Siemens werde ein Angebot für den Konkurrenten vorlegen, entschied der Aufsichtsrat des Konzerns am Dienstag. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass Alstom seine Bücher öffne, und das Management für Gespräche bereitstehe. Eine abschließende Entscheidung über eine konkrete Offerte werde dann innerhalb der nächsten vier Wochen getroffen, erklärte Siemens. Wie Siemens-Chef Joe Kaeser sich den Zukauf, den Insider auf rund elf Milliarden Euro taxieren, im Detail vorstellt, ist offen. Für die Energiesparte der Franzosen, die für rund drei Viertel des Geschäfts steht, hat auch der US-Rivale General Electric ein Angebot vorgelegt.

Im Gespräch ist, dass die Münchner das Energiegeschäft von Alstom übernehmen und im Tausch ihre Zugsparte abgeben. Siemens kann bei seinem Werben auf die Unterstützung der französischen Regierung setzen, die bei einer Alstom-Übernahme durch die Amerikaner Arbeitsplatzverluste befürchtet und den deutschen Technologieriesen als Nothelfer ins Spiel gebracht hat. Der Technologiekonzern beschäftigt in seinem Heimatland 18.000 Menschen. Alstom-Chef Patrick Kron dagegen bevorzugt die Offerte des US-Rivalen - GE hatte vergangene Woche bei ihm offene Türen eingerannt.

Die Führungsspitze des französischen Technologiekonzerns komme am Abend zusammen, um die beiden Offerten zu prüfen, sagten mit der Situation vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Die Pariser Börsenaufsicht, von der Regierung auf den Plan gerufen, wies Alstom unmittelbar vorher öffentlich darauf hin, dass die Führungsspitze die Pflicht habe, alle Optionen "in objektiver und professioneller Weise und auf der Basis klarer Kriterien" zu prüfen. Wenn der Markt über Inhalt und Bedingungen der beiden Angebote informiert sei, solle die Alstom-Aktie am Mittwoch wieder gehandelt werden können.

Die IG Metall hielt die industrielle Logik einer deutsch-französischen Allianz für nachvollziehbar. Der bayerische Bezirkschef Jürgen Wechsler nannte aber als zwingende Voraussetzung für den geplanten Tausch von Siemens' Zugsparte gegen Alstoms Energiebereich "umfassende Garantien für die Sicherheit der Beschäftigung und aller betroffen Siemens-Standorte". Für die Alstom-Mitarbeiter in Frankreich haben die Münchner eine Jobgarantie über drei Jahre abgegeben. Ähnliche Zusagen stellen sich auch die Deutschen vor. Was ein mögliches Zusammengehen für Beschäftigte der beiden Konzerne in anderen Ländern bedeuten könnte, blieb zunächst offen. Die IG Metall wies darauf hin, dass Siemens auch im Zuggeschäft langfristig die Federführung oder zumindest entscheidenden Einfluss behalten müsse.

EUROPÄISCHE CHAMPIONS

Der Politik schweben zwei europäische Champions vor, die durch die Tauschgeschäfte zwischen Siemens und Alstom entstehen sollen: einer für die Energieversorgung und einer für das Bahngeschäft. Analysten befürchten allerdings Schwierigkeiten mit den Kartellbehörden angesichts der Größe der neuen Unternehmen. In diesem Fall müsse die Politik Farbe bekennen, damit ein weltweit agierender Spieler entstehen könne, hieß es aus dem Konzernumfeld.

Die französische Politik bringt sich traditionell bei Wirtschaftsfragen stark ein und stellt nationale Interessen in den Mittelpunkt. Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg hatte Alstom-Chef Kron vor Kurzem öffentlich wegen seines Vorgehens gescholten und angekündigt, die Regierung beabsichtige, die Interessen des Landes zu verteidigen. Alstom musste zudem bereits einmal von der Regierung gerettet werden. Schon vor zehn Jahren hatte Siemens Interesse, aber Kron und der damalige Finanzminister Nicolas Sarkozy lehnten ab.

Sowohl Kaeser als auch GE-Lenker Jeffrey Immelt hatten am Montag bei Staatspräsident Francois Hollande persönlich für ihre Pläne getrommelt. Immelt versuchte Bedenken auszuräumen, wie eine Person mit Kenntnis über den Inhalt der Gespräche sagte, und verwies auf eine gelungene franko-amerikanische Kooperation: den Triebwerksbauer CFM, der in diesem Jahr 40-jähriges Bestehen feiert. Auch Siemens kann solch ein Beispiel anführen. Die Münchner verkauften vor ein paar Jahren ihre IT-Sparte an den französischen Dienstleister Atos.

Reuters