standen unterm Strich wieder schwarze Zahlen. Die Auftragsbücher sind prall gefüllt, unter anderem mit zwei Offshore-Windparks in Taiwan, einem 15-jährigen Vertrag für margenstarke Wartungs- und Serviceleistungen inklusive.

Die Margen - sie sind das Problem für die gesamte Branche. In den meisten Ländern werden neue Aufträge nicht mehr mit fixen Stromeinspeisetarifen vergütet. Stattdessen sind Auktionsverfahren die Regel. Zum Zuge kommen dabei die günstigsten Projektentwickler. Die niedrigen Preise schlagen sich dann in sinkenden Margen für die Zulieferer nieder.

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Nur ein laues Lüftchen



Die Folge: Das Gros der Firmen erreichte 2017 nicht die ursprünglichen Umsatz- und Gewinnziele. Weltweit wurden den Statistiken von Bloomberg New Energy Finance (BNEF) zufolge Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 56 Gigawatt installiert. Das sind nur zwei Gigawatt mehr als 2016 und sieben Gigawatt weniger als 2015. Davon besonders betroffen waren chinesische Anbieter.

Branchenkenner wie Robert Hauser, Leiter des Nachhaltigkeitsresearch bei Swisscanto Invest, erwarten deshalb für die Windkraftunternehmen noch kein Ende der Konsolidierung. Neben Vestas Wind Systems, Siemens Gamesa und General Electric als die drei großen globalen Akteure werden sich laut Hauser noch einige mittelgroße Firmen wie Enercon, Nordex oder Senvion in Europa sowie Goldwind in China langfristig behaupten. Dazu kommt, dass der Windmarkt immer stärker industrialisiert wird und damit den industriellen Zyklen folgt.

Seit Jahresanfang haben sich die Anzeichen einer Erholung wieder verdichtet. Die Preise sind inzwischen seit mehr als zwei Quartalen stabil. Zugleich ist Windkraft unter ökonomischen Gesichtspunkten gegenüber fossilen Energiequellen konkurrenzfähig. So sind die Stromgestehungskosten - die Kosten, die für die Energieumwandlung in Strom anfallen - von Windkraftanlagen auf dem Land in den letzten zehn Jahren um etwa 40 Prozent gesunken. An guten Standorten ist Windenergie günstiger als mit Kohle oder Gas erzeugter Strom. Damit wird die Branche unabhängiger von Förderungen.

Mehr Leistung, weniger Kosten



Im Wettbewerb unter den einzelnen Anbietern entscheiden auch Größe und neueste Technologien bei den Windturbinen. Aktuell sind Windturbinen mit 3,5 Megawatt Leistung der Standard. Das wird sich bald ändern, ist sich Fondsmanager Michael Schneider von Deka Investment sicher: "Für die Windstromproduktion auf offener See werden die Firmen dazu übergehen, Turbinen mit bis zu 15 Megawatt Leistung zu installieren, was die Kosten weiter reduzieren wird."

Wie der Solarstrom ist auch der Windstrom längst global etabliert. Das bedeutet nicht nur wachsende Anteile für Länder aus Asien oder Lateinamerika, sondern auch immer mehr Firmen aus China, die angesichts sinkender Preise international expandieren. Allerdings geben bei einzelnen Geschäftsfeldern weiterhin etablierte Branchengrößen den Ton an.

"In China und Indien können westliche Anbieter bei Projekten mit hohen Leistungsanforderungen an die Turbinen noch ihren technologischen Vorsprung ausspielen", meint Swisscanto-Experte Hauser - und sieht eine beschleunigte Zweiteilung bei der Auftragsvergabe: "Vestas und Siemens Gamesa werden sich die großen Projekte vor allem im Offshorebereich aufteilen. Mittelgroße Anbieter werden dagegen vor allem bei Aufträgen für Projekte auf dem Land mit niedrigeren Produktionskapazitäten zum Zuge kommen."

Für die Unternehmen kommt es darauf an, wie sie ihr Geschäftsmodell erweitern. Fachmann Hauser sieht für Turbinenhersteller höhere Margen, wenn sie das Servicegeschäft konsequent ausbauen. Um wieder höhere Margen zu erzielen, müssten die Betreiber von Windparks versuchen, langfristige Stromlieferverträge abzuschließen: "Sicher werden die Versorger mehr und mehr Projekte mit Marktpreisen umsetzen müssen.

Bei den Betreibern setzen sich jedoch europaweit langfristige Stromlieferverträge (PPA) für einzelne Windparks mit fixen Abnehmerpreisen über definierte Zeiträume durch. Damit lassen sich höhere Margen erzielen als auf dem freien Energiemarkt."

Nach der Flaute des Vorjahres werden etliche Firmen 2018 und 2019 einen deutlichen Gewinnsprung hinlegen. Christian B. Rom, Fondsmanager bei DNB Investments, sieht den Sektor wieder attraktiv bewertet: "Vor zwölf bis 18 Monaten hat der Markt das Potenzial für höhere Margen zu optimistisch eingeschätzt. Dieser Bewertungsüberhang ist jetzt abgebaut."

Weiterhin vorsichtig äußert sich dagegen Fondsmanager Christian Zimmermann von Pioneer Investments: "Windkraftaktien sind zwar relativ günstig bewertet, aber dafür gibt es gute Gründe. Wir hatten Gewinnwarnungen, und die Umstellung auf Auktionsverfahren führt zu weiterem Preisdruck. Deswegen sehen wir momentan keine Anzeichen, wieder stärker in Windaktien zu investieren."

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Marktführer und Nischenplayer



Für langfristig orientierte Anleger bietet das aktuelle Marktumfeld dennoch gute Einstiegskurse für selektive Investments in Einzelwerte. Gleichwohl bleiben Windaktien wegen ihrer hohen Volatilität spekulative Beimischungen fürs Depot. Gute Einstiegskurse bieten die zwei größten Windenergiehersteller. Siemens Gamesa ist optisch höher bewertet als Vestas Systems, bietet aber das größere Steigerungspotenzial auf der Ertragsseite. Bis 2020 soll die operative Marge von zuletzt sieben auf bis zu zehn Prozent steigen. Vestas traut sich in diesem Jahr neun bis elf Prozent zu. Für Siemens Gamesa spricht das erwartete höhere Gewinnwachstum für die nächsten Jahre. Dazu kommen die Synergieeffekte aus der Fusion, die sich jährlich auf 400 Millionen Euro belaufen sollen.

Unter den kleineren Windparkbetreibern hebt sich PNE Wind ab. Die Cuxhavener Firma hat bei ihren Windprojekten im Inland und im Ausland die Erträge gesteigert. Zuwarten ist dagegen erst einmal bei Nordex und Senvion angesagt. Nordex meldete zuletzt wieder einige größere Aufträge, der Auftragseingang lag deutlich über den Erlösen. Dennoch muss das Unternehmen für dieses Jahr noch den Nachweis liefern, wie sich die Auftragsdelle im deutschen Markt ausbügeln lässt. Ähnliches gilt für Senvion, wo nach einer knallharten Restrukturierung das operative Geschäft wieder auf Rückenwind wartet.



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Auf einen Blick: Windenergie