Es lief im dritten Quartal doch besser für Siemens als erwartet. Hatte Konzernchef Joe Kaeser die Aktionäre bei den Halbjahreszahlen noch darauf vorbereitet, dass der industrielle Niedergang vor allem von April bis Juni sichtbar sein würde, überzeugten die am Donnerstag in München vorgelegten Q3-Zahlen.

Man habe sich in dem schwierigen Umfeld gut behauptet, so Kaeser in einer Telefonkonferenz am Donnerstag. Die Entwicklung sei dabei zum Teil wesentlich besser ausgefallen, "als wir das vor drei Monaten erwartet haben", ergänzte Roland Busch, der im Oktober operativ das Ruder des Technologiekonzerns übernehmen wird.

Der Umsatz des Dax-Konzerns ging in den drei Monaten um fünf Prozent auf 13,5 Milliarden Euro zurück, der Auftragseingang schrumpfte um sieben Prozent auf 14,4 Milliarden. Vor allem die Zug-Sparte und Software zur Industrie-Automatisierung stützten das Geschäft.

"Wir halten erfolgreich Kurs"


Mit den Q3-Zahlen konnte Siemens nicht nur die Anleger begeistern - die Aktie legte am Donnerstagmorgen um mehr als 2,7 Prozent zu - sondern auch die Analysten. So konnte der Dax-Konzern im dritten Quartal das bereinigte operative Ergebnis (Ebitda) um acht Prozent auf 1,8 Milliarden Euro steigern. Experten hatten den Münchnern hier im Schnitt nur 1,17 Milliarden zugetraut und mit deutlich stärkeren Umsatz- und Auftragseinbrüchen gerechnet.

Trotz der Corona-Pandemie war Siemens erfolgreich auf Kurs geblieben und lieferte eine überzeugende operative Performance, erklärte Kaeser am Donnerstag. Die Lieferketten seien weitgehend intakt geblieben. Zu dem verbesserten Ebitda trugen auch Kurzarbeit und um 70 Prozent gesunkene Reisekosten bei. Siemens profitierte auch von einer Zuschreibung von mehr als 200 Millionen Euro auf die Beteiligung am Softwareunternehmen Bentley Systems.

Herber Gewinneinbruch durch Abspaltung


Unterm Strich verzeichnete Siemens allerdings einen deutlichen Gewinneinbruch. Der Gewinn halbierte sich auf 535 Millionen Euro, nach rund 1,1 Milliarden Euro im Vorjahresquartal. Ausgelöst wurde das Minus insbesondere durch die vor der Abspaltung stehende Energietechnik-Sparte Siemens Energy und eine höhere Steuerquote.

Dazu kamen hohe Verluste des Windanlagenbauers Siemens Gamesa. Sie wird als Teil der Siemens Energy am 28. September an die Börse gebracht. Mit der Abspaltung gibt der Dax-Konzern die Mehrheit der Anteile ab.

An den Börsenplänen hält der Technologiekonzern trotz Corona fest. Die Aktionäre hätten im Juli auf einer außerordentlichen Hauptversammlung den Plänen zugestimmt. Jeder Siemens-Eigner erhält pro zwei Siemens-Aktien automatisch ein Papier von Siemens Energy. Auf diese Weise werden 55 Prozent von Siemens Energy verteilt. 35,1 Prozent bleiben bei Siemens, 9,9 Prozent beim Siemens Pensionsfonds. Die Anteile will Siemens über zwölf bis 18 Monate deutlich reduzieren.

Management bleibt weiter vorsichtig


Die Kosten der Abspaltung von Siemens Energy dürften den Gewinn im Gesamtjahr "wesentlich belasten", warnte der Dax-Konzern seine Aktionäre. Deshalb geben die Münchner weiterhin keine genaue Gewinnprognose ab. Wegen der Pandemie erwarten sie einen moderaten Umsatzrückgang um bis zu fünf Prozent. Nach dem abgelaufenen dritten Quartal steht derzeit ein Minus von zwei Prozent zu Buche.

So soll es nach Corona weitergehen


Dennoch zeigte sich der Konzern zuversichtlich, gestärkt aus der Krise gehen zu können - der Tiefpunkt dürfte in den Monaten von April bis Ende Juni erreicht worden sein. Der künftige Chef Roland Busch erwartet, dass das Digitalisierungs-Geschäft den Markt noch stärker durchdringen und für das Unternehmen Wettbewerbsvorteile schaffen wird.

Außerdem schmiedet Siemens weitere Abspaltungspläne. So soll die Antriebstochter Flender ausgegliedert und an der Börse notiert werden. Die Produkte des Unternehmens werden in Windkraftanlagen sowie zahlreichen anderen Industriebereichen eingesetzt. Dabei will Siemens den Bereich Wind Energy Generation in Flender integrieren. Beide Unternehmen werden derzeit als sogenannte "Portfolio Companies" geführt. Das neue Unternehmen kommt auf einen Pro-forma-Umsatz von rund zwei Milliarden Euro. Die Aktionäre sollen auf der Hauptversammlung im Februar 2021 darüber entscheiden.

Weiter offen bleibt die strategische Überprüfung der Zugsparte. Hier nimmt sich Siemens mehr Zeit als geplant und will zum vierten Geschäftsquartal Ergebnisse vorstellen.

Einschätzung der Redaktion


Die Q3-Zahlen kamen am Donnerstag am Markt gut an. Die Siemens-Aktie legte um fast drei Prozent zu. Damit stieg das Papier kurzzeitig auf 117,20 Euro - der höchste Stand seit mehr als sechs Monaten. Zusammen mit dem Sportartikelhersteller Adidas zog die Aktie den deutschen Leitindex Dax nach oben.

Charttechnisch gesehen wurde die Siemens-Aktie hart vom Corona-Crash Anfang März getroffen. Von rund 106 Euro ging es bis Mitte März auf unter 60 Euro zurück. Seitdem hat sich der Kurs allerdings wieder kräftig erholt. So legte er in den vergangenen drei Monaten um ein Drittel zu. Ende Mai knackte die Aktie wieder die 100-Euro-Marke.

Nach einem kleinen Rücksetzer Mitte Juni stieg der Kurs wieder bis zu aktuell rund 115 Euro. Die Aktie ist damit wieder auf Vor-Corona-Niveau. Über ein Jahr gesehen kommt die Aktie auf ein Plus von fast 20 Prozent. In den vergangenen fünf Jahren liegt das Wachstum bei rund 13 Prozent.

Analysten von dpa-AFX stufen die Siemens-Aktie weiterhin als kaufenswert ein. Die Abspaltung von Siemens Energy etwa sei für alle Seiten von Vorteil - auch für die Aktionäre, schrieb Andreas Willi von JPMorgan jüngst in einer Studie. Auch wir bleiben bei unserer Kaufen-Einschätzung.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 145 Euro
Stoppkurs: 85 Euro



Mit Material von dpa-AFX und Reuters