Die Siemens-Aktie machte ihren Besitzern in den vergangenen Monaten wenig Freude. Seit dem Allzeithoch bei knapp 158 Euro Anfang Januar rutschte das Dax-Schwergewicht zuletzt zeitweise unter die 100-Euro-Marke. Fast logisch, dass die Analysten ihre Kursziele für Siemens korrigieren. Ein Haus stuft den Wert sogar herab. 

Die französische Großbank Société Générale (SocGen) hat Siemens von "Buy" auf "Hold" abgestuft und das Kursziel von 145 auf 115 Euro deutlich gesenkt. Die kurzfristig positive Einschätzung der Aktie des Industriekonzerns beruhe auf der Widerstandsfähigkeit der Sparte Digital Industries (DI), schrieb Analyst Alasdair Leslie in einer aktuellen Studie. Der Konsens sei allerdings "zu selbstgefällig", denn es bestünden Abwärtsrisiken durch schwächere Aufträge im Geschäftsjahr 2023 sowie durch die Lohninflation. Dies bedrohe den Auftragsbestand und die Margensicherheit von DI.

Seit Ende September, kurz nachdem die Siemens-Aktie erneut die 100-Euro-Marke unterschritten hatte, meldeten sich noch acht weitere Analysehäuser und passten ihre Votings an. Dabei sind die Experten offenbar sehr uneins über die mittelfristigen Aussichten. Die Kursziele für Siemens schwanken zwischen 74 und 165 Euro enorm. BÖRSE ONLINE gibt einen kurzen Überblick.

Bernstein sieht deutliches Abwärtspotenzial für Siemens

Besonders pessimistisch für die Siemens-Aktie ist Bernstein Research eingestellt. Das US-Analysehaus hat die Einstufung für Siemens Ende September auf "Underperform" belassen und prognostiziert ein Kursziel von 74 Euro. Auf den jüngsten Investoren-Konferenzen hätten die Management-Teams der Investitionsgüter-Konzerne die Ansicht vertreten, dass die Nachfrage immer noch stark sei und ein Rekord-Auftragsbestand einen möglichen Abschwung im Jahr 2023 überbrücken werde, schrieb Analyst Chad Dillard in einer Branchenstudie. Dabei müsse aber berücksichtigt werden, dass die für 2023 erwarteten Gewinne in den heutigen Auftragsbeständen bis zu 30 Prozent weniger wert sein könnten als das, was der Markt derzeit einpreist.

Auch die britische Investmentbank Barclays sieht kein Potenzial. Sie hatte das Kursziel Anfang Oktober von 95 auf 90 Euro gesenkt und die Einstufung auf "Underweight" belassen. In den kurzzyklischen Segmenten des europäischen Investitionsgütersektors – Konsumgüter, Elektronik, Wohnungsbau, Teile der allgemeinen Industrie – zeigten sich Risse in der Nachfrage, was dem traditionellen Muster einer industriellen Rezession im Anfangsstadium entspreche, schrieb Analyst Lars Brorson.

Einschätzung der Redaktion zur Siemens-Aktie

Andere Analysten bleiben optimistisch für Siemens eingestellt. So senkt die kanadische RBC zwar ihr Kursziel von 140 auf 135 Euro, bleibt aber bei ihrem "Outperform"-Voting. Vom aktuellen Siemens-Kursniveau bei 105,50 Euro ergibt sich daraus immerhin ein Potenzial von etwa 28 Prozent. Analyst Mark Fielding rechnet bei europäischen Industriekonzernen weiter nicht mit einem massiven Gewinneinbruch. Drei Viertel der durchschnittlichen Kursverluste in Rezessionsphasen seien zudem bereits erfolgt. Als besonders attraktiv hebt er unter anderem Siemens hervor.

UBS und Deutsche Bank senkten ihre Kursziele für Siemens ebenfalls – und zwar von 153 auf 141 bzw. von 160 auf 145 Euro, bleiben beide aber bei ihren "Buy"-Einschätzungen. Noch optimistischer sind JPMorgan mit 12-Monats-Kursziel von 156 Euro und Goldman Sachs, die das Ziel von 186 auf 162 Euro herabsetzten. 

Am optimistischsten bleibt Credit Suisse. Die Schweizer Bank hat die Einstufung für Siemens vor zehn Tagen auf "Outperform" mit einem Kursziel von 165 Euro belassen. Analyst Andre Kukhnin gehe es darum, das zyklische Risiko zu minimieren und Aktien mit unternehmensspezifischen Kurstreibern zu identifizieren oder mit extrem unpassenden Bewertungen. Siemens bleibe vor diesem Hintergrund eine wichtige positive Empfehlung.

An der Börse zeigt sich die Siemens-Aktie zuletzt im Aufwind. Am Montag-Mittag steigt das Dax-Schwergewicht zeitweise um etwa anderthalb Prozent auf 105,52 Euro.

TradingView
Neun-Monats-Chart Siemens (in Euro, Xetra)

Fazit

Der deutsche Industrieriese scheint sich in anspruchsvollem Geschäftsumfeld zu stabilisieren. Aktuell versucht sich die Siemens-Aktie an ihrem mittelfristigen Abwärtstrend (siehe Chart). Die 50-Tage-Linie wurde bereits geknackt. BÖRSE ONLINE stuft die Siemens-Aktie längerfristig als kaufenswert ein und hat ein Kursziel von 150 Euro ausgegeben.